Tichys Einblick
Der Marktausblick

Türkische Lira im Sinkflug und Sanktionen gegen Iran

Goldgräberstimmung im Irak, Ölpreise im Anstieg, Ifo-Geschäftsklimaindex im Abschwung, Daimler, Siemens, Chevron, Mastercard

Traders and financial professionals work on the floor of the New York Stock Exchange (NYSE) ahead of the closing bell on August 10, 2018 in the Brooklyn borough of New York City. The Dow Jones Industrial Average closed down nearly 200 points on Friday, as markets reacted negatively to a sharp plunge in Turkish currency, the Lira, as Turkey heads toward a potential financial crisis. U.S. President Donald Trump has also authorized a doubling of metal tariffs on Turkey.

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Der deutsche Aktienmarkt hat sich am Freitag von seiner schwächeren Seite gezeigt. Der Leitindex Dax schloss mit zwei Prozent im Minus bei 12.424 Punkten. Für das Eurozonen-Barometer Euro Stoxx 50 ging es ebenfalls um zwei Prozent auf 3.423 Zähler nach unten. Auf die Stimmung drückten insbesondere die Turbulenzen in der Türkei. Der Dax weitete am Nachmittag seine Verluste weiter aus und fuhr den größten Tagesverlust seit fast sieben Wochen ein. „Seit geraumer Zeit haben Investoren die sich entwickelnde Währungskrise in der Türkei als lokales Problem eingestuft, aber das beschleunigte Tempo des Absturzes nährt die Sorgen um das Türkei-Engagement europäischer Banken“, hieß es unter Brokern.

Tatsächlich befindet sich die Türkische Lira derzeit im freien Fall. Die Währung verlor am Freitag zeitweise 18,5 Prozent zum Dollar. Seit Jahresbeginn hat die Devise fast die Hälfte an Wert eingebüßt.
Die Talfahrt der Lira führte zu Sorgen um den Bankensektor. Durch die Abschwächung wird es für türkische Schuldner schwieriger, ihre Kredite in fremden Währungen zu bedienen. Das könnte Banken in Bedrängnis bringen. Die Bankenaufseher der EZB schauen sich einem Medienbericht zufolge die Verbindungen europäischer Geldhäuser zur Türkei an. Bank-Aktien gerieten deshalb am Freitag deutlich unter Druck. Für die Papiere von Deutscher Bank und Commerzbank ging es um zeitweise bis zu 4,3 Prozent nach unten.

Die Währungskrise in der Türkei hat am Freitag auch die US-Aktienmärkte in Mitleidenschaft gezogen. Der Kursverfall der türkischen Lira beschleunigte sich rasant und löste damit Unruhe an den Finanzmärkten aus. Befürchtet wird, dass sich viele türkische Kreditnehmer nicht ausreichend gegen den Kursrutsch der heimischen Währung abgesichert haben. Somit könnten Zahlungsprobleme bei den auf Euro oder Dollar lautenden Krediten drohen.
Der US-Leitindex Dow Jones Industrial fiel um 0,8 Prozent auf 25 313 Punkte. Damit fällt die bisherige Monatsbilanz für August negativ aus. Auf Wochensicht bedeutet dies ein Minus von 0,6 Prozent.
Für den marktbreiten S&P 500 ging es am Freitag um 0,7 Prozent auf 2833 Punkte nach unten. Der technologielastige Auswahlindex NASDAQ 100 verlor 0,8 Prozent auf 7408 Zähler. Wie in Europa wurde auch der Bankensektor an der Wall Street gemieden. So büßten die Aktien von JPMorgan, der Bank of America, von Goldman Sachs und von Morgan Stanley zwischen knapp ein und mehr als zwei Prozent ein.

Nach dem Rückzug der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran sind seit Dienstag wieder Sanktionen der Vereinigten Staaten gegen das Land in Kraft. Zunächst soll der Iran nicht mehr mit Dollar, Edel- und Industriemetallen handeln dürfen, aber auch Flugzeuge und Autos sowie Teppiche und Agrarprodukte sind betroffen. Die EU hat europäischen Firmen, die im Iran tätig sind, Unterstützung zugesichert. Ein ­Abwehrgesetz soll es ihnen ermöglichen, die US-Sanktionen zu ignorieren. In der Praxis dürfte es allerdings kaum ein Unternehmen darauf ankommen lassen. Schließlich ist der amerikanische Markt ungleich wichtiger als das Geschäft mit dem Iran, und den Zorn von US-­Präsident ­Donald Trump möchten die Firmenchefs wohl lieber nicht auf sich ziehen.
Ab 4. November werden die Sanktionen noch verschärft, dann sollen andere Länder nach dem Willen der USA kein Öl mehr aus dem Iran importieren. Den Preis des Rohstoffs hat das zunächst beflügelt — bevor ein anderer Trump’scher Konflikt die Kurse sinken ließ. Furcht um die Weltwirtschaft angesichts des wieder rauer gewordenen Tons im Handelsstreit zwischen den USA und China drückte den Ölpreis deutlich.

Während sich deutsche Unternehmen wie Daimler aus dem Iran aufgrund der neuen Sanktionen zurückziehen, gewinnt internationales Business im Nachbarland Irak an Fahrt. So kündigte zu Wochenbeginn Siemens an, im Zweistromland ein bestehendes Elektrizitätswerk zu modernisieren und das Werk am Schatt al-Arab bei Basra, dem irakischen Tor zum Persischen Golf, mit mehr Power auszustatten. Obwohl noch nicht komplett von den Terroristen des IS befreit, gewinnt der Irak für Firmen aus aller Welt an Attraktivität. Dies auch, weil die in den vergangenen Monaten deutlich gestiegenen Erdölpreise der Regierung in Bagdad mehr Geld in die Staatskasse spülten. So hat der Kreditkartenanbieter Mastercard am Dienstag mit der irakischen Zen­tralbank ein Abkommen für elektronische Zahlungssysteme vereinbart. Schon Mitte Juni hat Basra Oil dem US-Energiegiganten Chevron gestattet, den Südirak nach neuen Ölfeldern abzusuchen. Der Irak ist aber auch vom Handel mit dem Nachbarland Iran abhängig. Seit Langem schon wird neben dem Dinar auch der iranische Rial in Iraks schiitischen Hochburgen Kerbala und Nadschaf unter der Hand als Zahlungsmittel akzeptiert.

Die Stimmung in der Weltwirtschaft hat sich deutlich verschlechtert, Experten sehen vor allem die anhaltenden Handelsstreitigkeiten der USA mit dem Rest der Welt als Grund dafür. Das vom Münchner Ifo-Institut ermittelte Weltwirtschaftsklima ist im dritten Quartal stark gesunken. „Die Weltkonjunktur fährt nur noch mit angezogener Handbremse“, sagt Ifo-Präsident Clemens Fuest. Vor allem die Aussichten haben sich eingetrübt. Zwar werde auch die Lage deutlich schlechter bewertet, doch sei das Niveau weiter hoch, erklärt Fuest. „Die Erwartungen fielen da­gegen abermals sehr stark und liegen auf dem niedrigsten Wert seit Ende 2011.“


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