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Elon Musk elektrisiert mit Tesla die deutsche Politik

Die größte Batteriefabrik der Welt soll das Tesla-Werk in Grünheide werden. Dem gigantischen Aktienkurs stehen immer noch keine Gewinne gegenüber. Da kann Giga-Unternehmer Elon Musk die Fördermilliarden der deutschen Regierung gut gebrauchen.

Elon Musk

imago images / ZUMA Wire

Würde ein Kandidat mit abendländischem Bildungshintergrund in einer Ratesendung auf dem Weg zum Millionär gefragt, wer denn der Erfinder war von:  Ersatz von gewöhnlichen Zahlungsvorgängen mit Kurieren, Papier, Münzen oder Gold,  unsichtbar durch Luftbuchungen auf Knopfdruck hin; Beförderung von Metallzylindern ins Weltall zum Mond oder Mars und sichere Rückkehr derselben; Fahren in der Kutsche ohne Pferde und Kutscher, angetrieben bloß durch Energie aus kleinen Metallkästen; Reisen in Röhren unter der Erde mit nicht vorstellbarer  Geschwindigkeit? War es Leonardo da Vinci oder Jules Verne?

Beides ist falsch! Es war Elon Musk, der Erfinder der Elektroautos Tesla. Ohne Musk und ohne staatliche Androhung hoher und steigender Strafzahlungen für nicht eingehaltene CO2-Abgasverbesserungen bei der alteingesessenen Verbrenner-Autoindustrie – allen voran die deutschen Nobelhersteller – gäbe es das Auto-Greenhorn Tesla nicht (mehr). Es gäbe weder verkehrstaugliche, klimafreundliche Elektroautos auf Batteriebasis, wie zum Beispiel den Tesla X oder S oder das Model 3 oder Y, noch gäbe es die Trägerrakete Falcon 9 für die Satelliten des Kommunikationszeitalters oder das Raumschiff Dragon als Model-3-Fähre für die Vision einer Mission zum Mars, noch den Super-Loop für die schnelle Fahrt durch die Röhre.

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Ohne Musk würde dem wirtschaftlichen Wettbewerb und der Welt etwas fehlen. Denn dann wären vermutlich die deutschen Autohersteller nicht mittlerweile Europameister in Sachen Elektromobilität geworden, sondern würden sich nach wie vor auf die Maximierung der Zahl der Airbags und der PS-Leistung konzentrieren. Und dann würde in Brandenburg im Grünen nicht der Welt größte Fabrik für Elektroautos der Marke Tesla entstehen, so wie Elon Musk es im Herbst 2019 in Berlin bei der Verleihung des „Goldenen Lenkrads“ der völlig überraschten deutschen Öffentlichkeit und Automobilindustrie nebenbei angekündigt hat – quasi en passant. Kuriosität am Rande: Gerade Musk ist es, der das Auto mit Lenkrad generell abschaffen und durch Roboterautos ersetzen will.

Elon Musk ist im wahrsten Wortsinn eine schwer fassbare Persönlichkeit. Gleichermaßen Kind des Elektronikzeitalters wie des Turbokapitalismus. Er ist ebenso genialer Erfinder und technologischer Visionär wie da Vinci und Jules Verne, und gleichzeitig auch begnadeter Finanz-Alchemist, der weiß, wie Kapitalismus funktioniert. Und ein grandioser Meister der „Echtzeit-Kommunikation“ (Gabor Steingart) dazu. Niemandem aus der Wirtschaft außer eben Musk ist es zuvor gelungen, Menschen dazu zu bringen, ihn mit ihren Aktien-Investitionen an der Börse zum inzwischen zweitreichsten Mann der Welt zu machen, während seine Firma für reine Batterie-Elektroautos in 17 Jahren seit Gründung in Paolo Alto 2003 ununterbrochen mit der schnöden Geschäftstätigkeit der Produktion und des Verkaufs von Automobilen nur Verluste gemacht hat.

