Tichys Einblick
Von Italexit zu Eurexit?

Von Minibots, Merkelbots und Wechselkursen

Italien hat einen großen Schritt in Richtung Euroaustritt oder sogar Euroauflösung getan. Denn wenn eine schlechte Währung eines nicht vertragen kann, dann ist es der Verlust des Währungsmonopols.

Als die neue als populistisch verschriene Regierung Italiens letztes Jahr ans Ruder kam, gab es nicht wenige, die diesem Links-rechts-Bündnis aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega Nord eine kurze Zukunft prophezeiten. Es ist ganz offensichtlich in EU-Europas herrschender politischer Klasse ein genereller Reflex des Wunschdenkens, die wachsende Zahl unbequemer politischer Bewegungen und neuerdings eben auch Regierungen nicht als Realität wahrhaben zu wollen.
Besonders viel Weihwasser und Kruzifixe zum Exorzismus von Politikern, die jetzt neuerdings auf den Gedanken verfallen, ihre Wahlversprechen auch noch einzuhalten (horribile dictu!), hat einer der Hauptvertreter der kommunistischen Bürokratischen Staaten von Europa (aka KomBüSE), Mario Draghi, aufgeschichtet. Er hat auch allen Grund dazu. Was also ist der Stein seines Anstoßes?

Geld oder Schuldschein, was ist der Unterschied?

Es nennt sich „Minibot“. Das ist eine Art von Geld im Stil von „IoUs“ (I owe you), die ganz unschuldig als Schuldschein im Banknotenformat daherkommt. Dieses Instrument wurde jetzt vom italienischen Parlament erst mal genehmigt, so dass die Regierung Salvini / Di Maio sie jetzt auch auf den Weg bringen kann. Und das wird sie mit Sicherheit tun. Denn diese Regierung weiß eines mit absoluter Gewissheit: Italien kann in diesem Euro wirtschaftlich nicht überleben.

Italien kann nicht mehr atmen

Italien ist mit über 130% Schuldenstand relativ zum Bruttosozialprodukt das in Euroland am höchsten verschuldete große Land. Italien hat gemessen an dieser Relation mehr Schulden, als Griechenland sie beim Beginn seiner Schuldenkrise hatte. Italien ist überschuldet und mathematisch ist das ungefähr das gleiche wie ein Raumfahrer, der hinter den Ereignishorizont eines schwarzen Loches gefallen ist. Der kommt da nicht mehr raus ohne zu „tunneln“, also in der Sprache der Kapitalmärkte nicht ohne Schuldenschnitt. Gibt das Land mehr aus, um seine Wirtschaft anzukurbeln, reicht der Impuls nicht aus, weil die Schulden schneller Wachsen als die Wirtschaft, insbesondere nachdem durch die Nullzinspolitik die Wirtschaft zombifiziert wurde und die Steigerung der Produktivität als Wachstumsmotor ausfällt.

Spart die Regierung hingegen und schluckt die von allen Südländern verdammte und verfluchte Austeritätspille aus dem Hause Schäublepharma, dann schrumpft die Wirtschaft schneller als die Schulden, weil jeder negative Konjunkturimpuls sich in der weidwunden Wirtschaft sofort hochschaukelt.

Prokrustes lässt grüßen

So wie der Euro zu schwach für Deutschland ist und eine Wettbewerbsfähigkeit vorgaukelt, die schon lange nicht mehr vorhanden ist, so ist er zu stark für Italien und zerstört auch die eigentlich wettbewerbsfähigen Teile seiner Wirtschaft. Der Euro, so hätten die alten Griechen gesagt, ist ein Prokrustesbett. Und verehrter Leser, das ist ein Möbelstück, das sie nicht wirklich ausprobieren wollen. Prokrustes betrieb nämlich ein Hoteleriegewerbe mit zwei Betten, ein sehr langes und ein sehr kurzes. Klein gewachsene Gäste steckte er in das lange Bett und streckte sie so lange bis sie das Bett der Länge nach ausfüllten, groß gewachsene hingegen wurden in das kleine Bett gelegt und ihnen wurden die Beine abgehackt, damit sie reinpassen. Diese alte Geschichte aus einer Zeit, als die Mittelmeerländer noch die wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsräume Europas waren, hätten sich die Gründer des Euro mal zu Gemüte führen sollen, bevor sie uns ihre Fehlkonstruktion aufs Bürgerauge gedrückt haben.

