Tichys Einblick
Das Höfesterben geht weiter

Familienbetriebe vor dem Aus: „Langfristig werden große Agrarbetriebe die Branche prägen“

Die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland wird sich bis 2040 auf rund 100.000 mehr als halbieren. Kleine Bauernhöfe geben auf und die Produktion wandert wegen des Kostendrucks zu immer größeren Betrieben.

IMAGO / Westend61

Dieser Fakt ist schon seit langem bekannt: Höhere Auflagen und ständig steigende gesetzliche Anforderungen, vom Umweltschutz bis zu Tierschutz-Anforderungen, drängen vor allem kleine und mittlere Betriebe ins „Aus“. Die Tierwohlabgabe, die nach Willen von Cem Özdemir alsbald als Tierwohl-Cent oder auch als „Bauern-Soli“ kommen soll, wird daran nichts ändern.

Ein Blick in die Statistik zeigt: Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland ist in den Jahren von 2020 bis 2023 um rund drei Prozent oder 7.800 auf 255.000 Betriebe gesunken. Damit hielt der Strukturwandel in der Landwirtschaft hin zu weniger, aber dafür größeren Betrieben an, so das Statistische Bundesamt (Destatis) am Dienstag nach Ergebnissen der Agrarstrukturerhebung 2023. Insgesamt bewirtschafteten die Betriebe im Jahr 2023 rund 16,6 Millionen Hektar Fläche.

Das Höfesterben geht weiter
Eine Studie der DZ-Bank, herausgegeben vom Branchenkenner Claus Niegsch, fächert die Probleme des „Strukturwandels“ weitaus breiter auf: „Langfristig werden große Agrarbetriebe die Branche prägen.“ Die Betriebe mussten sich zuletzt immer weiter zu mittelständischen Wirtschaftsunternehmen entwickeln. Zunehmende Anforderungen durch Umweltschutz, Tierwohl und Betriebswirtschaft steigerten jedoch die Belastung der Betriebe. Hinzu kommen der Fachkräftemangel sowie die oftmals nicht gelöste Nachfolgeregelung bei Familienbetrieben.

Niegsch rechnet vor: Gab es 1949 noch 1,8 Millionen landwirtschaftliche Betriebe, waren es 2022 nur noch 256.000. Bis 2040 dürfte die Zahl weiter auf etwa 100.000 sinken. Gleichzeitig dürfte die durchschnittliche Größe eines Betriebs von 64,8 Hektar im Jahr 2022 auf 160 Hektar zulegen. Der weitere Umbau der landwirtschaftlichen Betriebe hin zu wirtschaftlich effizienten, digitalisierten Unternehmen, die darüber hinaus die zunehmenden Umweltschutz- und Tierschutz-Anforderungen an sie erfüllen, wird ein hohes Investitionsvolumen erfordern. Langfristig dürften daher immer mehr große, kapitalintensive und betriebswirtschaftlich organisierte Agrarbetriebe, die modernste Technik einsetzen, die Branche prägen.

Bedeutet im Umkehrschluss: Die kleineren Unternehmen, also die bäuerlichen Familienbetriebe, müssen unter dem Kostendruck weichen. Nischen gebe es aber, besagt die Studie. Die Öko-Landwirtschaft und andere Spezialisierungen, aber auch die Genossenschaftsidee böten Chancen.

In der gesamten EU sieht es, was das Höfesterben angeht, nicht besser aus. Innerhalb von 15 Jahren haben mehr als 5 Millionen landwirtschaftliche Betriebe in der EU ihre Existenz verloren. Das heißt, mehr als jeder dritte Betrieb schloss seine Hoftore für immer.

„Die Europäische Union schmücke sich gern mit dem Erfolg ihrer Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Vor allem die Europäische Kommission taucht ihre Politik gern in das warme Licht einer auf die Zukunft ausgerichteten Strategie wie zum Beispiel den Green Deal“, heißt es bei Agrarheute. „Ein Blick auf die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Europa wirft hier aber einen langen Schatten: 2020 gab es in der EU noch 9,1 Millionen landwirtschaftliche Betriebe. Das sind rund 5,3 Millionen weniger als 2005. Dies entspricht einem Rückgang von rund 37 Prozent.“

Das Höfesterben geht weiter
Es ist daher kaum verwunderlich: Die europäischen Landwirte stellen die Grüne Agenda der EU infrage. Denn die EU will mit ihrer Politik erreichen, dass die Landwirtschaft in Europa ökologischer und nachhaltiger wird. Doch die Bauern stellen sich quer. Für viele Landwirte ist der Protest gegen die bevorstehende Transformation eine Frage des Überlebens.

Bekanntlich liefert unsere heimische Agrar-Wirtschaft nicht allein das „tägliche Brot“. Statistiken zeigen: Von Januar bis November 2023 wurden 44,0 Millionen Tonnen landwirtschaftliche Erzeugnisse im Wert von 57,9 Milliarden Euro nach Deutschland importiert und 27,4 Millionen Tonnen im Wert von 35,9 Milliarden Euro aus Deutschland exportiert. Dies teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) am Dienstag mit. Sprich: Die Importe von Agrar-Gütern liegen weitaus höher.

Am Montagabend in der Tagesschau (20 Uhr) wurde dem Publikum nahegebracht, wie viele Subventionen die Landwirte allein von der EU erhalten (ab Minute 3:39). „Die schrittweise Streichung der Agrardiesel-Förderung bedeute für die Bauern dagegen wenig Verlust. Laut Experten pro Jahr etwa 25 Euro pro Hektar.“ Subtext: Die Proteste hätte man sich sparen können. Alles kein Thema.

Agrarheute wartet mit einer anderen Expertise auf: „Bauern tief in den roten Zahlen – Gewinne der Landwirte im freien Fall.“

„Die Gewinne der Haupterwerbsbetriebe brechen 2023/24 massiv ein. Der Rückgang liegt zwischen 33 Prozent und 53 Prozent, sagt der Verband der Landwirtschaftskammern (VLK) in einer Prognose. Grund sind die abstürzenden Agrarpreise und die sich weiter verschlechternden ökonomischen Rahmenbedingungen. Wir erwarten daher, dass die Gewinne 2024 auf das Niveau des fünfjährigen Durchschnitts zurückgehen“, sagte VLK-Präsident Gerhard Schwetje. Dieses Niveau sei nicht ausreichend, um einer angemessenen Entlohnung und Risikodeckung zu entsprechen. Ein Familienbetrieb muss vom Gewinn die privaten Lebenshaltungskosten sowie Einkommensteuern bestreiten. … Mit Ausnahme der Schweineproduktion sind die Einkommen in der deutschen Landwirtschaft im laufenden Wirtschaftsjahr 2023/24 durchgängig rückläufig.“

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