Tichys Einblick
Irrationale Diskussion um Verbrenner-Aus

Die Front gegen das Verbrenner-Aus steht

Die überraschende Grätsche von Verkehrsminister Volker Wissing gegen das Verbrenner-Aus kam spät, ist aber wirksam. Neben anderen Regierungen sind jetzt auch die Hersteller aufgewacht. Staat des Verbotes ist Technologieoffenheit das Gebot der Vernunft.

Symbolfoto

IMAGO / Christian Ohde

Wie heißt es so schön im Volksmund: “Nichts ist so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der Sonnen!“ So scheint es auch dem Einspruch zu gehen, mit dem Bundesverkehrsminister Volker Wissing – und seine FDP – quasi auf den letzten Drücker das EU Trilog-Gesetzgebungsverfahren zum Verbrenner-Aus abgeblockt haben. 

Die EU-Kommission, unter Federführung von Umwelt-Kommissar Frans Timmermanns wollte den Verbrennermotor ab 2035 faktisch verbieten und stattdessen ausschließlich Elektroaus auf Batteriebasis aufs Schild heben. 

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Die überraschende Grätsche von Wissing kam spät, ist aber wirksam. Zumindest vorerst. Die Hau-Ruck-Aktion des einsamen Spielverderbers aus dem deutschen Verkehrsministerium könnte zur Dauerlösung werden, denn sie erhält inzwischen wachsenden Zuspruch aus andern EU-Ländern. Neben mehreren Regierungen, nicht zuletzt Italiens, hat sich auch der Branchenverband der europäischen Autohersteller Acea eindeutig gegen ein komplettes EU-Verbrenner-Aus ab 2035 ausgesprochen. Technologieoffenheit sei unerlässlich, um die europäischen Klimaziele zu erreichen. Porsche-Chef Oliver Blume bekräftigte gerade in seiner Jahrespressekonferenz seine Strategie, auf Elektro-Antrieb und Verbrenner-Technologie gleichzeitig zu setzen,  

Um eine möglichst schnelle Skalierung und damit geringere Kosten zu erreichen, sollte die Politik auch Anreize bieten, forderte er laut Automobilwoche. So könnten beispielsweise synthetische Kraftstoffe steuerbegünstigt sein oder zeitlich gestaffelt eine prozentuale Beigabe zu fossilen Kraftstoffen festgelegt werden. „Sie lassen sich gut transportieren, die bestehende Tankinfrastruktur kann problemlos genutzt werden und man kann die heutigen Motoren dafür nutzen“, so Blume.

Das Verbrennerverbot gerät ins Wanken, dem Narrativ von der E-Mobilität als angeblich allein klimaverträglicher Art der individuellen Fortbewegung im Verkehr wurde der Stecker gezogen.

Der „Elektrozug“ kam abrupt zum Halten, die zuvor so fein gesponnenen Pläne der EU Klimaschutz-Beamten unter dem bekennenden Verbrenner-Gegner und Vizekommissionspräsidenten Frans Timmermanns, dem Verbrennermotor über eine verschärfte Emissionsgesetzgebung quasi durch die Hintertür ab 2035 die „Zylinder lahmzulegen“ und ausschließlich nur noch batteriebetriebene Elektroautos (BEV), ohne jegliche alternative technische Lösungen wie den Einsatz von synthetischen Treibstoffe (E-Fuels), als klimaneutral zuzulassen, wurden auf Eis gelegt. 

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Eine so späte Blockade eines EU-Gesetzesverfahrens hat es noch nie gegeben. Ebenso beispiellos ist es, ein Gesetzespaket wieder aufzuschnüren, binnen kürzester Zeit zwischen den 27 Mitgliedsländern neu abzustimmen, und erneut dem Ministerrat vorzulegen. Damit hatte in Brüssel niemand gerechnet. Obwohl exakt diese von Wissing angemahnte Möglichkei, nämlich E-Fuels als Alternative zu den rein fossilen Treibstoffen Benzin und Diesel als CO2-neutraler „Klimasprit“ in Verbrennungsmotoren anzuerkennen, war im Herbst 2022 im EU-Beschluss-Procedere als Zwischenprüfung im Jahre 2026 fest verankert worden; damals ebenfalls schon auf Drängen der FDP. 

