Tichys Einblick
Hessens Verkehrsminister Al-Wazir überfordert

Salzbachtalbrücke bröckelt: Willkommen im Brückendesasterland

Eine zentrale Autobahnbrücke in Hessen muss gesperrt und womöglich ganz abgerissen werden. Es ist ein Desaster mit Ansage. Die grüne Verkehrspolitik des Landes beschäftigt sich lieber mit anderen Dingen.

Baustelle A 66 Salzbachtalbrücke im September 2020

IMAGO / Michael Schick

Plötzlich, wie aus heiterem Himmel sackte ein Teilstück der Brücke ein, es bildeten sich tiefe Risse, Betonteile lösten sich, fielen herunter, und die Fahrbahn senkte sich um immerhin bedenkliche 30 Zentimeter ab. Bauarbeiter hielten sofort den Verkehr an, damit sicherheitshalber kein Auto und kein Bus mehr unter der Brücke hindurchfahren konnte.

Es handelt sich um die Salzbachtalbrücke im Südosten Wiesbadens, darüber führt mit der Autobahn A 66 die wichtigste Verbindung von Frankfurt nach Wiesbaden und weiter in den Rheingau.

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Darunter verlaufen neben einer Bundesstraße auch die Eisenbahngleise zum Wiesbadener Hauptbahnhof. Nun gilt die Sperrung auch für die Bahn und bedeutet: Der Hauptbahnhof kann von keinem Zug mehr angefahren werden. Lediglich über eine Nebenbahnstrecke können ein paar Regionalzüge fahren. Ansonsten ist die hessische Landeshauptstadt eisenbahnmäßig abgehängt!

Der gesamte Hauptbahnhof, in den früher sogar der in Wiesbaden kurende Kaiser Wilhelm II. mit großem Pomp auf sein eigenes Sondergleis einfuhr, steht still, leer, kein Zug, kein Mensch. Nichts mehr.

Die Salzbachtalbrücke ist betagt. Sie stammt aus dem Jahr 1963, da ist es natürlich für grüne Verkehrspolitiker in Stadt und Land schwierig, den Zustand im Blick zu halten und rechtzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten. Es handelt sich um eine Bundesfernstraße, zuständig ist Skandalnudelminister Andreas Scheuer von der CSU. Aber ganz frei kann sich weder das Land noch die Stadt von der Verantwortung sprechen. Verkehrspolitik erfolgt im Zusammenspiel. Und für Autobahnen und Anbindung interessiert sich die Stadt nicht.

Stattdessen trieb der grüne Verkehrsdezernent in Wiesbaden, Andreas Kowol, darin, mit aller Kraft ein anderes Projekt voran: in die engen Innenstadtstraßen eine Stadtbahn bauen. Erst ein eindeutiger Bürgerentscheid wischte im vergangenen Herbst das Projekt, das über eine halbe Milliarde verschlingen sollte, vom Tisch. Dafür werden die Wiesbadener mit Fahrradspuren und Verkehrsengpässen gequält.

Die wichtige Straßenbrücke ließ die Verkehrspolitik derweil verkommen. Leichter als mit den Tücken täglicher Verkehrspolitik tun sich die grünen hessischen Verkehrsexperten, Kowol und sein grüner Parteifreund Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (»Einen SUV für jeden Erwachsenen können wir uns ökologisch wirklich nicht leisten«) mit der Rettung des Weltklimas. Klimaschutz und Tempo 30 nehmen offenbar so viel Aufmerksamkeit in Anspruch, dass man sich nicht um jede marode Brücke kümmern kann.

Wieder eine Brücken-Katastrophe, die sich verheerend auf eine ganze Region auswirkt. Jetzt sind die Ausweichstrecken komplett dicht, kilometerlange Staus rund um Wiesbaden. Ebenso ist die Innenstadt teilweise zu. An den Ampeln versuchten zusätzlich Polizisten, den Verkehr fließender zu machen. Ein Polizeisprecher meinte, es bleibe »spannend« in den kommenden Tagen.

Es geht wohl nicht nur um Tage. Denn ein solches Bauwerk ist nicht mal eben so abgerissen. Das dauert Monate, der Aufbau Jahre. Es liegen noch keine Planungen vor, wie das geschehen soll.

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Der hessische Verkehrsminister Al-Wazir hat es über Jahre hinweg nicht geschafft, wenigstens die Hauptverkehrsadern befahrbar zu halten, kämpfte stattdessen mit aller Kraft gegen den Ausbau des letzten Teilstückes der Autobahn A 49 von Gießen nach Kassel. Letztlich vergebens, das wichtige Verbindungsstück wird gebaut.

Al-Wazir hat mit Fleiß seinen Machtbereich erweitert, ist für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen gleichzeitig zuständig. Ziemlich viel, da kann er als zuständige Börsenaufsicht auch mal übersehen, dass sich mit Wirecard ein Milliardenskandal anbahnt. Da können dann ein paar Brücken keine Hauptrolle mehr spielen. Jetzt gibt er zum Besten, er denke über eine Sprengung nach.

Brückenbau gehört zu den Königsdisziplinen, Brücken müssen überwacht und permanent instand gehalten werden. Stattdessen hat Al-Wazir nach dem spektakulären Einsturz der Autobahnbrücke von Genua hochnäsig versichert, das könne in Hessen nicht geschehen.

Wieder schafft es die Verkehrspolitik nicht, rechtzeitig eine marode Autobahnbrücke zu reparieren oder zu erneuern. Brücken gehen nicht über Nacht kaputt, sondern über Jahre und vorhersehbar. Fachleute errechneten schon frühzeitig, dass die Salzbachbrücke bereits ab 2018 nicht mehr sicher genug sein würde.

Schlechte Erfahrungen mit miserabler Infrastruktur haben die Wiesbadener und Mainzer bereits mit dem Drama über die Schiersteiner Brücke gemacht, der einzigen Brücke über den Rhein weit und breit. Die war ebenfalls marode, blieb lange geschlossen. Die Vollsperrung dieser Verbindung über den Rhein löste seinerzeit ein Verkehrschaos im gesamten Rhein-Main-Gebiet aus.

Deutschland bleibt nicht nur Brückendesasterland. Wer wie die Grünschwarzroten die Welt und das Klima retten muss, hat keine Zeit für die Instandhaltung und den Ausbau der gesamten Infrastruktur des eigenen Landes.

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