Tichys Einblick
Scheuer ist flexibel

Dieselfahrer sollen doch nicht zahlen – im Moment

Je nachdem. wo Scheuer gerade auftritt und mit wem er redet, kommt Unterschiedliches heraus. Demnächst möglicherweise die Anweisung an alle Dieselbesitzer, einen halben Katalysator einzubauen. Nach dem Muster: Die Wahrheit liegt immer in der Mitte.

© Steffi Loos/Getty Images

Besitzer von Dieselfahrzeugen sollen jetzt doch nicht mehr eine Nachrüstung mit Katalysatoren mitfinanzieren müssen. Das hat Bundesverkehrsminister Scheuer nach einer Beratung mit dem bayerischen Kabinett erklärt, nachdem sich CSU-Landesgruppenchef Dobrindt vehement dagegen ausgesprochen hatte. Er habe am Sonntag lediglich »ein Modell vorgelegt«, so die neue Sprachregelung.

Er habe aber keine Probleme damit, eine Selbstbeteiligung von 600 Euro wegzunehmen. Deshalb diskutiere er jetzt mit den Herstellern ein Hardware-Nachrüstungsmodell »auf Basis von null Selbstbeteiligung«.

Vorher hatte Scheuer mit der Aussage für den neuen »GroKo-Hammer« (BILD) gesorgt, dass auch Diesel-Fahrer an einer Nachrüstung mitbezahlen sollen. Die Rede war in einem Bericht des Handelsblatts von rund 600 Euro Beteiligung. Den Rest sollte »die Industrie« bezahlen. Bisher wiederum war Scheuer grundsätzlich gegen eine Nachrüstung: »Technischer, wirtschaftlicher und umweltpolitischer Unsinn«. Damit lag er richtig.

Doch nach einem Treffen mit den Vorstandsvorsitzenden von BMW, Daimler und Volkswagen und Merkel hörte sich das anders an. Das Handelsblatt: »Die Begrüßung im Kanzleramt fiel geschäftsmäßig kühl aus, als Bundeskanzlerin Merkel (CDU) die Autobosse Harald Krüger (BMW), Herbert Diess (Volkswagen) und Dieter Zetsche (Daimler) sowie deren Verbandschef Bernhard Mattes (VDA) traf.« Nach diesem Bericht habe er vorgeschlagen, nur dort nachzurüsten, wo es technisch sinnvoll sei. Was das konkret heißt, blieb nach außen hin zumindest offen.

Nach einer Intensivbehandlung im Kanzleramts-Chefzimmer musste sich Scheuer für eine Nachrüstung erwärmen. Merkel hatte Scheuer angewiesen, eine Nachrüstung in die Wege zu leiten. Zu sehr befürchtet sie bei den anstehenden Wahlen in Bayern und Hessen heftige Stimmeneinbußen, wenn die Diskussion über drohende Fahrverbote nicht vom Tisch kommt. Da tut ein bisschen Aktionismus gut.

»Wir helfen mit allem, was wir haben«, zitiert das Handelsblatt Scheuer nach Angaben von Teilnehmern in der Kanzlerrunde. Bedeutet: raus mit dem Geld ohne Sinn und Verstand. So habe Wiesbaden bereits 15 Millionen Euro für Aktionen für die Luftqualität beantragt, Frankfurt dagegen wolle erst einmal nur 45.000 Euro verpulvern.

Merkel hatte noch vor einem Jahr versprochen: »Wir sorgen dafür, dass die Autoindustrie die Verbraucher im Rahmen des Rechtlichen entschädigt.«

Jetzt also sollen die 600 Euro Selbstbeteiligung der Dieselfahrer wieder vom Tisch sein. Scheuer will wieder mit der Autoindustrie ein Nachrüstmodell auf Basis von »null Selbstbeteiliung« reden. Wie lange die noch reden will, ist offen.

Eine Methode ist viel einfacher und billiger: Die Messstellen verrücken. Nur wenige Meter neben den Messstellen ist die Luft in der Regel deutlich besser als an den Hotspots, an denen jetzt mit zum Teil fehlerhaften Methoden gemessen wird. Der von der EU vorgesehene Spielraum ist groß und lässt viel zu.

Derweil haben Autofahrer und Autoindustrie allen Grund, die nächsten Aussagen des Bundesverkehrsministers zu fürchten: Je nachdem. wo Scheuer gerade auftritt und mit wem er redet, kommt Unterschiedliches heraus. Demnächst möglicherweise die Anweisung an alle Dieselbesitzer, einen halben Katalysator einzubauen. Nach dem Muster: Die Wahrheit liegt immer in der Mitte.