In der Gesetzesvorlage von Frans Timmermanns war im März 2023 davon allerdings keine Rede mehr. Dieser Coup von Timmermanns ist jetzt das Einfallstor um das ganze Gesetz zu kippen. Er hatte wohl damit gerechnet, dass Wissing sich nicht traut, dagegen vorzugehen. Aber der ist nicht allein.

Vor Wissings Überraschungscoup hatte bereits Italiens Regierungschefin Georgia Meloni Protest gegen das EU Verbrenner-Verbot angekündigt. Aber nun erst, nach der Wissing-Blockade, kam die Protestbewegung richtig in Fahrt. Die Front der EU Mitgliedsländer für den Verbleib des Verbrenners auf E-Fuel-Basis gewann einen so großen Zuspruch, dass ein EU-Verbrennerverbot (Quorum: 15 Mitgliedstaaten bzw. 65 Prozent der EU Gesamtbevölkerung müssen zustimmen) nicht mehr möglich war. 

Die EU Kommission bekam die Aufgabe gestellt, bis Ende März 2023 neu nachzudenken.  

Neben Italien und Deutschland haben sich inzwischen Polen, Tschechien, Ungarn, die Slowakei, Österreich, Slowenien und Rumänien dem Nein zum Verbrenner-Aus angeschlossen. Dem Vernehmen nach stehen noch einige weitere kleinere EU Mitgliedsländer bereit, um für den Verbrenner zu kämpfen. 

Tschechiens Verkehrsminister, Martin Kupka, fordert ebenso wie Wissing, Verbrennungsmotoren nach 2035 weiterhin zuzulassen, wenn sie mit E-Fuels (synthetischen Treibstoffen) betrieben werden. Die EU-Kommission steht unter Druck, einen Kompromiss herzustellen. Erwartet wird, dass sie die ausgehandelte Regelung mit einem Zusatz ergänzt, der die Verwendung von klimaneutralen Kraftstoffen als Alternative festschreibt. Das Problem an E-Fuels ist allerdings, dass sie nach derzeitigem Stand der Technik nur mit hohem Energieaufwand hergestellt werden können, was eine Niedrig-Kosten-Produktion ausschließlich unter südlicher Sonne, nicht aber im rauen Norden sinnvoll macht. Dort allerdings sind Vorbereitungen auf breiter Front (z.B. Katar, Saudi-Arabien, Marokko etc.) angelaufen

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E-Fuels werden ausschließlich aus bereits vorhandenem, gespeichertem (bzw. recyceltem) bzw. aus der Luft entnommenem CO2 hergestellt, emittieren also kein zusätzliches CO2 durch den Verbrennermotor. Sie sind also klimaneutral. Will die Umweltpolitik den CO2-Ausstoß absolut senken, muss sie an die anderen CO2-Verursacher, vor allem an die Kohle-basierten Energieerzeuger heran. Das vorgesehene Ziel der EU-Klimaschutzregelung, den CO2-Ausstoß von Pkw auf null zu senken, sind mit E-Fuels nicht zu erreichen, wohl aber, dass der CO2-Ausstoß nicht mehr weiter zunimmt. Und das im Endstadium bei 1,6 Milliarden Verbrennerautos. 

Verbrennungsmotoren könnten mit E-Fuels weiter auch für den europäischen Markt produziert werden, weltweit ist ohnehin keine Einschränkung erkennbar, Europa würde mit dem Verbrenner-Aus einen Sonderweg gehen. Nebenbei: In China gehen wöchentlich circa drei neue Kohlekraftwerke ans Netzt, um den ungeheuren Energiehunger des Landes zu stillen. Zu den Großverbrauchern in China gehört auch die wachsende Flotte von Elektroautos. 

Prag versucht, eine Einigung für eine Aufweichung der vorgesehenen Regeln zu vermitteln. Die tschechische Regierung hat für Montag (13.03.) ein Treffen in Brüssel angeregt, um eine gemeinsame Vorgangsweise zu beraten. Auch Vertreter aus Frankreich und Spanien wurden eingeladen. Diese Länger hatten zuletzt vor einer Aufweichung der bereits mit dem EU Parlament und der EU-Kommission ausgehandelten Regelung gewarnt. 

