Tichys Einblick
Google, Facebook, Amazon & Co: 

Die überschätzte Macht der Monopole

Täglich wird vor der Macht von großen Monopolen gewarnt – und manche Sorgen sind berechtigt. Aber ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Dauerhaftigkeit von Monopolen immer überschätzt wurde.

IMAGO/Hans Lucas

Unternehmen wie Google, Amazon, Facebook, Microsoft und Apple sind weltweit zu Feindbildern geworden. Das Paradoxe: Fast jeder nutzt sie, aber kaum einer mag sie. Manche Sorgen sind berechtigt, vor allem über die politische Einseitigkeit von Unternehmen wie Facebook. Aber was die meisten Kritiker, die stärkere staatliche Regulierung oder eine Zerschlagung von Monopolen fordern, übersehen, ist die Tatsache, dass Monopole in der Regel weitaus weniger beständig sind, als die Menschen glauben.

Eine Analyse der Presseberichterstattung von Dirk Auer und Nicolas Pitt
belegt, dass die Berichterstattung in den Medien über Monopole meist sehr negativ ist und dass über die Entstehung von Monopolen viel ausführlicher und häufiger berichtet wird als über das Ende von Monopolen. Die Dauerhaftigkeit von Monopolen werde in der Presseberichterstattung weit überschätzt, so die Analyse.

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Die Tendenz zur Monopolbildung ist eines der ältesten Argumente gegen den Kapitalismus. Die freie Konkurrenz zerstöre sich selbst, und am Ende dieses Prozesses der Konzentration und Zentralisation des Kapitals stünden einige wenige Monopole, die die Wirtschaft beherrschten, so lautet die These. Lenin hat diesen Prozess schon in seiner 1917 erschienenen Schrift „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ dargestellt, wo es heißt: „Diese Verwandlung der Konkurrenz in das Monopol ist eine der wichtigsten Erscheinungen – wenn nicht die wichtigste – in der Ökonomik des modernen Kapitalismus.“

Der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe zeigt, dass hier Tendenzen in bestimmten, besonders kapitalintensiven Bereichen wie etwa der Schwerindustrie verallgemeinert und auf die Zukunft hochgerechnet wurden. Von den großen Unternehmen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dominierten und die Referenz für solche Prognosen von der Dominanz der Monopole abgaben, ist heute kaum eines übrig geblieben.

Myspace

Doch man muss gar nicht so weit in die Geschichte zurückgehen, um zu zeigen, wie sehr die Dauerhaftigkeit von Monopolen überschätzt wurde. Ryan Bourne gibt in seinem Beitrag „Is This Time Different? Schumpeter, the Tech Giants, and Monopoly Fatalism“ zahlreiche Beispiele aus der jüngeren Zeit. Das Unternehmen Myspace wurde 2003 gegründet. Das soziale Netzwerk gewann sehr rasch Follower. Schon im Juni 2006 war Myspace die Seite mit den meisten Aufrufen in den USA, mehr als Google. 2007 fragte die führende linke britische Tageszeitung “Guardian”: “Will Mayspace ever lose its Monopoly?”

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Anfang 2008 hatte Myspace einen Marktanteil von 74,4 Prozent bei sozialen Netzwerken und im Dezember 2008 hatte sie 75,9 Millionen Besucher in den USA. Aber nur ein halbes Jahr später überholte Facebook das Unternehmen Myspace in den USA und der Marktanteil fiel bis Ende 2009 auf nur noch 30 Prozent. Im März 2019 wurde bekannt, dass MySpace alle Fotos, Videos und Audiodateien verloren hat, die in den Jahren 2003 bis 2016 hochgeladen wurden. Ursache war nach Angaben des Unternehmens ein missglückter Serverumzug. Heute spielt Myspace kaum noch eine Rolle. Bourne folgert: „Importantly, the Myspace history shows that the very network effects that lead to massive growth can also lead to a rapid demise when a superior product comes along.”
Nokia

Im November 2008 brachte Forbes eine große Story über den Mobiltelefon-Hersteller Nokia. Die Headline auf der Titelseite des Magazins lautete: „One Billion Customers – Can Anyone Catch the Cell Phone King?“ Nachdem Nokia durchgehend von 1998 bis 2011 weltgrößter Mobiltelefonhersteller gewesen war, wurde die Firma im ersten Quartal 2012 von Samsung mit einem geschätzten Marktanteil von 25,4 % abgelöst; Nokia hatte noch 22,5 % und Apple 9,5 % Marktanteil. Der Marktanteil sank damit seit 2008 um mehr als ein Drittel. Nokia hatte zwar in den 90er Jahren das erste Smartphone entwickelt, „but it did not forsee the importance of apps to the appeal of the phone until it was too late“. 2013 kaufte Microsoft Nokia, das zu diesem Zeitpunkt nur noch einen weltweiten Marktanteil von drei Prozent hatte.

Monopole weniger dauerhaft als vermutet

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Das sind nur zwei von vielen Beispielen dafür, dass Unternehmen, die uns heute als sehr mächtige Monopolisten erscheinen, oft schon wenige Jahre später ihre dominierende Rolle verlieren. Kodak hatte 1976 noch einen Marktanteil von über 90 Prozent im US-Markt für Filme und 85 Prozent im amerikanischen Kameramarkt. Kodak verschlief jedoch den Trend zur Digitalkamera und heute dominieren leistungsstarke Kameras in Smartphones. 2012 stellte das Unternehmen einen Insolvenzantrag und versuchte sich später in anderen Geschäftsfeldern. Kodak ist ein Beispiel dafür, dass manche Unternehmen sehr lange eine Monopolstellung innehaben können – doch für die allermeisten trifft das nicht zu, wie die Geschichte von MySpace und Nokia zeigt.

Unternehmen wie Google, Facebook, Amazon und Apple erscheinen heute allmächtig – so wie frühere Monopolisten auch. Doch die Geschichte lehrt uns, dass Monopole in den meisten Fällen weit weniger beständig sind, als die Menschen zu dem Zeitpunkt glauben, als sie den Höhepunkt ihrer Macht hatten. Und bei jedem Mal erzählen uns die Kritiker: Dieses Mal sei alles ganz anders und diesmal werde das Monopol von Dauer sein, wenn der Staat nicht eingreife.

Was mich bei der Kritik von Antikapitalisten an Monopolen stets am meisten gewundert hat: Gerade sie treten doch oft für Verstaatlichungen ein, obwohl das Staatsmonopol das ist, was am dauerhaftesten und am wenigsten angreifbar ist. Der Feind des Monopols ist nicht der Sozialismus, sondern der Kapitalismus. Der Ökonom Josef Schumpeter schrieb schon 1942 in seinem Buch „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“, ein Monopol könne „unter den Bedingungen eines intakten Kapitalismus kaum während einer genügend langen Zeitdauer bestehen, um für die Analyse der Gesamtproduktion wichtig zu werden -, es sei denn, sie wird, wie zum Beispiel im Falle von fiskalischen Monopolen, durch staatliche Behörden gestützt.“



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