Tichys Einblick
Absatzhemmnisse am Elektro-Markt

Gebrauchte Elektroautos werden zum Ladenhüter

Mit sinkenden E-Neuwagen-Preisen kommt auch der Gebrauchtwagenmarkt für Stecker-Autos unter Druck. Ein Elektroauto aus zweiter Hand zu kaufen, ist jetzt günstiger als vorher, findet aber nur selten statt: zu teuer, zu wenig Reichweite, veraltete Technik, zweifelhafte Rest-Lebensdauer der teuren Batterie.

IMAGO / Action Pictures

Die langjährige Strategie der EU-Klimapolitik besteht darin, den Verbrennungsmotor, weil fossil und damit klimaschädlich betrieben, ab 2035 zur Gänze zu verbieten. Doch schon vorher bemüht sich Brüssel, über verschärfte Euro-Abgasvorschriften – so über Euro 7 – die Nachfrage nach Verbrennern deutlich einzuschränken und den Verbrenner-Auto-Bestand im Markt herunterzufahren.

Mit Vehemenz verfolgt die Politik das Ziel, den Verbrenner ausschließlich durch Elektroautos zu ersetzen, statt den Verbrenner über die Förderung von e-Fuels über Nacht klimaneutral zu machen. Die synthetischen Treibstoffe gelten als „Klimasprit“. Diese Strategie rächt sich jetzt dramatisch. Aber: Der  Absatz für neue Elektroautos ist belastet durch geringe Nachfrage nach gebrauchten E-Autos.

Wachwechsel in der Welt-Automobilindustrie ist vollzogen

Eines hat die zurückliegende IAA Mobility 2023 in München drastisch vor Augen geführt: Mit dem Ersatz der Verbrenner-Technologie durch den reinen Elektroantrieb mit Batterie-Speicherenergie hat die deutsche Automobilindustrie ihre über Jahrzehnte erkämpfte Vormachtstellung in Europa und am Weltmarkt verloren.

An ihre Stelle hat sich mit Macht und langjähriger hoher staatlicher Unterstützung die chinesische Autoindustrie geschoben. Mit einer Fülle junger Elektroautos teils hier völlig unbekannter Marken hat sie die ehrwürdige IAA quasi geentert. „Electric only“ war die Vorgabe des Automobilverbands VDA an die Aussteller, zahlreiche etablierte Hersteller blieben daher mangels E-Auto-Masse der IAA fern. Damit war faktisch der Wachwechsel in der Welt-Automobilindustrie vollzogen.

Die chinesische Autoindustrie, die sich infolge fehlenden Know-hows in der komplizierten Verbrennertechnik, vor allem beim Dieselmotor, von Anfang an auf die Entwicklung von Autos, Speicherchips und Batterieentwicklung und -produktion konzentriert hatte, tauchte mit kleineren und preiswerten Elektroautos in München auf.

Das chinesische Angebot ist in der Breite, technisch, qualitativ und preislich voll wettbewerbsfähig, so die Meinung von Experten. Die deutschen Premium-Anbieter verfügen zwar über exzellente großvolumige Elektroautos vom Tesla-Kaliber, doch darüber hinaus haben sie am Massenmarkt, vor allem bei Kleinwagen, nichts zu bieten. Auch bei VW sollen kleinere E-Autos erst in wenigen Jahren an den Markt kommen.

Verschärfter Wettbewerb am E-Automarkt mit fatalen Konsequenzen

Elektroautos sind für breite Käuferschichten viel zu teuer. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte sind E-Autos mit durchschnittlich 42.000 Euro etwa 11.000 Euro teurer als Verbrennerautos. Nach dem jüngsten Mobilitätsmonitor der Acatech-Akademie für Technikwissenschaften Ende 2022 wurde als Hauptgrund gegen den Kauf eines E-Autos die hohen Preise genannt; 71 Prozent sagten, sie seien ihnen schlicht zu teuer. Ein Hochlaufen des Marktes für E-Autos ist damit nicht zu erreichen.

