Tichys Einblick
Krypto-Währungen statt Euro

Trend 2021: Die Flucht aus dem Zentralbankgeld

Der Preis für Krypto-Währungen schießt in immer neue Höhen, auch Aktienkurse steigen weiter, obwohl die Realwirtschaft leidet. Das liegt an einem wachsenden Misstrauen gegen die bisher gängige Form der Wertanlage.

picture alliance / NurPhoto | Jakub Porzycki

Bis Ende 2020 galten die Kurse von Kryptowährungen in den Finanznachrichten noch als Randthema. Das ändert sich Anfang des neuen Jahres gründlich: Sie rücken als Anlagealternative weltweit in den Fokus von kleineren und professionellen Anlegern. Das liegt einmal an der Kursentwicklung selbst. Anfang 2020 lag der Wert eines Bitcoins noch unter 5000 Euro. Heute kostet die elektronische Bezahleinheit an manchen Tagen über 30 000 Euro – wobei die Ausschläge innerhalb von 48 Stunden durchaus bei mehreren tausend Euro liegen können. Mittlerweile werden deshalb auch kleinere Einheiten interessant, etwa Etherum. Hier lag der Wert am 6. Januar 2020 noch bei 128 Euro. Zwölf Monate später schwankt er um 950 Euro. Viele andere Kryptoeinheiten wie Cardano und Lumen liegen im Centbereich. Sie steigen ebenfalls – und bieten eine größere (riskante) Gewinnchance als die teuren Bitcoins.

Aber es liegt nicht nur an der reinen Spekulationslust: Für elektronische Währungen gibt es eine technische Mengenbegrenzung, anders als bei den Zentralbankwährungen wie Euro, Dollar oder Yen. Das macht die elektronischen Systeme nach und nach zu Alternativen – während das Vertrauen in Bargeld schwindet. Paypal-Gründer Peter Thiel kündigte an, seinen Geldtransfer-Dienst künftig auch für Kryptowährungen zu öffnen. Auf das neue Gebiet wagt sich auch die spanische Bank BBVA: sie will ab 2021 als erstes europäisches Institut Handel und Verwahrung von Bitcoin anbieten, vorerst nur in der Schweiz.

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Auch in andere Möglichkeiten jenseits des Baren fließt zurzeit so viel Geld wie seit Jahren nicht mehr. Der Dax erreichte am 6. Januar einen Stand von 13 900 Punkten. Damit liegt er über dem Niveau Ende 2019, also in der Vor-Corona-Zeit. Gold rangiert ebenfalls höher als Anfang 2020. Nach einem Rückgang vom Gipfel um 1 700 Euro pro Unze legte es im Januar im täglichen Auf und Ab insgesamt wieder zu – zuletzt auf fast 1 600 Euro pro Unze.

Auch auf dem Immobilienmarkt zeigt sich, wie stark Anleger zumindest einen Teil ihres Vermögens vom Konto räumen. Im 2. Quartal kletterten die Immobilienpreise in Deutschland trotz Wirtschaftseinbruch laut Statistischem Bundesamt im Vergleich zum Vorjahr um 6,6 Prozent. Selbst in den sieben größten deutschen Städten, in denen das Preisniveau Angang 2020 ausgereizt schien, ging es noch einmal nach oben: bei Eigentumswohnungen um 6,1, bei Häusern um 6,5 Prozent. Wer eine 80-Quadratmeter-Wohnung in München in halbwegs guter Lage sucht, findet kaum noch Angebote unter einer halben Million.

Woher kommt das ungute Gefühl vieler Profis und kleiner Sparer gegenüber der gedruckten Note? Vor allem speist es sich aus dem Versuch der wichtigsten Zentralbanken, die wirtschaftlichen Folgen des Corona-Virus mit Geld zuzuschütten. Vom 1. Januar bis zum 18. Dezember 2020 schnellte die Bilanzsumme der Europäischen Zentralbank (EZB) um 47,58 Prozent nach oben, sie durchbrach damit zum ersten Mal die Marke von sieben Billionen Euro. Zum Vergleich: Im Februar, am Beginn von Corona, stand sie noch bei 4,6 Billionen. Zwar drucken Zentralbanken nur einen Teil davon tatsächlich aus, der größte Teil fließt als elektronisches Geld, beispielsweise durch Anleihenkäufe. Aber würde tatsächlich alles in Noten ausgegeben, dann läge die EZB-Druckgeschwindigkeit derzeit bei etwa 100 000 Euro pro Sekunde.

Weltweit öffneten die Zentralbanken 2020 ihre Schleusen, soweit es geht:
Um 23 Prozent beziehungsweise 132 Billionen Yen stieg die Bilanzsumme der Bank of Japan von Jahresbeginn 2020 bis Ende Oktober, um 40 Prozent beziehungsweise 236 Milliarden Pfund die der Bank of England, um sagenhafte 73 Prozent die der Federal Reserve – eine Ausweitung von 3,069 Billionen Dollar. Selbst, wenn das Wirtschaftswachstum 2021 schnell wieder anspringt – in Ostasien spricht tatsächlich viel dafür – müsste es mit großen Schritten der aufgepumpten Geldmenge hinterhereilen.

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Kritisch wird die Lage, sollte die gewaltige Geldflut auf eine stagnierende Ökonomie treffen. Genau das droht der Eurozone. Inflation wäre die fast unvermeidliche Folge. Denn im EZB-Bereich existiert das klassische Gegenmittel zur Inflationssteuerung nicht mehr – der Zins. Jetzt, da alle Staaten, vom Deutschland der mittlerweile erledigten schwarzen Null bis zu ohnehin stark verschuldeten Ländern wie Italien und Spanien in der Kreditaufnahme keine Grenzen mehr kennen, würde schon eine bescheidene Anhebung der Nullzinsen ein Land wie Italien kollabieren lassen. Und auch viele hoch verschuldete Unternehmen, genau so wie Banken, in deren Bilanzen faule Kredite in Milliardenhohe lagern.

Inflation bei Nullzinsen, das bedeutet: Aus Bargeld wird Schwundgeld. Der Geldausstoß dürfte sich auch nicht so bald verlangsamen. Vor allem in der Eurozone druckt die EZB gegen das an, was der Ökonom Hans-Werner Sinn „Liquiditätsfalle“ nennt: Das Geld fließt über Anleihenkäufe zu den Banken, von dort aber nur in einem kleinen Umfang in die Realwirtschaft. Denn die Unsicherheit, wie es in Europa zu Covid-Zeiten wirtschaftlich weitergeht, bremst bei vielen Unternehmen die Investitionslust. Statt in Güter strömt viel von der Geldflut entweder in Aktien und zunehmend auch in Kryptowährungen, oder es bleibt als Bargeldüberhang in der Bilanz der Banken – beziehungsweise auf den Konten der Sparer. Für Geld gilt also im gewissen Sinn auch ein Lockdown.

Aus dieser Lage versuchen viele ihr Geld zu befreien, zumindest teilweise – bevor die Inflation Fahrt aufnimmt, und die Preise für Aktien, Kryptowährungen, Gold und Immobilien noch weiter in die Höhe schießen.

Wie schütze ich mein Vermögen? Die Frage gehört zu den wichtigsten, die jeder im Jahr 2021 für sich beantworten muss. Das zweite Corona-Jahr könnte das Jahr werden, in dem global das Vertrauen in Zentralbankgeld erodiert.

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