Tichys Einblick
Spurwechsel

Trigema-Chef Grupp fordert legalen Missbrauch des Asylrechts

Durch die Beschäftigung nicht-bleiberechtigter Asylbewerber haben sich einige Unternehmen im Einklang mit der Bundesregierung selbst ein Problem geschaffen, über das sie nun lautstark klagen. Einzelne ihrer Wortführer versteigen sich dabei zu ebenso kruden wie eigennützigen Forderungen.

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Nachdem die Bundesregierung Asylbewerbern, über deren Asylverfahren noch nicht endgültig entschieden worden ist, und selbst abgelehnten Asylbewerbern eine Arbeitserlaubnis erteilt hat, haben einige Unternehmen die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und mit solchen Arbeitskräften einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag abgeschlossen. Sie lösten damit nicht nur ein möglicherweise bestehendes Problem bei der Besetzung eines oder mehrerer ihrer Arbeitsplätze, sondern folgten auch der Aufforderung der Regierung, Asylbewerber unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status möglichst umgehend in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. Damit nahmen sie billigend in Kauf, abgeschlossene Arbeitsverträge zu gegebener Zeit wieder auflösen zu müssen, sollten die fraglichen neuen Mitarbeiter kein Bleiberecht erhalten. Ein im Einklang mit der Bundesregierung selbst erzeugtes und daher absehbares Problem, über das nun öffentlich lautstark geklagt wird.

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Eines dieser Klage-Unternehmen ist das schwäbische Textilunternehmen Trigema. Sein Chef Wolfgang Grupp berichtet in der WELT vom 28. August, dass er inzwischen 36 Näher in seinem Unternehmen beschäftigt, von denen rund die Hälfte sich entweder noch im Asylverfahren befindet oder gegen einen schon ergangenen Ablehnungsbescheid Widerspruch eingelegt hat. Grupp folgte dabei nach seinen eigenen Worten der Devise: „Wenn eine Firma in Deutschland keine Arbeitskräfte findet, zum Beispiel in der Altenpflege, bleibt ihr nur, im Ausland welche zu suchen. Wieso sollte diese Firma da nicht Arbeitskräfte unter den Flüchtlingen suchen, die ohnehin schon in Deutschland sind, egal aus welchen Gründen ? Wieso sollte eine solche Firma Geld für die Akquise von Personal im Ausland ausgeben, wenn potenzielle Kandidaten in Gestalt von Flüchtlingen oder Asylbewerbern im Lande sind ?“

Dieses nonchalante, von Grupp selbst als „pragmatisch“ bezeichnete Vorgehen hat nun dazu geführt, dass er von seinen 36 nähenden Asylbewerbern nach und nach 18 wieder entlassen muss, sollten deren Asylanträge endgültig abgelehnt werden. Dieses Risiko will der schwäbische Unternehmer ausschließen, indem er gemeinsam mit anderen Unternehmern von der Bundesregierung fordert, dem einzelnen unternehmerischen Beschäftigungsinteresse einen Vorrang vor den rechtlichen Vorschriften des Asyl- und Aufenthaltsrechts einzuräumen. Unter dem Begriff „Spurwechsel“ soll im Rahmen des angekündigten „Fachkräftzuwanderungsgesetzes“ bei abgelehnten Asylbewerbern auf eine Rückführung in ihre Heimatländer verzichtet werden, sofern sie einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen.

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Anders als etwa die SPD, die auch den dauerhaften Verbleib abgelehnter Asylbewerber mit Arbeitsvertrag ermöglichen möchte, lehnt Grupp sogar eine Stichtagsregelung ab. Diese soll gewährleisten, dass ein „Spurwechsel“ nur für solche Asylbewerber greift, die zum Beispiel bis zum Tag der Verabschiedung des neuen Gesetzes im Bundestag ins Land gekommen sind. Dies hält Grupp für falsch, „denn der Arbeitskräftemangel und der Druck der Unternehmen, Leute im Ausland anzuwerben, halten ja an.“ Er will daher auch in Zukunft auf das große Arbeitskräftereservoir potentieller Asylbewerber aus möglichst vielen Ländern zugreifen können.

Dafür bietet er der Regierung an, für Kosten, die unter anderem dadurch entstehen könnten, dass Unternehmen Asylbewerber nach einiger Zeit wieder entlassen, weil sie Arbeitsplätze abbauen müssen, selbst aufzukommen. Es dürfe nicht sein, „dass jemand die Erlaubnis zur Beschäftigung von Asylbewerbern oder Geduldeten fordert, diese dann aber auf die Straße setzt und die damit verbundenen Probleme bei der Allgemeinheit ablädt. Deshalb verlange ich die Haftung und Verantwortung der Unternehmer.“ Das kann nur so verstanden werden, dass die Unternehmen das Arbeitslosengeld I für abgelehnte Asylbewerber bezahlen sollen, sofern sie sie nicht mehr benötigen. Im Gegenzug sollen die Steuerzahler und/oder die Beitragszahler der Sozialkassen aber die Kosten für Grupps Rekrutierung von Asylbewerbern übernehmen, die nach ihrer Ankunft in Deutschland zunächst unbefristeten Anspruch auf Grundsicherung erhalten, solange sie sich am Arbeitsmarkt bewerben.

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Spurwechsel ja – aber nicht für Asylbewerber ohne vollwertiges Bleiberecht!
Die mit einer solch kruden Legalisierung des Missbrauchs des Asylgesetzes zur kostenlosen Arbeitskräfterekrutierung zwangsläufig einhergehende Verstärkung der Massenzuwanderung aus den Armuts- und Kriegsgebieten dieser Welt nach Deutschland schert den ansonsten gern mit seiner staatsbürgerlich nationalen Gesinnung werbenden, smarten Unternehmer von der schwäbischen Alb ebenso wenig wie die damit ebenso zwangsläufig einhergehenden sozialen, kulturellen und politischen Probleme. Hauptsache, seine Rekrutierungsprobleme am Arbeitsmarkt werden gelöst. Ob sich für Grupps Unternehmen, das nicht Mitglied im Arbeitgeberverband und deswegen nicht tarifgebunden ist und nach Aussage seines Eigentümers auch keine schriftlichen Betriebsvereinbarungen kennt, mit der Beschäftigung von Asylbewerbern neben der Einsparung von Rekrutierungskosten noch weitere (Lohn-)Kostenvorteile verbinden, erfahren wir aus seinem Beitrag für die WELT leider nicht.

Roland Springer arbeitete als Führungskraft in der Autoindustrie. Er gründete im Jahr 2000 das von ihm geleitete Institut für Innovation und Management. Sein Buch Spurwechsel – Wie Flüchtlingspolitik wirklich gelingt erhalten Sie in unserem Shop www.tichyseinblick.shop >>>