Anschaffungshemmnis sind in erster Linie die hohen Batterie-Kosten. Auf sie entfielen bis zu 40 Prozent der Herstellungskosten (Ferdinand Dudenhöffer, CAR Center Duisburg). Hinzu kommen die dauerhaft geringen Stückzahlen, weswegen Batterieautos (BEV) nicht so effizient herzustellen sind wie Verbrenner, die in großer Stückzahl von den Bändern rollen (Weltjahresproduktion Verbrenner aktuell zwischen 80 bis 85 Millionen; E-Autos 10 bis 13 Millionen).

Hohe Preise lassen inzwischen auch den BEV-Markt schwächeln. Ausgehend von China ist überall ein heftiger Preiswettbewerb ausgebrochen, für viele ruinös. Das hat in Kombination mit der Anti-Verbrenner-Strategie und schrumpfender Kundenzahl in Deutschland und Europa Konsequenzen.

Einerseits konterkariert er den politisch angestrebten Hochlauf des Elektro-Auto-Marktes. Anderseits hat er heftige soziale Folgen bei Berufsgruppen wie zum Beispiel Dienstleister in der Gesundheits- und Altenpflege, die bislang auf kleine und preiswerte, und deshalb in der Regel vor allem auf kleine gebrauchte Verbrennerautos angewiesen waren – und auch bleiben.

Preise für gebrauchte Kleinwagen haben sich verdoppelt

Die sozialen Konsequenzen der weiteren – von Fachleuten für völlig sinnlos gehaltenen – Heraufsetzung der Emissions-Grenzwerte Euro 7 sind fatal: Zum einen verschwinden kleine Verbrennerautos als Neuwagen vom Markt, weil die Implantation der teuren Abgasreinigungstechnologie sich bei Kleinwagen nicht rechnet – weder für den Kunden noch für den Hersteller. Bisherige Opfer sind beispielsweise Up, Fabia, KA, Fiesta, Skoda Mitigo, Seat Mio und SmartFourFour. Der Fiat 500 wie der VW Polo wackeln.

Kurz: Es fehlen bereits heute preiswerte Verbrenner-Kleinwagen. Die Preise für gebrauchte Kleinwagen haben sich innerhalb weniger Jahre verdoppelt. Ersatz in Form billiger Elektroautos ist noch viele Jahre nicht am Markt zu haben. Selbst die gefürchteten chinesischen kleinen E-Autos kosten bislang noch immer fast doppelt so viel wie im Heimatmarkt China. Dort ist inzwischen wegen allgemeinen Absatzmangels ein dramatischer Preiskampf im Gange. Selbst Tesla hat dort, wie in USA und in Deutschland, inzwischen seine Neuwagenpreise mehrmals drastisch gesenkt.

An das Niveau von gebrauchten Verbrenner-Kleinwagen reichen gebrauchte Elektroauto-Preise bei weitem nicht heran. Und das bei einer europaweit alternden Bevölkerung, die auf Pflegedienste angewiesen ist. Hier tut sich im Bedarf in der Altenpflege wie auch sonstwo eine Lücke (zum Beispiel Kurierdienste, Studenten, Pendler etc.) auf, die aus Kostengründen ein soziales Gefälle – Reiche ja, Ärmere nein – und entsprechende Unruhen befürchten lässt. Gebrauchte E-Autos sind kein Ersatz.

In der Öffentlichkeit und der Politik werden gebrauchte E-Autos bislang als Stiefkinder behandelt, die Förderung von Neuwagen beherrscht Denken und Handeln. Teils auch zu Recht, denn der Handel mit gebrauchten E-Autos hat es bislang noch nicht in die Schlagzeilen gebracht, dafür ist der Bestand noch zu überschaubar.

Deutscher Automarkt „unter Elektroschock“

Aber der weltweite Bestand an Elektroautos wächst. Insgesamt waren 2022 etwa 27,7 Millionen Elektroautos weltweit zugelassen. Mit Abstand gab es die meisten E-Autos in China, mit rund 14,64 Millionen waren es über die Hälfte der weltweit erfassten Fahrzeuge. Den zweitgrößten Bestand hatten die USA mit etwa 3,44 Millionen E-Autos.

