Tichys Einblick
Kundige Thebaner wissen es schon lang

Revolutionäre Erkenntnisse beim Elektroauto

Der Weg zu vielen Elektroautos und zum autonomen Fahren ist noch sehr viel weiter als vollmundige CEOs von Autofirmen prognostizierten und Groß-Transformatoren träumen und unbeeindruckbar weiter verkünden.

Autonomes Fahrzeug mit Komponenten von Bosch, Messestand des Automobilzulieferers Robert Bosch GmbH, IAA, München, 10.09.2023

IMAGO / Arnulf Hettrich

Der technische Fortschritt kommt manchmal auf leisen Sohlen. Autoingenieure – andere Wissenschaftler natürlich auch – wissen das aus leidvoller nächtlicher Erfahrung. Das Gleiche gilt nicht minder für Erkenntnisfortschritte in Gesellschaft und Wirtschaft. Zwar selten, aber manchmal eben doch sind die Ergebnisse der Denkbemühungen sogar revolutionär. So jüngst geschehen bei den Themen

  • einerseits Elektromobiliät und deren Verbreitung als Massenverkehrsmittel als sogenannte „klimafreundliche“ Antriebsart für Automobile, sowie
  • andererseits beim autonomen, sprich fahrerlosem Fahren von Autos.

Dass neue Erkenntnisse zu diesen Themen dann auch noch aus höchst kundigem Mund geäußert werden, kommt nicht alle Tage vor. Jetzt ist es aber passiert. Die Aussagen sind revolutionär und für die Politik eine verkappte Ohrfeige, auch wenn hinsichtlich des Inhalts der Experten-Aussagen für „kundige Thebaner“ (König Lear) gelegentlich offene Türen beherzt aufgestoßen wurden.

Bei Thema Nr. 1 geht es um die Zukunft des Verbrennerautos. So hat Bosch-Chef Stefan Hartung  jüngst in einem Interview betont, dass trotz der weltweiten Elektroauto-Offensive die Verbrennertechnologie nicht vernachlässigt werden darf. Hartung betont die Notwendigkeit von Verbrennermotoren, und vor allem muss diese Verbrennertechnologie in Deutschland weiterhin verfügbar sein (The Pioneer). – Eine Revolution!

Bosch hat erkannt, dass der Verbrennermotor die Welt noch Jahrzehnte begleiten wird, ja begleiten muss. Zum einen weil eine Massenmotorisierung auf Basis ausschließlich von Elektroautos (mit Batterie = BEV) eine Technik voraussetzt, die noch gar nicht existiert – offensichtlich auch bei Bosch nicht. Zum anderen, weil die Welt groß ist und nicht nur aus reichen Industriestaaten in der nördlichen Hemisphäre besteht.

Hartung argumentiert, dass es weltweit (rechnerisch) 35 Jahre dauern wird, bis alle Autos elektrifiziert sind„Wir müssen weiterhin Verbrennertechnologie in Deutschland bereitstellen, sonst wird die Welt damit nicht zurechtkommen.“

Der Bosch-Chef rechnet vor, dass angesichts der heutigen jährlichen Produktionskapazität der Autoindustrie von etwa 90 Millionen Fahrzeugen allein der Austausch der aktuellen globalen Verbrenner-Fahrzeugflotte durch Elektroautos mindestens 16 Jahre in Anspruch nehmen – unter der unrealistischen Annahme, dass ab sofort keine Verbrenner mehr produziert werden. Und – in Ergänzung zu Hartung – unter der ebenso unrealistischen Annahme, die Produktion von rund 1,4 Milliarden sei von Seiten der Bereitstellung von Rohstoffen und „nachhaltiger, grüner Energie“ überhaupt darstellbar. Nicht eingerechnet die Umweltbelastung, die dem Globus zugemutet würde, würde man 1,4 Milliarden Verbrennerautos zwangsweise verschrotten und dafür 1,4 Milliarden Elektroautos neu bauen – für tatsächliche Umweltschützer eine Horrorvision!

