Tichys Einblick
Interview mit Gastronom und Unternehmer

„Die Gastronomie wird ein großes Sterben erleben“

Axel Schönfelder besitzt mehrere Firmen, denen es insgesamt gut geht, und ein Restaurant. Er hält die politische Strategie nicht für nachhaltig und warnt vor Schwarz-Weiß-Denken. 

Axel Schönfelder (Mitte) in seinem Restaurant "Elements of Taste" in Bonn

Der 56jährige Unternehmer Axel Schönfelder braucht kein Wachstum mehr. Er ist „reich“ genug, sagt er und schenkt den Mitarbeitern seiner Sportartikelfirma sk8te4u deswegen ab dem 1.Januar 2021 Zeit. 20 Stunden jeden Monat. Solange er es sich leisten kann, soll das Geschenk unbefristet sein. Schönfelder ist ein mittelständischer Unternehmer. Neben sk8te4u besitzt er auch eine Firma, die Holzprodukte herstellt, sowie einen auf Messen spezialisiertes Outdoor-Dienstleister und ein Restaurant. Die Pandemie trifft ihn wie fast jeden anderen deutschen Unternehmer, die Auswirkungen sind jedoch „unterschiedlich“. Einige Betriebe musste er bereits schließen.

Sorgen macht er sich nicht nur um seinen Schaden, sondern vor allem um seine Mitarbeiter, „die wirtschaftlich nicht in einer so komfortablen Situation sind“ wie er: „Der Burnout bei jungen Menschen ist keine Übertreibung. Die Geschwindigkeit des Fortschritts gepaart mit dieser Pandemie ist für unser Gehirn kaum noch zu verarbeiten“, sagt er. Er glaubt, dass die Regierung nicht genug in das Intensivbetten-Personal investiert hat, hält den zweiten Lockdown für falsch eingeleitet und Verschwörungstheorien für gefährlich, auch wenn er sich damit auseinandersetzt: „Es ist nicht alles schwarz und weiß. Wir müssen wieder diskutieren lernen“, sagt er im Interview mit TE.

TE: Was haben Sie beim ersten Lockdown im Frühjahr gemacht? 

Schönfelder: Nachgedacht und „Zeit“ gehabt. Natürlich musste ich vieles umstellen innerhalb der Firmen, aber ich empfand die vier Wochen nicht als so einschränkend wie viele andere Menschen.

Wie wurden Sie getroffen und wie haben Sie sich angepasst? 

Interview mit Gastronom und Unternehmer
Ich musste zwei Firmen schließen, aber in der Gastronomie und auch auf meiner Burg haben wir an Bedürftige ca. 12.000 Essen verteilt, die meine Restaurant-Küche gekocht hatte. Die „Tafeln“ hatten ja geschlossen und somit war es für mich selbstverständlich zu helfen. Das Kurzarbeitergeld allein reicht bei der Gastronomie nicht, somit haben wir den Lieferservice ins Leben gerufen, welcher nicht im Ansatz die Kosten deckt, aber meine Mitarbeiter letztendlich in Arbeit hält, um nicht in Gänze frustriert und demotiviert zu Hause zu sitzen. Finanziell macht das keinen Sinn. Es war ein harter Schlag zu erfahren, dass wir bei der Gastronomie keinerlei staatliche Hilfe bekommen, da es sich um ein „verbundenes Unternehmen“ handelt.

Wie hat sich der aktuelle Lockdown auf Ihr Geschäft ausgewirkt? 

Unterschiedlich. Zwei meiner Firmen musste ich ganz schließen, da sämtliche Messen abgesagt wurden und die Gastronomie ebenso geschlossen wurde. Bei der Sk8te4u hingegen hatten wir enorme Umsatzzuwächse, ebenso im B2C („Business to Consumer“) schnellten die Umsätze nach oben. Deswegen haben wir uns entschlossen, ab dem 1. Januar 2021 auf eine 35 Stunden-Woche bei gleichem Gehalt zu gehen und im April/Mai 2021 wollen wir dann auf die 30 Stunden-Woche umschalten. Der Zeitpunkt hängt allerdings von den finalen Optimierungsmaßnahmen ab, die jetzt die nächsten Monate anstehen. 