Ende 2023 dürfte sich in Deutschland der Bestand an E-Autos auf knapp 1,8 Millionen belaufen, bei rund 48,3 Millionen Gesamt-Pkw-Bestand eine überschaubare Größe (3,7 vH) angesichts einer 13-jährigen Förderkulisse. Die Gründe für die Käuferzurückhaltung sind bekannt:

  • geringe Reichweite,
  • zu wenige Lademöglichkeiten,
  • hoher Anschaffungspreis, zu teuer gegenüber Verbrennern,
  • steigende Tankkosten,
  • zu wenige Modelle im Massensegment,
  • Zweifel an der Batterietechnik bzgl. Haltbarkeit,
  • viel Verkehrsplanung erforderlich.

All diese Faktoren zeigen Wirkung. Der deutsche Markt scheint „unter Elektroschock“ zu stehen. Mit sinkenden E-Neuwagen-Preisen kommt auch der Gebrauchtwagenmarkt für Stecker-Autos unter Druck. Ein Elektroauto aus zweiter Hand zu kaufen, ist jetzt günstiger als vorher, findet aber nur selten statt: zu teuer, zu wenig Reichweite, veraltete Technik, zweifelhafte Rest-Lebensdauer der teuren Batterie. „So landen die Leute am Ende doch wieder beim Verbrenner – und torpedieren die Mobilitätswende“, bedauert die Süddeutsche Zeitung.

Folge: Bestand und Standzeiten bei gebrauchten E-Autos steigen, so der Handel. Noch ist das Angebot gering, aber mit wachsendem Absatz neuer E-Autos werden auch die Gebrauchtwagen-Bestände anwachsen. Der private Gebrauchtwagenkunde stellt sich deutlich langsamer auf die neuen Antriebe um als die Flotten, die bekanntlich das Neuwagen-Geschäft dominieren. So hat der Autovermieter Sixt bekanntlich bei Geely 100.000 kleine E-Auto für die nächsten Jahre bestellt.

Sorgenfall Batterie

Die Standzeiten bei E-Autos steigen und werden unter Experten als Problem gesehen. Nach Pressemeldungen haben verschiedene Faktoren dazu geführt, dass die E-Auto-Preise am stark angespannten Gebrauchtwagenmarkt spürbar nachgegeben haben. Laut Autoscout24 purzelten sie bereits von September 2022 bis Januar 2023 um 14 Prozent. Der Durchschnittspreis fiel von 55.290 Euro auf 47.314 Euro. Mit wachsendem E-Auto-Markt wird sich dieser Trend in Zukunft verstärken: Gewerbliche E-Auto-Käufer stoßen ihre abgeschriebenen E-Autos billig ab, private Kunden halten sich beim Kauf der Gebrauchten zurück.

Die geringe Attraktivität gebrauchter Elektroautos ist neben Geschäftskalkül natürlich sehr stark auf die Technologiesprünge der vergangenen Jahre zurückzuführen. E-Autos älter als vier Jahre sind hinsichtlich Akkugröße und Reichweite sowie Ladegeschwindigkeit noch sehr bescheiden. Das schreckt viele Interessenten noch ab, selbst wenn es fürs Zweitauto oftmals reichen würde. Aber wie lange hält die Batterie bis zum Totalverlust durch?

Zum zweiten wissen auch schon viele Kunden, dass stehende E-Autos durch die natürliche Alterung der Batterien schleichend immer mehr an Reichweite verlieren. Das geht nach Auskunft von Autopapst Fritz Indra (Wien) umso schneller, je heißer es draußen ist und je länger Batterien nicht geladen werden. Und je mehr der Vorbesitzer rennwagenmäßige Kavalierstarts, abrupte Beschleunigungsvorgänge, häufiges Schnellladen etc. seinem E-Auto zugemutet hat. Nicht ohne Grund limitierten alle Autohersteller ihre E-Autos in der Höchstgeschwindigkeit bei ca. 150 bis 160 km/h und sind für Tempolimits offen. Im anderen Extremfall beschleunigt nicht nur das Auto, sondern sich auch die Alterung der Batterie rapide. – So gesehen ist der von VW geplante e-Golf GTI noch ein Widerspruch in sich – bislang jedenfalls.

