Tichys Einblick
Der Marktausblick

Der DAX nimmt sich Zeit

Das deutschen Aktienbarometer DAX zeigte sich zum Wochenausklang von seiner schwächeren Seite. Aber mittelfristig gehört er zu den großen Gewinnern. Als zyklisch geprägter Index ist der DAX eine sinnvolle Spekulation auf eine kräftige Wirtschaftserholung.

© Getty Images

Das war eine turbulente Woche. Zunächst ging es mit den Kursen in aller Welt steil bergauf, bis dann am Donnerstag eine kalte Dusche die Börsianer traf. Am Freitag setzte sich die Berg- und Talfahrt fort – allerdings mit einem versöhnlichen Ende in den USA. Der Dow Jones Industrial beendete den für Anleger zeitweise nervenaufreibenden Handelstag letztlich mit einem Abschlag von 0,6 Prozent auf 28.133 Punkte. Damit ergibt sich für das US-Börsenbarometer ein Wochenverlust von 1,8 Prozent.

Robuste Arbeitsmarktdaten hatten zunächst für einen freundlichen Start gesorgt. Doch bald schon folgte der Dow der technologielastigen Nasdaq-Börse in die Verlustzone, wo er unter die Marke von 28.000 Punkten sackte und bis zu 2,2 Prozent einbüßte. Im späten Handel setzte dann vor dem durch einen Feiertag verlängerten Wochenende die Erholung ein. Am Montag findet in den USA wegen des Labor Day kein Aktienhandel statt.

Der den breiten Markt widerspiegelnde S&P 500 gab um 0,8 Prozent auf 3.427 Punkte nach. Der technologielastige Auswahlindex NASDAQ 100 verlor 1,3 Prozent auf 11.622 Zähler, womit sich für ihn ein Wochenverlust von 3,1 Prozent ergibt.

Die Lage am US-Arbeitsmarkt hatte sich im August trotz der Corona-Pandemie stärker als erwartet aufgehellt. Nicht nur die Arbeitslosenquote fiel überraschend deutlich, sondern zugleich legte auch die Beschäftigtenzahl etwas stärker als erwartet zu und die Stundenlöhne stiegen stärker als prognostiziert.

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Aktien der stark gelaufenen IT-Branche, die zeitweise besonders kräftig nachgegeben hatten, konnten sich teilweise spürbar erholen. Nachdem im Dow etwa die Anteilsscheine von Apple im Handelsverlauf zu den größten Verlierern gehört hatten, legte sie am Ende leicht um knapp 0,1 Prozent zu. Microsoft erholten sich ebenfalls etwas und schlossen mit minus 1,4 Prozent im Mittelfeld. An der Nasdaq fanden die Papiere des Elektroautobauers Tesla zurück in den Gewinnzone und legten an zweiter Stelle im Auswahlindex 100 schließlich um 2,8 Prozent zu. Auch sie hatten zeitweise kräftig nachgegeben. Die Papiere von CureVac gewannen im breiten Markt an der Nasdaq 11,5 Prozent.

Während die amerikanischen Aktienmärkte in der vergangenen Woche also schon wieder Rekordstände vermeldeten, nimmt der DAX sich etwas Zeit. Seit dem Corona-Tief Mitte März hat aber auch das deutsche Aktienbarometer um mehr als 50 Prozent zugelegt und dabei unter Berücksichtigung aller Dividenden viele prominente Rivalen abgehängt. Nicht nur den französischen CAC 40 und den britischen FTSE 100. Auch der amerikanische S & P 500 konnte trotz zwischenzeitlichen Rekordhochs durch die Unterstützung der Mega-Techies bei dieser Dynamik nicht mithalten. Das Comeback des deutschen Aktienbarometers ist nicht nur eine Reaktion auf die Kursverluste im Corona-Crash. Als zyklisch geprägter Index ist der DAX eine sinnvolle Spekulation auf eine kräftige Wirtschaftserholung. Ermutigend ist, dass die drei Top-Performer seit dem März-Tief — Infineon, Deutsche Post und Daimler — aus verschiedenen Branchen kommen. Der Aufschwung steht also auf einem breiten Fundament. Den schwachen Vorgaben aus den USA folgend, zeigte sich der Markt zum Wochenausklang aber von seiner schwächeren Seite. Die Kursverluste an der Wall Street drückten den Leitindex um 1,7 Prozent auf 12.843 Punkte ins Minus.

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Es ist eine historische Änderung amerikanischen Geldpolitik, die US-Notenbankchef Jérôme Powell beim jährlichen, diesmal virtuellen Symposium der Zentralbanker aus aller Welt (Jackson-Hole-Treffen) bekannt gab: Künftig strebt die Fed nicht mehr strikt eine Inflationsrate von zwei Prozent an, sondern es sollen im Zeitablauf durchschnittlich zwei Prozent erzielt werden. Das bedeutet: Es ist möglich, dass eine gegenwärtig sehr niedrige Teuerung über die Zeit mit Raten von über zwei Prozent ausgeglichen wird. Kurzfristig hat die Änderung der geldpolitischen Strategie keine unmittelbaren Konsequenzen. Längerfristig gilt aber: Die US-Geldpolitik wird künftig auch bei einer gut laufenden Wirtschaft lockerer bleiben können. „Profitierte in der Vergangenheit der US-Dollar von schneller steigenden Leitzinsen, wird dies nicht mehr der Fall sein. Der Zinsvorteil des Dollar gegenüber dem Euro wird zukünftig geringer sein“, erklärt Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank Gruppe. „Für den Dollar sind das langfristig keine guten Nachrichten.“ Zudem spreche diese Lockerung auch für eine Beimischung von Gold, das in einem Umfeld niedriger — insbesondere negativer — inflationsbereinigter (realer) Zentralbankzinsen tendenziell profitiere, so Stefan Hofrichter, globaler Leiter Economics & Strategy bei Allianz Global Investors.

Es geht immer weiter aufwärts an den Börsen. Dabei geben insbesondere sogenannte Growth-Aktien wie Alibaba, Amazon, Apple oder Tesla weiterhin stark die Richtung vor. Dagegen kommen Value-Titel wie Toyota oder British American Tabacco ins Hintertreffen — der MSCI World Value Index notiert mehr als 20 Prozent unter seinem vorherigen Höchststand. Grund: Value-Aktien — in der Regel wirtschaftlich sensiblere und zyklischere Titel — wurden von der Krise härter getroffen und erholten sich wesentlich langsamer. Die Bewertungen der Value-Titel sind dagegen vergleichsweise interessant. „So beträgt zum Beispiel das Kurs-Gewinn-Verhältnis des MSCI World Growth fast das Doppelte des MSCI World Value — ein Extremwert, der nur während der Internetblase zur Jahrtausendwende erreicht wurde“, erklärt Geir Lode, Chef globale Aktien bei der Fondsgesellschaft Federated Hermes.


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