Tichys Einblick
Jetzt kommt das ethisch korrekte Auto

Volvo führt Tempolimit ein

Volvo sorgt für schöne Schlagzeilen vor dem Genfer Automobilsalon mit einem eigenen Tempolimit; der Hersteller hat der Automesse den Rücken gekehrt und ist nicht mehr mit einem Stand vertreten, aber so dennoch in den Medien.

DIRK WAEM/AFP/Getty Images

Ab dem kommenden Jahr liefert Volvo seine Autos nur noch mit eingebauter Geschwindigkeitsbremse aus, mit eigenem Tempolimit. Die fahren dann laut Ankündigung nur noch maximal 180 Kilometer pro Stunde. Darüber hinaus ist Schluss.

Der schwedische Hersteller in chinesischem Besitz will laut seiner »Vision 2020«, dass kein Mensch mehr in einem Volvo ums Leben komme oder schwer verletzt werde. Håkan Samuelsson, der Volvo-Chef beteuert: »Wir wollen eine Diskussion beginnen, ob Automobilhersteller das Recht oder vielleicht sogar die Pflicht haben, Technik in ihren Autos zu installieren, die das Verhalten der Fahrer verändern kann und Fehlverhalten wie zu schnelles Fahren von selbst verhindert.«

Ein guter PR-Coup. Damit hat Volvo für schöne Schlagzeilen vor dem Genfer Automobilsalon gesorgt; der Hersteller hat der Automesse den Rücken gekehrt und ist nicht mehr mit einem Stand vertreten, aber so dennoch in den Medien.
»Ein allgemeines Tempolimit allein reicht nicht aus. Wir sollten vielmehr alles in unserer Macht Stehende tun, selbst wenn wir dadurch nur ein einziges Menschenleben retten.“

Wollte Volvo seine hehre Vision wirklich wahr machen, dann müsste der Hersteller seine Produktion komplett einstellen. Denn die meisten Menschen sterben auf den Landstraßen und im Stadtverkehr. Autobahnen in Deutschland gelten als sicherste Strecken für Autos.

Es stehen nur noch sehr wenige Abschnitte zur Verfügung, die ohne Tempolimit frei befahrbar sind. Baustellen und Staus behindern meistens die freie Fahrt. Von den chaotischen Zuständen auf deutschen Straßen gestreßte Autofahrer stöhnen laut auf: Wenn man doch nur garantiert 120 km/h fahren könnte, dann wäre Tempolimit gut.

Volvo hatte sich schon früher mit fortschrittlicher Sicherheitstechnik an Karosserie und Sicherheitselektronik wie Hinderniserkennung, Abstandshalter und Spurführungsassistenten hervorgetan. Überdies bietet der Hersteller mit Alcoguard eine im Fahrzeug eingebaute Alkoholsperre an. Der Fahrer muss »pusten«; hat er zu viel Alkohol im Blut, springt der Motor nicht an. Bei Kälte muss der Fahrer allerdings ausharren, bis die Zelltechnologie im Gerät aufgewärmt ist und die Atemluft analysieren kann.

Als nächste Entwicklung will Volvo demnächst eine Technik gegen den Gebrauch von Smartphones am Steuer präsentieren. Handys am Steuer sorgen tatsächlich für sehr viele Unfälle.

Volvo könnte weiterhin von seinen chinesischen Eignern profitieren. In China lieben Überwachungsbehörden Social Scoring Technologie. Videoüberwachung und Gesichtserkennung sorgen dafür, dass Übertreter von Vorschriften an den sozialen Pranger gestellt werden. Die Überwachungscomputer sind mit den Datenbanken der Behörden verbunden und können praktischerweise gleich direkt auf Ausweisdaten zugreifen.

Die Technik weist allerdings gewisse Anfälligkeiten auf. In Ningbo hat eine Kameraüberwachung Fußgänger, die bei Rot die Straße überqueren, erfasst und dabei auch einen »Promi« erkannt und angeprangert. Doch der erschien lediglich als Gesicht auf einem Werbeposterfoto an einem vorbeifahrenden Bus.

Die wahren Gründe für das polit-korrekte Blech liegen auch vollkommen woanders: Diese Ankündigung spart Volvo einmal erhebliche Entwicklungskosten. Es ist ein teurer Unterschied, ein Fahrwerk zu bauen, das ruhig und sicher schneller als 200 km/h fährt und einwandfrei geradeaus läuft, oder ob es nur für deutlich geringere Geschwindigkeiten ausgelegt ist.

Volvo war zudem bisher nicht für übermäßig ausgereifte Fahrwerkstechnik bekannt. Das ist die klassische Domäne deutscher Autohersteller. Die Fahrwerke sind hoch entwickelte Konstruktionen, die ein Fahrzeug zuverlässig in der Fahrspur auf der Straße halten können. Auch das ist ein wesentlicher Faktor für die Sicherheit eines Autos. Ein wesentliches Verkaufsargument deutscher Autos ist daher »autobahn-approved«. Sie sind beliebter als schwingende, schaukelnde, über Schlaglöcher springende Wagen.

Der gewichtigere Grund für Volvo liegt jedoch darin, dass Volvo künftig nur noch Elektroautos bauen will. Hohe Geschwindigkeiten sind aber Gift für die Reichweite. Der Windwiderstand steigt mit dem Quadrat der Geschwindigkeit, also ziemlich steil an. Zudem entwickeln die Fahrmotoren viel Abwärme, die schwer abgeführt werden kann.

Die Batterie eines E-Autos ist ziemlich schnell am Ende. Fährt man einen Tesla mit 260 km/h, reduziert sich die Reichweite schnell auf magere 65 Kilometer. Das kann man schön auf Reichweitenrechnern für e-Autos ausprobieren.

Auch die deutschen Hersteller begrenzen das Tempo ihrer batteriebetriebenen Autos. Sonst würde das mit der Reichweite noch ernüchternder wirken als ohnehin schon. Audi regelt seinen e-tron bei 200 ab, Mercedes EQC bei 180, BMW i3 und Golf bei etwa 140 km/h. Zurück zu den Anfängen, damit ist man nicht mehr schneller als seinerzeit mit dem VW Käfer.