Tichys Einblick
Viele Fragen offen

Tesla in Brandenburg: weder »öko« noch »giga«

General Motors und Fiat Chrysler kaufen Tesla »Verschmutzungsrechte« ab, um ihre Verbrennungsmotoren weiter produzieren zu dürfen. Sie rechnen dann Teslas Elektroautos in die CO2-Bilanz ihrer Fahrzeugflotten.

n this aerial view a stretch of forest that will make way for the newly-announced Tesla Gigafactory stands at Freienbrink

Sean Gallup/Getty Images
Hatten Brandenburgs Behörden jemals so viel Stress? Schon im Juli 2021 soll die Gigafactory Berlin des amerikanischen Unternehmers Elon Musk beginnen, Elektroautos auszuwerfen. Vorher stehen dicke Antragsunterlagen und Genehmigungsverfahren im Wege, vor allem das sehr komplizierte Umweltrecht mit Immissionsschutz und vielen weiteren Umweltstandards, die eigentlich eingehalten werden sollen und mit denen man so vieles blockieren kann.

Der brandenburgische Wirtschaftsminister Jörg Steinbach nennt noch ganz erschöpft von Elon Musks Ungeduld die Pläne »ambitioniert«. Aufs Tempo drückt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Er hat erst einmal kräftig gegen Berlin gekeilt, das sich die Lorbeeren klauen wolle. Woidke hat klargestellt, dass das Tesla-Werk »ein rein brandenburgisches Projekt« sei und Berlin nichts mit dem »Ansiedlungscoup« (Tagesspiegel) zu tun habe. Brandenburg sei allein zuständig. Woidke dürfte ganz anders tönen, sollte das Projekt den Bach hinunterrauschen und irgendjemand für die Miesen aufkommen müssen. Er hat auch angekündigt, dass eine neue „Task Force“ in seiner Staatskanzlei für das Tesla-Milliardenprojekt eingerichtet werden soll. Elon Musk wiederum will keine großen Subventionen, sondern nur die bei Neuansiedlungen übliche Förderung haben. Die hängen jedoch von der Investitionssumme ab, so könnte eine Milliardensumme zusammenkommen. Da muss wiederum Brüssel ein Wörtchen mitreden und genehmigen.

»Teslas deutsche »Gigafactory« würde allerdings weder »öko« noch »giga« – vermeldet das Manager Magazin (MM). Mitarbeiter haben sich im Rathaus von Grünheide die umfangreichen Unterlagen für die Bauvorprüfung angesehen. Für die 744 Meter lange und 312 Meter breite Produktionshalle müssen erst einmal 155 ha Wald abgeholzt werden, davon die ersten 90 Hektar noch bis Ende Februar, also vor Beginn der Vegetationsphase. Dem MM fiel rasch auf, dass es zumindest am Anfang keine Ökostromproduktion und auch keine Fertigung der Lithium-Ionen-Batteriezellen geben soll. Woher die benötigten Batteriezellen kommen sollen, lassen die Pläne noch offen.

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MM fand in den Plänen auch keine Hinweise darauf, dass Photovoltaikanlagen auf dem Dach schönen CO2-freien Strom erzeugen können. Die Energie für zum Beispiel Gießerei, Trockenöfen und Lackieranlagen sowie für die Heizung soll ein eigenes Erdgaskraftwerk liefern. Der Rest der Energie soll zugekauft werden. Dafür sollen fast 500 Lkws und sechs Güterzüge täglich auf das Gelände rollen. Rund eine Milliarde Euro soll der erste Bauabschnitt kosten.

Schon gab es die ersten Demonstrationen von Anwohnern. 300 Bürger sind in Grünheide auf die Straße gegangen – sowohl Befürworter als auch Gegner (»Keine Großfabrik im Wald«). Tesla hatte in den Antragsunterlagen angegeben, für den Betrieb pro Stunde 372 m³ Wasser aus dem öffentlichen Trinkwassernetz zu benötigen. Das ließ bei Anwohnern schon die Befürchtung steigen, künftig auf dem Trockenen zu sitzen. Tesla Chef Musk beruhigte die aufgebrachten Brandenburger ganz amerikanisch per Twitter: Es werde nicht an jedem Tag so viel Wasser verbraucht. »Das ist möglicherweise ein seltener Fall einer Spitzennutzung, aber nichts, was jeden Tag vorkommt.«

Der Tagesspiegel meldete exklusiv, dass der Kaufvertrag für das Grundstück unterschrieben sei, fügt aber gleichzeitig hinzu, dass Ende Januar noch ein gewisses »Wertgutachten« abgewartet werden müsse. Das Grundstück erhält Tesla laut dpa-Informationen für einen Schnäppchenpreis von 13,50 Euro pro Quadratmeter, also rund 41 Millionen Euro. Im benachbarten Gewerbegebiet Freienbrink kostet der Quadratmeter bereits 40 Euro – allerdings bei erschlossenem Gelände.

