Tichys Einblick
Hintertür gegen Finanz-Sanktionen

Krypto-Börsen wollen Russen nicht pauschal ausschließen

Einige der größten Kryptowährungsbörsen der Welt bleiben im Gegensatz zu den meisten Finanzinstitutionen für Russen offen. Das könnte den Versuch der Isolation Russlands hintertreiben.

IMAGO / NurPhoto

Einige der größten Krypto-Börsen der Welt – darunter die in Malta sitzende Binance und die in den USA ansässigen Firmen Kraken und Coinbase – verweigern sich dem von der ukrainischen Regierung erbetenen pauschalen Ausschluss russischer Kunden, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet.

Die Krypto-Börsen rechtfertigen dies damit, dass der Ausschluss einer ganzen Nation dem eigenen Ethos zuwiderlaufe, nämlich Zahlungsmöglichkeiten ohne staatliche Aufsicht anzubieten. Kraken-CEO Jesse Powell sagte, er würde nicht nachgeben und nannte Bitcoin die „Verkörperung libertärer Werte“. Binance, die weltweit größte Krypto-Börse, weigerte sich ebenfalls, alle russischen Benutzer zu sperren, sagt aber laut Reuters, dass sie die Konten von Kunden blockiert, die von Sanktionen betroffen sind: „Krypto sollte Menschen auf der ganzen Welt größere finanzielle Freiheit bieten.“ Laut CryptoCompare führt Binance über 40 Prozent aller Krypto-Trades in Rubel aus. Ein Sprecher von Binance lehnte es ab, sich zu der Zahl zu äußern oder Einzelheiten zu sanktionierten Benutzern zu nennen, die es blockiert hatte.

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Reuters sieht in der Ablehnung der Krypto-Börsen ein Indiz für die „ideologische Kluft zwischen dem traditionellen Finanzsektor und der Welt der Kryptowährungen, deren Wurzeln in libertären Idealen und dem Misstrauen gegenüber Regierungen liegen“. Für russische Bürger und Geschäftsleute (sofern sie nicht unmittelbar sanktioniert werden) könnten Kryptowährungen damit aber auch ganz unideologisch eine der letzten verbleibenden Möglichkeiten für Finanztransaktionen mit oder in westlichen Ländern sein. Denn die Sanktionen, die darauf abzielen, die russische Wirtschaft vom globalen Finanzsystem abzutrennen, haben Unternehmen und Finanzunternehmen bereits jetzt in Scharen gezwungen, ihre Geschäfte im Land einzustellen. Dazu gehören etwa die Energiekonzerne Shell und BP.

Laut dem von Reuters zitierten amerikanischen Anwalt und ehemaligen Bankenaufsichtsbeamten Ross Delston ist allerdings eindeutig, dass die Krypto-Börsen damit eine Erleichterung gegenüber Sanktionen bedeuten. Ob die Krypto- Handelsplätze tatsächlich die Identität ihrer Kunden gründlich untersuchen, wird von Sicherheitsexperten eher bezweifelt. Sogenannte Privacy Coins bieten sich dafür besonders an.

Es gibt schon Anzeichen dafür, dass russische Bürger nicht nur vermehrt den im Wert fallenden Rubel in andere Währungen umtauschen, sondern auch versuchen, Ersparnisse in Kryptowährungen anzulegen – das Handelsvolumen zwischen dem Rubel und Kryptowährungen erreichte am Montag 15,3 Milliarden Rubel (140,7 Millionen US-Dollar), eine Verdreifachung gegenüber einer Woche zuvor, so berichtet Reuters unter Berufung auf den Dienst CryptoCompare. Am Mittwoch meldete Reuters nun auch, dass die Europäische Kommission prüfe, ob Kryptowährungen verwendet werden, um Sanktionen zu umgehen. Das US-Finanzministerium und die britische Finanzaufsicht hätten auf entsprechende Anfragen nicht reagiert.

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