Tichys Einblick
Automobil-Report International Mai 2021

Die Automärkte nähern sich nur langsam dem Vor-Corona-Niveau

Statistische Wirtschaftsdaten, vor allem Wachstumsraten, sind wegen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie mit größter Vorsicht zu betrachten. Das legen Zuwachsraten von teilweise über 1000 Prozent nahe.

Autoterminal im Duisburger Hafen

IMAGO / Rupert Oberhäuser

Die Corona-bedingten Marktverwerfungen sind für Ökonomen und alle Marktakteure insofern lehrreich, als sie die übliche Fixierung von Medien und Öffentlichkeit auf Zuwachsraten als alleinigen Indikator für gute und/oder schlechte Entwicklungen aus den Angeln heben. Man kann das nicht oft genug sagen: Hohe (oder niedrige) monatliche Zuwachsraten bei zum Beispiel den Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen sind irreführend, wenn sie sich auf niedriges (hohes)Vergleichsniveau beziehen. In den meisten europäischen Ländern wird sich daran aufgrund der weiter anhaltenden Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung so schnell nichts ändern.

Die Lage auf den internationalen Automobilmärkten wird also auch im April 2021 von den Auswirkungen der Corona-Pandemie bestimmt (Quelle: VDA, KBA, ACEA):

  • Einerseits nehmen die Neuzulassungen auf allen großen Märkten weiter – und erwartungsgemäß – deutlich zu: In Europa hat sich der Absatz nahezu vervierfacht, in den USA verdoppelt, in China ist der Zuwachs trotz normaler Vorjahresbasis immerhin zweistellig. Der Grund für die Markt-Anomalien sind die massiven Einbrüche der Autonachfrage als Folge der globalen Lockdown- und Eindämmungsmaßnahmen im Frühjahr 2020. Eingedenk der alten Handelsweisheit: Ist das Autohaus erst zu, hat der Autoabsatz Ruh! – Doch die Erholung macht rapide Fortschritte!
  • Andererseits klafft zwischen dem aktuellen Verkaufsvolumen und dem Vorkrisen-Niveau noch immer eine deutliche Lücke. Denn trotz der starken Zulassungs-Zuwächse der vergangenen Monate liegen die großen europäischen Märkte in Summe noch 7 Prozent bzw. 1,5 Millionen Neuwagen unter dem Absatzvolumen im Vergleichszeitraum 2019.

Entwicklung der Einzelmärkte

Die Corona-Erholungsdynamik hat sich optisch inzwischen von China weg nach Europa verlagert. Zuwachsratensieger waren diejenigen Länder, die im Vorjahr einen totalen Lockdown erleiden mussten.

  • Der europäische Markt weist starke Aufwärtstendenzen auf. Hier lagen die Neuzulassungen im April mit 1,0 Millionen um 256 (!) Prozent über Vorjahr. Die fünf größten Märkte zeigten im April folgendes – historisch einmaliges, aber für Generationen künftiger Zeitreihenanalysten grauenvolles – Bild:
  • Frankreich: + 569 Prozent 
  • Spanien: + 1.788 Prozent
  • Italien:  + 3.277 Prozent
  • Vereinigtes Königreich: + 3.177 Prozent
  • Deutschland: + 90 Prozent 

Bis einschließlich April wurden in Europa 4,1 Millionen Neufahrzeuge angemeldet, 23 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Sieger und Verlierer sind in der folgenden Grafik ersichtlich:

  • In den USA lagen der Pkw-Absatz ( Pkw+Light Trucks) mit 1,5 Millionen  doppelt so hoch wie 2020 (+ 111 Prozent; per April: 5,4 Millionen , +29 Prozent)
  • In China hielt das starke Wachstum des Pkw-Marktes an: Im April lag das Zulassungsvolumen mit 1,7 Millionen 11 Prozent über Vorjahr. Nach vier Monaten wurden in China mit 6,7 Millionen Neufahrzeugen 53 Prozent mehr verkauft als in 2020; das entspricht bereits der Hälfte des europäischen Marktes in einem Jahr. 
  • In Japan nahm der Markt mit 288.000 Einheiten um ein Drittel (+32 Prozent ) zu (per April: 1,5 Millionen , + 9 Prozent)
  • In bevölkerungsreichsten Land der Erde, Indien, wurden im April 262.000 Pkw abgesetzt, im Vorjahr wegen totalem Lockdown 0. 
  • In Brasilien: April 663.000 Neuzulassungen, + 13 Prozent geg. Vorjahr)
Internationale Pkw Produktion

Die Aussage vom letzten Bericht hat weiterhin Gültigkeit: 

Lediglich in China kann man, nachdem die Produktions-Verwerfungen des Neujahresfestes vom Februar überstanden sind, bereits wieder von einem Wachstumstrend sprechen. In allen übrigen großen Automobilländern, auch in Deutschland, ist lediglich der Stand vor Ausbruch der Krise wieder erreicht, am deutlichsten in den USA.

Der Nachfrage- und Produktionsausfall während der einjährigen Krisenpause ist also bis dato noch nicht aufgeholt. Der Erholungsprozess geht weiter.

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