Aber der Bosch-CEO bleibt nicht bei der Technik stehen. Er geht noch weiter und beweist ein tiefes Verständnis für marktwirtschaftliche Prinzipien wie für geopolitische Rahmenbedingungen. Hartung betont, dass es „unpraktikabel“ sei, Kunden außerhalb Europas zum Verzicht auf Verbrenner zu zwingen, insbesondere in Regionen ohne Alternativen zu Benzin- und Dieselmotoren. Er behauptet, dass Verbrennerfahrzeuge noch viele Jahrzehnte lang weltweit genutzt werden müssen, auch aufgrund der geschätzten 1,4 Milliarden Fahrzeuge, die derzeit im Einsatz sind.

Kein autonomes Fahren – keine Elektroautos

Dass aber auch in Europa Kunden aus Gründen der Konsumentensouveränität nicht zum und ins Elektroauto gezwungen werden können, übergeht Hartung. Da bleibt noch Spielraum für Nachbesserung.

Wenige spektakulär und publikumswirksam kommt dagegen bei Thema 2 eine Technik-Meldung aus der Wissenschaft daher, die von n-tv mit gewohnter Präzision auf den Punkt gebracht wurde mit der Überschrift: „‚Haben Komplexität unterschätzt‘ – Traum vom autonomen Fahren wohl vorerst geplatzt“.

Zu Ende gedacht, wurde mit dieser Aussage der Elektromobilität die Existenz-Grundlage entzogen. Denn Elon Musk, der mit Tesla Ende der Nuller-Jahre die Renaissance von mit Strom und Speicherbatterie betriebenen Automobilen eingeläutet hatte – erfunden wurde das Ganze schon über 100 Jahre früher im Deutschen Reich von deutsch-österreichischen Ingenieuren, einer davon hieß Porsche – hatte als Endziel autonom fahrende Automobile im Sinn, und das geht eben nur mit Elektroauto. Folglich: kein autonomes Fahren, keine Elektroautos.

Und nun also die n-tv Hiobs-Meldung aus der TU Berlin (Ilja Radusch): Wir haben die Komplexität unterschätzt„Was in der Theorie brilliant funktioniert, scheitert in der Realität kläglich“ (n-tv). So schnell wird es wahrscheinlich keine wirklich autonom fahrenden Autos in Deutschland geben.

Aber nicht nur die Theorie scheiterte kläglich, auch die Politik und die Autoindustrie selber. Erinnert sei nur an den früheren Daimler-Chef Dieter Zetsche, der auf der CES (Consumer Electronic Show) 2015 voller Stolz das Daimler fancy-car F015 mit gegenüberliegenden Sitzen präsentierte und verkündete, das Auto könnte demnächst vollständig autonom fahren.

Darauf warten Daimler-Kunden bis heute vergeblich. Ebenso vergeblich wie die Politik, die im Juli 2021 – wohlgemerkt auf Drängen der Autoindustrie und des Autoverbands VDA – ein Gesetz zum autonomen Fahren in Kraft setzte. Ziel war es laut Bundesverkehrsministerium, bis zum Jahr 2022 „Fahrzeuge mit autonomen Fahrfunktionen in den Regelbetrieb zu bringen“, wodurch Deutschland „der erste Staat weltweit, der Fahrzeuge ohne Fahrer aus der Forschung in den Alltag holt“, werden sollte. Jetzt ist bereits 2024 und nach wie vor gehören voll automatisierte Autos nicht zum deutschen Straßen-Alltag (n-tv), werden Fahrer nur dann aus dem Auto geholt, wenn sie getrunken haben – und zwar von der Polizei, nicht von einem vernetzen Computer.

Aus Roboter-Fahren wurde bekanntlich nichts und wird auch wohl laut TU Berlin so schnell nichts werden. Womit den deutschen Verkehrsteilnehmern einschließlich Ordnungshütern eine Vielzahl von Verkehrsunfällen, Pannen und heftigen Unannehmlichkeiten erspart geblieben sind, wie sie sich zwischenzeitlich in amerikanischen Bundesstaaten und Städten, in denen autonom fahrende Autos, zumeist als Roboter-Taxis, für den Verkehr zugelassen sind, täglich ereignen. Manche sogar mit tödlichem Ausgang, allerdings nicht beim Verursacher-Fahrzeug, da saß nämlich keiner hinter dem Steuerrad.

Damit schließt sich der Kreis. Mit dem Ende des Traums von der ubiquitären Elektromobilität dürfte damit auch der Traum vom autonomen Fahren ein ruhmloses Ende finden.

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