Italien ist der kleinwüchsige Gast, den die Rettungseuropäer die ganze Zeit lang machen wollen. 20 Jahre Euro lassen das Land mit einem verfügbaren pro-Kopf-Einkommen unter dem Niveau vor Einführung dieser „Währung“ schmachten. Die italienische Populisten-Regierung hat also recht. Sie muss daher den Euro entweder so umbauen, dass er als EU-Lira endet, komplett mit Dauertransferunion von Deutschland nach Süden (analog der Dauertransferunion von Norditalien in das Mezzogiorno) oder sie muss aus diesem Gefängnis ausbrechen und den Euro verlassen.

Ein Zombie aus Maastricht wird wiederbelebt

Die Weigerung der jetzt wieder stolzen Römer, die Schrumpfkur einer erfolglosen Austerität zu betreiben und die Vorgaben des ohnehin dahinsterbenden Maastrichter Vertrages einzuhalten hat jetzt aufgrund der Offenheit der Kampfansage nach Brüssel dazu geführt, dass man – 15 Jahre zu spät – zum ersten Mal doch über eine Defizitstrafverfahren gegen die unbotmäßigen Espressofreunde nachdenkt.

Die logische Antwort auf dieses Geschütz ist die Einführung eines neuen Verschuldungsinstrumentes, nämlich der Ausgabe von Schuldscheinen, die sich aufgrund ihres Formates und ihrer Fälschungssicherheit ganz hervorragend als Bargeld eignen. Das sind die „Mini-Bots“. Sie sind nicht nur der Einstieg in eine Parallelwährung, die es Italien im Zweifel erlauben wird, den Übergang gleitend zu organisieren, sie sind auch das geldpolitische Äquivalent zum menschlichen Mittelfinger. Italien hat gleich zwei davon: Einen rechten und einen linken.

Draghi will sein Monopol wiederhaben

Merkelbot Draghi, der die Denkweise seiner Landsleute natürlich mit der Elternteil-1-Milch aufgesogen hat, erkannte sofort die Gefahr und nannte das Instrument – ebenfalls zu Recht – illegal. Wenn es nur Schuldscheine sind (mit denen die Italienische Regierung jetzt erst mal Lieferanten bezahlen möchte), dann fallen sie unter die Schuldenbegrenzung nach Maastricht, wenn es eine Parallelwährung ist, dann bricht sie das gesetzliche Währungsmonopol des Euro und das nicht nur in Italien, denn wer wollte die kleinen süßen Bots daran hindern, über die Grenzen nach Frankreich, Österreich und Deutschland zu schwappen?

Sehr schnell würde sich dann zwischen dem Euro und diesen Mini-Bots ein Wechselkurs einstellen, der die Wahrscheinlichkeit reflektiert, dass Italien aus dem Euro ausscheidet, weil es seine Schulden nicht mehr bedienen und seine Wirtschaft nicht in Ordnung bringen kann. Und wenn die Märkte für diese Wahrscheinlichkeit erst mal einen Indikator haben, dann können Herr Draghi oder sein Nachfolger schon mal ein Schild an die Türe des EZB-Turms hängen auf dem steht: „Der letzte macht das Licht aus!“

Der Exit wird nicht so heiß gegessen, wie er gekocht wird

Denn eines ist auch klar: Genau wie beim Brexit würde ein Italuscita, ein Italexit, wahrscheinlich nicht nur viel reibungsloser verlaufen, als uns die Angst machende Klasse in Brüssel, Paris, Berlin und Frankfurt weis machen will, sondern die italienische Wirtschaft würde sich, durch das Ventil des Wechselkurses befreit, und nach einem allfälligen Schuldenschnitt, schnell erholen. Dann ist die Angst weg, dass die Auflösung des ungeliebten Euro noch riskanter und gefährlicher wäre, als der Schrecken ohne Ende, den uns die Eurogeisterbahn beschert.

Wenn diese Erkenntnis mit der kommenden Bankenkrise zusammentrifft, dann ist der Weg zur Auflösung des Euro frei.