Die große Sorge der Menschen gilt der Batterie, so der Auto-Handel. Gerade bei Gebrauchtwagen seien die Kunden unsicher, wie gut der Zustand des Akkus sei und wie lange er noch hält. Hatten Elektroautos der ersten Generation oft noch fünf Jahre oder 100.000 Kilometer Garantie auf die Antriebsbatterie, sind es inzwischen bei den meisten Herstellern acht Jahre oder 160.000 km. Allerdings gibt es Unterschiede, ab welcher Grenze der Batteriekapazität ein Garantiefall vorliegt, meist definieren die Hersteller sie bei 70 Prozent.

ADAC und TÜV bieten Batteriechecks bei Gebrauchtwagen an

Ein gebrauchtes E-Auto zu verkaufen, ist also mit Sicherheit kein einfaches Unterfangen. Das hemmt auch den Neukauf. Online-Inseraten fehlen oft sogar Minimal-Infos. Nach Aussagen von Fachleuten ist es derzeit oft schwierig, die Akkugröße beim Inserat überhaupt herauszufinden. Ladegeschwindigkeit und elektrische Reichweite sind noch seltener vorhanden, und auch Infos wie Softwarestand (wichtig etwa bei den MEB-Plattformen), eventuelle Besonderheiten wie Batteriemiete oder Stecker-Art fehlen zu oft. Von einem Zustand der Batterie (State of Health SOH) ganz zu schweigen, obwohl genau das der Hauptknackpunkt beim Käufer ist, denn bei circa 70 Prozent Restspeicherkapazität gilt eine Batterie als verbraucht. Und kostet neu als Ersatz immerhin bis zu 10.000 Euro.

Während es bei Verbrennern rund sieben Jahre dauert, bis ein Nachfolgemodell einer Baureihe auf den Markt kommt, geschieht das bei E-Autos in kürzeren Abständen, denn bislang macht vor allem die Batterietechnik rasche Fortschritte, die unmittelbar in neue Modelle einfließen. Vor ein paar Jahren schafften die meisten elektrischen Kleinwagen nur 100 bis 150 Kilometer, mittlerweile sind bei vielen bis zu 300 Kilometer möglich, bei exotischen Hochpreismodellen ist inzwischen die Rede von 700 km und noch mehr.

Bei den Herstellern spielt sich der Wettbewerb inzwischen bei den Batteriereichweiten und beim Info- und Entertainment ab, nicht mehr beim Image und der Markentreue oder mit leistungsstarken Motoren Jagdinstinkte zu befriedigen – Neandertaler ade, der will nur noch spielen. Auch das Laden geht bei neuen Modellen deutlich schneller. Laut Autohandel gibt es natürlich Kunden, für die eine kleinere Reichweite keine so große Rolle spielt, doch das seien die wenigsten. „Die Reichweitenangst und die Sorge, vielleicht für viel Geld eine bald veraltete Technik zu haben, darf man nicht unterschätzen“ (Süddeutsche).

Der ADAC oder der TÜV bieten mittlerweile Batteriechecks für Gebrauchtwagen an. Und auch beim Preis gibt es zumindest eine positive Tendenz: Während gebrauchte Verbrenner weiterhin immer teurer werden, hat sich laut der Daten von Mobile.de die Preislage bei gebrauchten E-Autos nach einem Allzeithoch im vergangenen Sommer wieder weiter entspannt – für den potenziellen Käufer, nicht für den privaten Verkäufer; und dem gewerblichen ist es zumeist egal.

Fakt ist: Die Lager an unverkauften gebrauchten E-Autos wachsen. Und damit gerät der Neuwagen-Absatz zunehmend unter Druck. Sinkende Förderprämien werden dem politischen E-Auto-Hype den Rest geben. Ohne synthetische Treibstoffe als Wasserstoff oder e-Fuels (Klima-Sprit) wird die Klimaneutralität im Verkehrssektor nicht zu schaffen sein. Selbst Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hat inzwischen ein Einsehen und wird mit der Aussage zitiert: „Zur E-Mobilität brauchen wir eine Alternative, und das sind EFuels!“

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