Teslas Aktienkurs stieg in den vergangenen zwölf Monaten um 664,2 Prozent, allein in der vergangenen Woche legte er um 33,6 Prozent zu. Mit einem Börsenwert von 526,45 Milliarden US-Dollar (442,67 Milliarden Euro) ist der Konzern der mit Abstand am höchsten gehandelte Autohersteller der Welt; wertvoller als BMW (47,95 Milliarden Euro), Daimler (59,4 Milliarden Euro), General Motors (52,02 Milliarden Euro), Fiat Chrysler (20,28 Milliarden Euro) und VW (79,08 Milliarden Euro) zusammen. Nach neueren Studien von Finanzdienstleistern soll die Tesla Aktie innerhalb des nächsten Jahres auf 560 Dollar steigen, in einem optimistischen Szenario sogar auf 1000 Dollar. Das würde dann einem Börsenwert von knapp unter einer Billion Dollar entsprechen.

Und das alles, obwohl Tesla gerade mal knapp 500.000 Autos baut, verglichen mit den 10 Millionen von VW oder den 5 Millionen in Summe von BMW und Daimler, den Anführern der Hochkultur im internationalen Automobilbau. 

Und genau dieser Elon Musk wagt sich mit seinem Elektroauto in die „Höhle des automobilen Verbrenner-Löwen“, dort wo der Wettbewerb am härtesten und die Qualitätsansprüche des Publikums an ein Auto am höchsten sind: nach Deutschland. Eine Herausforderung für die Platzhirsche! Im Herbst 2019 verkündete er in Berlin bei der Verleihung des „Goldenen Lenkrades“ einer völlig überraschten Öffentlichkeit und Automobilindustrie den Bau einer Giga- Automobilfabrik in Brandenburg im märkischen Grünheide. Diese soll in Rekordbauzeit bereits Mitte 2021 die Arbeit aufnehmen. Eine gültige Gesamt-Baugenehmigung dafür steht allerdings bis jetzt, ein halbes Jahr vor Eröffnung, noch aus.

Die Tesla „Gigafactory“ Berlin-Brandenburg (auch Giga Berlin und Gigafactory 4 genannt), ist das erste Tesla-Werk in Europa. Baustart war im ersten Quartal 2020, im Juli 2021 soll bereits die Produktion aufgenommen werden. Tesla will in Grünheide in der ersten Ausbaustufe jährlich rund 500.000 Model 3 und Model Y – einen neuen Elektro-SUV – bauen. Tesla rechnet mit Errichtungskosten von 1,065 Milliarden Euro. Ab Juli 2021 sollen bis zu 12.000 Beschäftigte im Dreischichtbetrieb  die Arbeit aufnehmen.

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Aber Musk ist immer wieder für eine Überraschung gut. Am Dienstag dieser Woche kündigte er in einem per Video aus USA zugeschalteten Auftritt bei einer von Minister Altmaier initiierten Konferenz der europäischen Batteriewirtschaft (Berlin) an, die Gigafactory 4 in Grünheide zur weltgrößten Batteriefabrik auszubauen. Das Tesla-Werk in Grünheide soll nicht nur Autos bauen, sondern künftig auch Batterien für Autos und als weltgrößte Batteriefabrik über eine Gesamtleistung in der Endstufe von 250 Gigawatt (GWh) verfügen. Wirklich giga! 

Laut Musk sollen die umweltfreundlicheren, günstigeren und stärkeren Batterien in der Gigafactory 4 gefertigt werden, nicht in Nevada oder Shanghai, wo Musk ebenfalls Fabriken betreibt. Tesla braucht große Akku-Pakete unter anderem für einen Elektro-Sattelschlepper, der gerade für den Marktstart vorbereitet wird, sowie für den künftigen Pickup namens Cybertruck. Darüber hinaus stellt Musk bei seinem Auftritt nebenbei auch noch neue Kompakt-Modelle speziell für den europäischen Markt und längere Reichweiten als bisher in Aussicht;  bereits im September hatte er nur noch halb so teure Batterien und ein Elektroauto für 25.000 Dollar für die nächsten drei Jahre angekündigt.

