Tichys Einblick
EZB-Chefin will mehr für das Klima tun

Christine Lagarde: Klimaschutz als Argument für expansive Geldpolitik?

Die EZB soll nach dem Willen von Christine Lagarde das Klima schützen. Das forderte die EZB-Chefin am Donnerstag erneut. Dem vorausgegangen war eine Aktion von Greenpeace. Von Elias Huber

"Stop funding climate killers" steht auf einem Plakat, das Greenpeace-Aktivisten auf dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB) entrollt haben. Dazu waren am 10.03.2021 zwei Aktivisten mit Gleitschirmen auf dem schwer gesicherten Areal gelandet.

picture alliance/dpa | Boris Roessler

Geht es nach Christine Lagarde, soll sich die EZB nicht nur um Geldwertstabilität kümmern, sondern auch das Klima schützen. Das bekräftigte die EZB-Chefin am Donnerstag erneut auf einer Pressekonferenz der Notenbank. Mit Bezug auf den Slogan “climate change matters” (Klimaschutz ist wichtig) sagte Lagarde: “Das gilt selbstverständlich dafür, wie wir Sicherheiten bewerten. Das gilt dafür, wie wir Unternehmensanleihen bewerten unter der Berücksichtigung angemessener Risiken.”

Der Klimawandel sei “die größte Herausforderung, die an uns gerichtet ist”, betonte Lagarde. Die EZB müsse schauen, was sie für den Klimaschutz leisten könne, ohne ihr Mandat zu überdehnen. Gleichzeitig unterstrich die EZB-Chefin, dass Klimaschutz in erster Linie eine Aufgabe der EU-Mitgliedsstaaten sei. Dem vorausgegangen war die Journalisten-Frage, ob die EZB weiterhin den Klimaschutz bei ihren geldpolitischen Entscheidungen ausklammern werde, oder ob die Notenbank Unternehmensanleihen auf der Basis von CO2-Emissionen kaufen werde.

Eine Sprecherin der EZB teilte auf Nachfrage von Tichys Einblick mit, derzeit sei noch nicht entschieden, ob Klimaerwägungen bei geldpolitischen Entscheidungen zukünftig eine Rolle spielen werden. Das sei eines der Themen einer Strategieüberprüfung, die derzeit laufe und voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte abgeschlossen sei.

Am Mittwoch waren zwei Gleitschirmflieger auf dem Dach des EZB-Towers in Frankfurt und entrollten ein Banner mit dem Spruch “Stop funding climate killers”. Damit wollten die Greenpeace-Aktivisten auf die Regeln für Sicherheiten aufmerksam machen, die private Banken bei der EZB hinterlegen müssen, um Kredite zu erhalten. Diese begünstigten rund 60 Hersteller von fossilen Brennstoffen wie Shell, Total oder Repsol, argumentierte Greenpeace mit Verweis auf eine Studie.

Lagarde erklärte dazu, man sei “in vielerlei Hinsicht mit einigen Organisationen der Zivilgesellschaft auf der gleichen Seite”. Gleichwohl bedauere man das Vorgehen der Aktivisten, bei dem die Gesundheit und möglicherweise die Leben von Menschen gefährdet worden seien.

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Lagarde macht sich bereits seit Längerem für Klimaschutz stark. Laut NZZ sagte sie bereits zu ihrer Zeit als IMF-Chefin: “Wenn wir jetzt nichts gegen den Klimawandel unternehmen, werden wir in fünfzig Jahren getoastet, geröstet und grilliert.” Auch im Januar forderte sie in einer Rede, den Klimaschutz stärker ins Auge zu fassen. Extreme Wetterverhältnisse könnten Auswirkungen auf Produktion, Arbeitskräfte-Angebot und Preise haben und wirkten somit auf die Hauptaufgabe der Notenbank ein, Preisstabilität zu sichern, argumentierte sie damals.

Die Lösung von Lagarde ist aber offenbar nicht, die Leitzinsen zu erhöhen und weniger Geld auf die Märkte zu werfen. Stattdessen kündigte sie in ihrer Rede an, den Anteil der sogenannten Green Bonds im EZB-Portfolio von derzeit 3,5 Prozent erhöhen zu wollen – also offenbar noch mehr Geld aus dem Nichts zu schöpfen.
Zuletzt sind die Klimaschutz-Pläne einiger Notenbanker wie des Chefs der französischen Zentralbank allerdings ins Stocken geraten. Wie die Financial Times unter Berufung auf Mitglieder des EZB-Rats berichtete, lehnte es eine Mehrheit in dem Hauptentscheidungsgremium ab, Anleihen von Unternehmen mit geringen CO2-Emissionen bevorzugt aufzukaufen. Gleichwohl waren mehr Teilnehmer damit einverstanden, dass die EZB in ihren Modellrechnungen Klima-Risiken stärker berücksichtigt – etwa um einschätzen zu können, welche Unternehmen am härtesten von einer CO2-Steuer betroffen wären. Auf diese Verhandlungen spielte offenbar auch Lagarde am Donnerstag an.

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