Tichys Einblick
Gegen alles Recht wie bisher

Willkommen in Frankfurt, Madame Lagarde

Lagarde sagte als frisch gebackene Chefin des Internationalen Währungsfonds: „Wir verletzten alle Rechtsvorschriften, weil wir einig auftreten und wirklich die Eurozone retten wollten (…) Der Vertrag von Lissabon war eindeutig. Keine Rettungsaktionen.“

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„Es gibt nur zwei wirkliche Unglücke im Leben eines Menschen: Nicht zu bekommen was man will – oder zu bekommen was man will!“ – Oscar Wilde

Weidmanns Heil

Den Satz des geistreichen Iren schicke ich vorweg als Trost für Bundesbankpräsident Weidmann dafür, dass er nicht Präsident des gröZombaZ, des größten Zombies aller Zeiten, der Zentralbank der EU, wird. Denn wäre sein gar nicht heimlicher Wunsch in Erfüllung gegangen, hätte er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Kollaps dieser fehlkonstruierten Vermögensvernichtungsmaschine präsidieren dürfen.

Lieber Herr Weidmann, das wäre nicht vergnügungssteuerpflichtig gewesen! Jetzt, da unsere in den erlauchten Kreis der Harvard-Erleuchteten aufgenommene Kanzlerin sich entschlossen hat, statt ihrer Person die Antwort Frankreichs auf Uschis Stahlhelmfrisur, Madame Christine Lagarde auf den wackelnden Thron der Druckerpresse zu hieven, können Sie übrigens auch wieder frei von der Leber sagen, was Sache ist und müssen nicht den eher sinnlosen Versuch fortsetzen, wahlkampftechnisch die Realität zu kneten, um in der EU Knoblauchgürtel (Das ist kulinarisch als Lob gedacht!) Akzeptanz zu finden. Denn in der größten moralischen Krise des Kontinents seit 1945 dürfen wir eine Sache als abgemacht betrachten: Nur wer die Dinge beim Namen nennt, wird bestehen.

Amakudari. Japanisch für Abstieg vom Himmel

Wenden wir uns also der Dame zu, die gewissermaßen nach japanischer Amakudari-Manier (Japanisch: „Abstieg vom Himmel“; bezeichnet den Übergang von hohen Ministerialbeamten in die Führungsriege japanischer Großunternehmen) vom Washingtoner Olymp des Internationalen Währungsfonds in die irdischen Gefilde der westlichen Äpelwoi-Hauptstadt herabschreiten wird, um mit ihrem stahlgrünen Super Woman-Laserblick Kritiker und Skeptiker in die Schranken zu verweisen.

Es wäre müßig, sich an dieser Stelle lange mit dem Umstand aufzuhalten, dass diese Reise das Ergebnis eines Kuhhandels zwischen „chère Angela“ und „ami Emmanuel“ (Küsschen, Küsschen) ist. Etwas anderes in dieser EU zu erwarten, deren Markenzeichen der Hinterzimmerhandel und deren passendes Wappentier eben jene Kuh sein sollte, die ihn so passend repräsentiert, fällt unter den Superlativ von naiv. Was bitteschön anderes wollen Sie von einer Institution erwarten, die bei der Wahl zu ihrer vermeintlichen Volksvertretung ein Klassenwahlrecht zur Anwendung bringt, bei der eine Luxemburger Wählerstimme 10 mal so wertvoll ist wie eine Deutsche? Dass die Staats- und Regierungschefs im Zweifel diese Versammlung, die ungefähr so viel mit einem Parlament zu tun hat wie ein Kinderkaufmannsladen mit einem Supermarkt (dann geh doch zu netto!), mitleidig lächelnd ignorieren, ist nur folgerichtig. Ab und zu blitzt halt die Wahrheit zwischen den Spiegelwelten der Räterepublik von Brüssel hervor.

Nimm vom Staat das Recht weg, was bleibt dann als eine große Räuberbande – Hl. Augustinus

Viel wichtiger aber ist die Frage: Was ist das für eine Person, der man jetzt die Führung der Schattenregierung der EU, dem wahren Politbüro dieser EU-Räterepublik anvertraut?