Alles, was Musk anpackt, ist „giga“. Die Kapazität des Neue Batteriefabrik soll am Anfang 100 GWH/a, im Endaubau sogar 250 GWh/a betragen; Das ist das sechsfache der Tesla Giga-Batteriefabrik in Nevada (39 GWh/a). Gigafactory 4 übersteigt die bisherige Gesamtkapazität der Welt, die derzeit im wesentlichen von der Batteriezellen-Produktion chinesischer, japanischer und südkoreanischer Firmen dominiert wird; Europa spielt bisher praktisch keine Rolle. Er sei „ziemlich zuversichtlich, dass es die größte Batteriefabrik der Welt werden würde“, sagte Musk zu seinen Plänen. 

Diesmal überraschte Musk mit seiner Ankündigung nicht nur Wirtschaft und Öffentlichkeit, sondern auch die deutsche Politik. Ein Grund für seine Standortwahl in Deutschland dürften die Fördermilliarden durch das Bundeswirtschaftsministerium sein. Minister Altmaier zeigte sich sichtlich erfreut, sein Ministerium hatte ohnehin im Vorfeld der Konferenz Fördermittel für eine europäische Batteriezellenproduktion für Elektroautos von knapp drei Milliarden Euro in Aussicht gestellt, Mittel die Musk angesichts der anhaltenden Verlustsituation seines Unternehmens gut gebrauchen kann – völlig losgelöst von temporär unbezahlten Wasserrechnungen in Grünheide.

Sogar die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, sprach von einer „starken Nachricht“ für den Automobilstandort Deutschland“. Durch die Förderung von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) entstehe die größte Batteriefabrik der Welt. „Wir begrüßen das Vorhaben, die umweltfreundlichsten Batteriezellen in Deutschland herzustellen. Dadurch entstehen 10.000 Arbeitsplätze.“

Die Zukunft von Elon Musk und Tesla wird indessen trotz staatlichem Fördergeld nicht einfach. Man kann nur hoffen, dass der zweitreichste Mann der Welt bei guter Gesundheit bleibt und vor allem die Märkte bei seinen „Blütenträumen“ auch mitspielen. Denn

  • die 500.000 Elektroautos p.a. der gehobenen Preisklasse aus der Gigafactory 4 wollen schließlich verkauft sein, das Zehnfache dessen was zurzeit am deutschen Markt trotz Sonderfaktor Marktzutritt VW ID.3 und Kaufprämien von 9.000 Euro mühsam abgesetzt werden kann. 
  • der Kampf um die E-Ladepunkte wird mit jedem verkauften Elektroauto größer. Auch im Exklusivnetz von Tesla. Laut VDA müssten jede Woche 15.000 Ladepunkte installiert werden, sollen bis 2030 zwischen 5,4 und 8,7 Millionen private Ladepunkte für dann erwartete Bestand an E- Autos von 14,8 Millionen vorhanden sein. 
  • leichter verkaufen sich Plug-In-Hybride (PHEV), über die Tesla aber nicht verfügt, wohl aber die deutschen Hersteller. Und weitere 150 neue Elektro Modelle deutscher Provenienz, überwiegend PHEVs, stehen bis Ende 2021 in den Startlöchern. 
  • abgesehen vom Ungemach fehlender behördlicher Baugenehmigungen für Giga 4 oder bislang völligem Fehlen von Bauanträgen für die Giga-Batteriefabrik, kommt für Elon Musk und sein Paradepferd Tesla erschwerend hinzu, dass Tesla in Zukunft immer stärker mit richtigem Wettbewerb in Europa konfrontiert sein wird. Den gab es bisher noch nicht. – Auf das Ergebnis dieses Rennens darf man gespannt sein.
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