Der gesamte Vorgang wirft zwei Fragen auf:

  1. Welche Motive haben die die Pro-Verbrenner EU-Frontmitglieder, den deutschen Kollegen Wissing nachhaltig zu unterstützen? 
  2. Hat Wissing mit seiner Initiative, mit der er sogar einen Koalitionskrach mittlerer Güte heraufbeschwört, recht? Oder „..hat ihm die Autolobby diesen Vorschlag diktiert, die still und heimlich doch noch am Verbrenner hängt?“, wie die Süddeutsche Zeitung unterschwellig mit Verweis auf Sportwagen-Kontakte zwischen FDP-Chef Christian Lindner und Porsche-Chef Oliver Blume sowie auf  kryptischen Äußerungen von Verbandspräsidentin Hildegard Müller unterstellt? 

Der Widerstands-Front gegen das Brüsseler Verbrenner-Aus hat zwei Hauptursachen:

Da die Wertschöpfung eines Elektroautos nach Expertenmeinung nur noch 60-70 Prozent eines normalen Verbrennerautos beträgt, und davon auch noch ein Gutteil der Batterie zuzurechnen ist, die heute noch aus dem den fernen Osten bezogen wird, stehen allein in Deutschland direkt bis zu 250.000 – 300.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. In der Folgewirkung kann sich diese Zahl, über alles gerechnet, leicht verdoppeln. 

  • Vergleichsweise gute statische Daten liefern die Beschäftigten Statistiken der meisten Länder. Danach hängen laut Statistischem Bundesamt in den EU Mitgliedsländern direkt – Stand 2019 – zwischen 6 bis zu 16 Prozent aller Arbeitsplätze in den „Front-Staaten“ von der Produktion von Verbrennerautos ab. Rechnet man den üblicherweise geringeren Industrialisierunggrad der in der Mehrzahl Ostblock-Staaten hinzu, so dürften inklusive indirekter Beschäftigung einzelne Volkswirtschaften bis zu einem Viertel am Verbrennerauto hängen. Auch wenn in Tschechien und Ungarn Werke für E-Autos in der Konzernplanung der Unternehmens-Mütter als Ausgleich verankert sind (z.B. Skoda, oder Audi),  ist eine Wertschöpfungs-Kompensation in diesen Ländern nicht in Sicht. Selbst Rumänien hätte per Saldo Beschäftigungsverluste beim Verbrenner-Aus zu befürchten, obwohl der Renault Konzern seine gesamte Verbrenner-Produktion nach 2035 dort konzentrieren wollte. 

Alle Front-Staaten befürchten für ihre Volkswirtschaften einen Rückfall auf einen früheren Entwicklung- und Einkommensstand.  Das gilt im Übrigen auch für Italien und Deutschland.

  • Auffallend ist, dass sich Proteste vor allem auf die kleineren EU-Staaten im Osten konzentrieren, selbst dort, wo es wenig bis kaum Autoindustrien gibt. Der Grund dafür ist einfach: Der Fuhrpark der Bevölkerung dort besteht in der Regel aus preiswerten, auch gebrauchten Verbrennerautos, die „man sich leisten kann“.  Der Wegfall von Verbrennerautos erzwingt nach 2035  als Alternative – der ÖPNV ist im Osten noch spärlicher unterwegs als im Westen –  die Anschaffung erheblich teurer, sowie kleinerer  Elektroautos. Es hat sich inzwischen rumgesprochen, dass es billige Elektroautos for eyerbody nach 2035 als Neuwagen nicht mehr gibt. Allenthalben, im Westen wie im Osten, droht die „Kubanisierung“, d.h. die vorhandene Verbrennerflotte wird ad Infinitum weiter betrieben, Automuseen müssen unter Sonderbewachung gestellt werden.

Verständlich, dass die Regierungen der kleineren Staaten ihren Bevölkerungen die Freiheit der Mobilität durch Brüsseler Beschluss nicht schon wieder entziehen will,  kaum, dass diese sich daran gewöhnt haben.

Die zweite Frage ist, ob Volker Wissing mit seinem Vorsprechen recht hatte. Oder ob er, wie ihm seien Kritiker vorwerfen „ein Klimablockierer“ ist (siehe Bild am Schluß). Letzteres ist er nicht, im Gegenteil. Und recht hatte er aus folgenden objektiven wie ökonomisch/rationalen Gründen:

  • Zum einen war im EU Gesetzgebungs-Prozess zum Verbrenner-Aus für das Jahr 2026 eine nochmalige Überprüfung des Aus-Beschluss vorgesehen, auch im Hinblick darauf, ob und in welchem Umfang e-Fuels bis dahin auf dem Markt zur Verfügung stehen.  Die EU Kommission hat diesen Beschluss übergangen, der Abbruch des Verfahrens war objektiv juristisch rechtens. Es geht also um Vertragstreue.
  • Auch dürfte beim FDP-Minister der Hintergedanke eine Rolle gespielt haben, wenn der „grüne“ Kollege Wirtschaftsminister es schafft, binnen sechs Monaten funktionsfähige Erdgas-Anlandeterminals aus dem See Boden zu stampfen, es auch möglich sein müsste, Logistik-Ketten für e-Fuels in mehreren Jahren aufzubauen, zumal die Tankinfrastruktur bereits vorhanden ist.
  • Es geht auch um Vertragstreue nach Innen, wenn die FDP sich erlaubt , auf einer keineswegs klimaschädlichen Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag zu bestehen Sie pocht auf Vertragstreue. Der Spiegel weist daraufhin, dass in den damaligen Koalitionsverhandlungen SPD und Grüne die künftige Bundesregierung darauf verpflichten wollten,  den Vorschlag der EU-Kommission zu unterstützen, für 2035 ein uneingeschränktes Verbrenner-Aus zu beschließen. Die FDP habe allerdings  damals zur Bedingung gemacht, das im Koalitionsvertrag auch fixiert wurde: dass die Bundesregierung vorher bei der EU-Kommission eine Ausnahme erwirken soll, wonach Verbrenner-Motoren weiter verbaut werden dürfen, wenn sie mit CO2-neutralen Treibstoffen fahren, sogenannten E-Fuels. Ihr Argument: Nicht der Motor schadet dem Klima, das Verbrennen des Treibstoffes tut es. „Wenn sich also das Problem des Treibstoffes in technologisch und industriellem Maßstab lösen ließe, wäre der Motors keines mehr. So kann man das sehen, SPD und Grüne ließen sich darauf ein. Mit den E-Fuels wird bei Flugzeugen und Schiffen ja auch fest geplant“ (Spiegel).

Der Widerstand gegen das Verbrenner-Aus ist aber nicht nur rechtens sondern er ist auch ein Gebot des Vernunft.

  • Die Kritik am Verbrennermotor entspricht der gleichen irrigen Denkart, wie sie vor 500 Jahren zu Luthers Zeiten die Bilderstürmer frönten: Damals wollte man die katholische Kirche/Religion auslöschen –  und hat Bilder und Kirchenkunst zerdeppert. Heute will man die fossilen Treibstoffe Benzin und Diesel treffen – und verbietet den Verbrennungs-Motor. Im Analogieschluss wäre das das Gleiche, als wenn Karl Lauterbach feststellte, Kaffee ist magenschädlich fürs Volk! Und forderte das Verbot von Kaffeemaschinen.
  • Was bisher von der Politik und den Elekto-indoktrinierten Medien tunlichst verschwiegen wurde, ist schlicht weg der Umstand, dass jedes Elektroauto, so es wie heute in Deutschland unvermeidlich total mit Kohlestrom betrieben werden muss, umweltschädlicher ist als jedes Verbennerauto. – Wobei die Emissionswerte der Verbrennerflotte von 48 Millionen Autos sich laut Kraftfahrzeugbundesamt (KBA) fortlaufend im Zuge der Verjüngung erheblich verbessern.
  • Diese Diskrepanz zwischen Wunsch und harter Wirklichkeit ist wissenschaftlich bis zum Ermüden bewiesen, blieb aber bisher ohne jegliche Resonanz in Umweltpolitik und Medien. Damit ergibt sich in Deutschland auf nicht absehbare Zeit folgendes Paradoxon: Je mehr Elektroautos (staatlich gefördert) in den Verkehr kommen und Verbrennerautos ersetzen, desto stärker steigt die CO2-Emmissions Deutschlands an! 

Wer also guten Glaubens und volle Umwelt-Inbrunst sein Verbrennerautos verschrottet (oder exportiert) und durch ein Elektroauto ersetzt, verschlechtert die globale Klimabilanz Deutschlands! 

Goethes Faust hätte an dieser Verdrehung des Wollens seine diabolische Freude: „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft.“

Auflösen wird sich dieses Paradoxon erst, wenn es der Bundesregierung gelingt, für den klimafreundlichen Betrieb von Elektroautos ausreichend „sauberen“ Strom zur Verfügung zu stellen. Dann wäre der Zeitpunkt gekommen, ein Verbrenner-Aus zu beschließen. Bis es soweit ist, brauchen wir ein „Verbrenner-Aus-Moratorium“!

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