Dank der guten Lage bei Sk8te4u konnte entspannt zwischen den Firmen quer subventioniert werden. Die allgemeine Situation ist deswegen sehr zufriedenstellend, wenn es auch gleich schöner wäre, alle Unternehmen wieder in den „Alltag“ zu führen. 

Glauben Sie, dass Deutschland richtig reagiert in dieser Pandemie?

Interview mit Gastronom und Unternehmer
Eine sehr schwierige Frage, die sich so einfach nicht beantworten lässt. Ich habe jedoch für mich eine differenzierte Sichtweise. Die Politik hat beim ersten Lockdown einen guten Job gemacht, dann aber einfach nicht die Gelegenheit genutzt, das Gesundheitswesen zu reformieren. Es sind genügend Intensivbettenkapazitäten da, aber das Personal fehlt, diese zu betreuen, weil man sich entschieden hat, Krankenhäuser dem Markt freizugeben. Das ist falsch. Krankenhäuser dürfen nicht kostenreduziert und gewinnoptimierend arbeiten. Wir wären nie in einen zweiten Lockdown gekommen, wäre diese Privatisierung nicht gekommen.

Des Weiteren sollte die Politik leiser agieren. Tägliches Glaskugel Gucken führt zur Unglaubwürdigkeit. Und Aussagen, die sich als unwahr herausstellen, führen nicht zu Vertrauen. Ebenso sind die Sichtweisen der Inzidenzwerte und die Herangehensweisen von Virologen, Werte zu interpretieren, nicht hilfreich. Wir müssen „mit“ dem Virus leben, nicht „gegen“ ihn.

Ebenso wurde am 28.10. viel zu zögerlich reagiert und man hat wertvolle Zeit verschenkt, weil die gleiche Herangehensweise eines gescheiterten „Lockdown Lights“ weiter durchgezogen wurde. Ein großer Fehler! Auch fehlt mir die Nachhaltigkeit der eingeleitenden Maßnahmen. Manchmal sieht es leider sehr nach Aktionismus aus, der darin begründet ist, dass das Impfen der Heilsbringer sein soll, dem ich jedoch sehr skeptisch gegenüberstehe.

Haben Sie selber Angst? 

Ein klares „NEIN“.

Wie sehen Sie das kommende Jahr? 

Wir werden bis in den April hinein Einschränkungen haben und von Normalität werden wir erst wieder frühestens im Sommer sprechen können.

Wie sehen Sie insgesamt die deutsche Gastronomie nach diesem Jahr? 

Unabhängig von dem großzügigen Versprechen der Regierung am 28.10., sämtlichen zwangsgeschlossenen Betrieben vorschnell 75 Prozent Entschädigung zuzugestehen, die bis heute noch nicht angekommen sind, wird die Gastronomie dennoch ein großes Sterben erleben. An einen normalen Betrieb ohne die 30-prozentige Sitzplatzreduzierung ist im ersten Halbjahr nicht zu denken. Eine Eröffnung vor März ebenso nicht. Aber es werden neue Inhaber kommen und somit wird sich auf lange Sicht nichts ändern, die Gastronomie wird weiterleben

Dass die Regierung jedoch nicht wusste, dass hier das „EU-Beihilferecht“ greift, ist mir unerklärlich. Für mich erklärt das im Übrigen die Verspätungen der Zahlungen. Es ist unverständlich, dass verbundene Gastronomiebetriebe keine Hilfe bekommen, aber Starbucks, McDonalds, Burger King etc., die keine Steuern in Deutschland zahlen, diese in Anspruch nehmen können. Dass hier nicht das „Gleichstellungsgesetz“ Anwendung findet, ist mir unerklärlich und nicht in Ordnung.

Wie kann ein Gastronom in dieser Lage überleben? 

Ohne sich neu zu verschulden – trotz Hilfe – werden rund 50 Prozent der Gastronomie nicht überleben. Schulden müssen bezahlt werden. Für mich gibt es dennoch eine Chance, die Gastronomie ebenso zu reformieren. Der Staat sollte bei den sieben Prozent Mehrwertsteuer bleiben. Eine Rückkehr zu 19 Prozent wäre dagegen fatal für die Gastronomie.

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