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Auf diesem Gelände fand früher übrigens der größte staatliche Postraub der Geschichte statt, erinnern sich Zeitgenossen. Hier saß die Stasi-Abteilung M/4 – hinter militärisch gesicherten Zäunen mit Wachtürmen, Hunden und alldem, was die Vorläufer der Linken alles an Repressalien auf Lager hatten. Deren Aufgabe: Briefe und Pakete »aus dem Westen« zu öffnen und zu plündern. Aus den Akten der Stasi-Unterlagenbehörde geht hervor, dass über 200.000 Postsendungen nie ihre Empfänger erreichten. Schmuck, Medikamente, sogar Videorekorder wurden aus den Paketen gestohlen, die Beute in typisch deutscher Manier sorgfältig protokolliert und auch in »Sonderverkaufsstellen« an Stasi-Mitarbeiter verteilt.

Freienbrinks Bürgermeister Arne Christiani (früher SED) wurde als »IM Peter Förster« geführt und kennt noch das dunkle Geheimnis des Tesla-Geländes. Aber natürlich nur, so Christiani zur B.Z., »weil ich als DDR-Reiseleiter Berichte geschrieben habe, die die Stasi las.«

Das Werk liegt 60 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt, Tesla sucht bereits Mitarbeiter, die fließen polnisch sprechen, und will sich bei den Verträgen auf keine Tarifbindung einlassen. Insgesamt sollen rund 4.000 Mitarbeiter rund 150.000 Fahrzeuge im Jahr zusammenschrauben. Bei VW laufen etwa 11 Millionen Autos vom Band, und bei Tesla waren es im vergangenen Jahr 2019 allerdings nur 367.000 Elektroautos. Aber mit Planübererfüllung kennt man sich in Brandenburg vermutlich noch aus.

Es könnte also gut sein, dass polnische Arbeitnehmer mit Benzin- und Dieselautos in die Tesla-Fabrik fahren, um dort Elektroautos zusammenzuschrauben, die mit Strom aus polnischer Kohle betrieben werden. Aus deutschen Stromquellen dürfte kaum genügend elektrische Energie kommen, um noch zusätzlich e-Autos zu bauen und zu laden.

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Einen Teil der Investitionssumme von Tesla dürfte auch die Fiat-Chrysler-Gruppe liefern. Die bezahlt bis 2023 fast zwei Milliarden Dollar als Ablass an Tesla, um Fiat wiederum in jener scheinheiligen CO2-Bilanz gegenüber der EU besser aussehen zu lassen und mehr Verbrennerautos verkaufen zu können. Denn Tesla lebt wesentlich von jenen CO2-Zertifikaten, die die Erbauer von Benzinern und Dieselfahrzeugen abdrücken. General Motors und Fiat Chrysler zum Beispiel kaufen Tesla »Verschmutzungsrechte« ab, um ihre Verbrennungsmotoren weiter produzieren zu können. Die können dann Teslas Elektroautos in die CO2-Bilanz ihrer Fahrzeugflotten hinzurechnen.

Die rosigen Aussichten, am CO2-Ablasshandel kräftig mitzuverdienen, könnten durchaus Teslas Lust auf Europa beflügelt haben. Wo auf der Welt gibt es sonst noch solche hirnrissig regierten Länder, in denen sich auf diese Weise Geld verdienen lässt? Teslas Finanzvorstand Zachary Kirkhorn sagte einmal laut Bloomberg bei einem Investorengespräch, Zertifikatsverkäufe würden künftig »einen bedeutenderen Teil des Tesla-Geschäfts« darstellen. Mehr Schwindel, den letztlich der Käufer eines Benziners oder Diesel bezahlt, ist schlecht vorstellbar.

Keine Frage: Wer Tesla fahren will, soll ihn fahren. Sollte es mit der Produktion so funktionieren, dass damit auch echtes Geld verdient wird und nicht nur über jenen Zertifikate-Schwindel, dann ist das auch gut. Besorgniserregend wird es, wenn Autohersteller, die Diesel- und Benziner herstellen, von grünroter Politik mit Gewalt zerstört und gleichzeitig Autohersteller subventioniert werden, die nur den Geschmack weniger Kunden treffen, politisch aber so prächtig in die Landschaft passen.

Eile tut bei Tesla not. Denn in Kalifornien bricht gerade der Absatz um die Hälfte ein, berichtet das Managermagazin. Die Zulassungen in Kalifornien sind im vierten Quartal gegenüber dem Vorjahr um 46,5 Prozent von 25.402 auf 13.584 gesunken. Ohne Förderung läuft also das Elektroauto kaum. Da müssen wohl wieder die Subventionen erhöht werden.

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