Da bietet sich ein Zitat an, welches Madame Lagarde gerade passend im Zusammenhang mit der Rettung diverser Länder am Beginn der Eurokrise in ihrer Rolle als damals frisch gebackene Chefin des Internationalen Währungsfonds in die Landschaft gestellt hat, als wäre der Rechtsbruch die normalste Sache auf der Welt: „Wir verletzten alle Rechtsvorschriften, weil wir einig auftreten und wirklich die Eurozone retten wollten (…) Der Vertrag von Lissabon war eindeutig. Keine Rettungsaktionen.“

So etwas nennt man in anderen Kreisen ein Geständnis. Im Land von Herrn Draghi würde man sagen: „Sie hat gesungen“.

Es präzisiert immerhin den wesentlich schwammigeren Satz von Herrn Draghi vom „Whatever it takes“, vom „Alles was nötig ist“, um den Untergang des Euro hinauszuzögern. Ich sage bewusst „hinauszögern“ und nicht „retten“, weil letzteres ohnehin nicht mehr möglich ist. Kombiniert man den Satz von Herrn Draghi mit dem von Madame Lagarde, dann wird deutlich, dass der Rechtsbruch nötig war, ist und auch weiterhin bleibt, um die monetäre Matrix, die eine funktionierende Marktwirtschaft vorgaukelnde Scheinwelt des Eurosystems noch eine Weile aufrecht zu erhalten.

Stellenbeschreibung: Helikopterflugschein erwünscht

Immerhin kommt Frau Lagarde mit dem Handwerkszeug, das man braucht, um die ganze Klaviatur des Fiat-Geldsystems solange zu spielen, bis das letzte bisschen Vermögen aus den Sparern dieses Kontinents zugunsten der korrupten Party einer auf Wahlversprechen, Gießkannen und Stimmenkauf angelegten politischen Klasse herausgepresst ist. Wir dürfen uns darauf einstellen, dass der finale Kollaps erst kommt, wenn alle Mittel der Druckerpresse, des Helikoptergeldes, des Umbaus der EZB in die größte Bad-Bank aller Zeiten und der Umverteilung von Nord nach Süd ausgeschöpft sind.

Ihr Lebenslauf spricht dafür, dass sie es technisch voll im Griff hat, die Dose so lange die Straße hinabzutreten, bis keine Straße mehr da ist. Sie wird auch nicht aus der Reihe tanzen und auf die Idee kommen, dass fundamentale Änderungen notwendig sind. Immerhin war sie in ihrer Jugend Mitglied der französischen Nationalmannschaft im Synchronschwimmen. Wir können uns also darauf verlassen, dass sie weiß, wie man in Reih und Glied bleibt, staatstragend und konform bis zum Ende. Dass die ENA sie nicht haben wollte ist ja jetzt bedeutungslos, schließlich schafft „ami Emmanuel“ den schon früher nach Strasbourg (Französisch-Sibirien) verbannten Eliteladen gerade ab. Ansonsten finden wir in ihrem CV das gesamte technokratische Beiwerk der Lebensläufe gallischer Politiker. Ein paar Kratzer (Tapie-Affäre), aber nichts Lebens- äh, Karrierebedrohliches.

Aus all dem können wir schlussfolgern, dass es ungefähr so laufen wird, als hätte sich Herr Draghi transgendern, in Frankreich einbürgern und wieder aufstellen lassen. Die Zinsen bleiben schön unter null, die Manipulation der Märkte durch Anleihen-Kauf geht weiter. Dafür spricht auch das Gemeinschaftswerk, welches EZB und IWF erst vor wenigen Monaten zu der Frage aufgelegt haben, wie man noch sehr viel tiefere Negativzinsen durchsetzen könnte. Hier bei Tichy wurde darüber berichtet.

Eisberg voraus! Volldampf, die EUtanic ist unsinkbar!

Das Alles wird aber an einer Sache nichts ändern: Dass diese Politik das Bankensystem durch Ertragsverfall und Zombifizierung soweit ausgehöhlt hat, dass sein Kollaps bevorsteht. Die dann von der EZB zu finanzierende Rettungsorgie wird die vermeintlich unbegrenzte Feuerkraft der Druckerpresse an ihr Limit führen. Hier mein Formulierungsvorschlag für Madame Lagarde, wenn sie die Pressekonferenz abhält, mit der sich die Euromünzen zum abgeschlossenen Sammelgebiet mausern werden: „Wir setzten uns über alle Lehrbücher der Geldtheorie und Geldpolitik hinweg, weil wir die Eurozone wirklich retten wollten (…) Die Lehren aus 5.000 Jahren Geld- und Wirtschaftsgeschichte waren eindeutig. Der Euro war nie zu retten.“

Bonne chance!