Tichys Einblick
Wie zu DDR-Zeiten und davor

Berliner Mietendeckel: Es dampft schon, ehe er richtig drauf ist

Für Vermieter sendet das Preisdiktat eine klare Botschaft: Nichts mehr investieren, notfalls den Bestand auch verlottern lassen, bis der dirigistische Spuk vielleicht irgendwann mal wieder vorbei ist.

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„Vorwärts immer, rückwärts nimmer“. So hieß es bei bei DDR-Diktator Erich Honecker. Berlins Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Kathrin Lompscher möchte dagegen nun eine Kehrtwende: Zurück in die Vergangenheit, zu den Methoden des untergegangenen SED-Regimes. Die 57-jährige Linkenpolitikerin, mit 19 Jahren in die Staatspartei eingetreten, hat den „Mietendeckel“ durch das Berliner Abgeordnetenhaus gebracht. Für fünf Jahre sind Mieterhöhungen generell verboten – bei wenigen Ausnahmen. So juristisch umstritten wie der Beschluss, so unsinnig und schädlich ist er auch.

Im Ladenbüro des Berliner Haus- und Grundbesitzerverbandes in der Potsdamer Straße im Herzen der Stadt lag ein Formular in den vergangenen Tagen demonstrativ ganz vorn griffbereit: die Mieterhöhung. Der Vereinsvorsitzende hatte die Vermieter von Berliner Wohnungen aufgerufen, noch schnell vor dem Senatsbeschluss die gerade noch möglichen Mieterhöhungen abzuschicken, bevor der Mietendeckel in Kraft tritt. Denn die Senatorin hatte bereits angekündigt, dass der staatliche Preisstopp nicht erst mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2020 gelten soll, denn das Gesetz muss ja erst noch das Parlament durchlaufen (ja, so viel Rechtsstaat gibt es selbst in Berlin noch). Die Senatorin nannte den Aufruf des Vermieterverbandes einen Angriff auf den Frieden in der Stadt; jener konterte, die Attacke sei doch vom Senat ausgegangen.

Der Mietendeckel hat deutsche Tradition
Auferstanden in Ruinen
Unstrittig ist, dass es zu Preisexzessen am Berliner Wohnungsmarkt kommt. Kaltmieten von 25 bis 30 Euro pro Quadratmeter – das kannte diese Stadt bisher nicht. Und solche Preise werden nicht einmal nur in Toplagen wie mit Blick auf den Gendarmenmarkt verlangt. Aber es gibt auch das andere Ende des Spektrums. Immer noch sind etliche Altbauwohnungen für weniger als fünf Euro vermietet; auch in den gerade besonders beliebten Kiezen steht oft noch eine „3“ vorn. Es sind gerade die vielen privaten Kleinvermieter, die ein Mietshaus besitzen, gern auch aus jahrzehntelangem Familienbesitz. Sie drängen niemanden mit Luxusmodernisierungen heraus – dürfen nun aber die Miete nicht einmal von 4,20 auf 4,40 Euro erhöhen.

Der Mietspiegel, gerade erst von derselben Senatorin im Mai veröffentlicht, sollte eigentlich den Rahmen dafür bieten, wie weit Mieten in Berlin erhöht werden dürfen. Doch nun wird er faktisch außer Kraft gesetzt. Denn auch bei Neuvermietungen dürfen die Vermieter nicht mehr veranschlagen als schon im bisherigen Vertrag standen. Dabei hatte der im Mai vorgestellte Mietenspiegel 2019 ergeben, dass die Preise gegenüber der vorigen Ausgabe (2017) deutlich langsamer gestiegen waren als im Zeitraum 2015/2017. Das konnte nur zwei Gründe haben: Entweder hatte der Preisauftrieb seine natürliche Grenze erreicht, oder die vom Senat für das gesamte Land beschlossene Mietpreisbremse wirkt. Wozu also dann noch ein zusätzlicher Mietendeckel?

Auch Wohnungsmodernisierungen fallen unter das Verbot. Wer als Vermieter seine Wohnung auf den neuesten Stand bringen möchte, muss sich dies künftig vom zuständigen Bezirksamt genehmigen lassen, sofern die Miete um mehr als 50 Cent (warm) pro Quadratmeter steigen würde. Eine flächendeckende staatliche Investitionslenkung also. Dass in der überforderten Berliner Verwaltung das Personal für derlei Bürokratie nicht vorhanden ist, versteht sich von selbst.

Für Vermieter sendet das Preisdiktat eine klare Botschaft: Nichts mehr investieren, notfalls den Bestand auch verlottern lassen, bis der dirigistische Spuk vielleicht irgendwann mal wieder vorbei ist. Die Älteren kennen die Folgen einer niedrigen Mietobergrenze noch aus der DDR. Dort verkamen die Häuser, weil bei Mini-Mieten kein Geld für die Instandhaltung zusammen kam (na gut, das Material für die Sanierung hätte ohnehin gefehlt).

Deutsche Wohnen, VW & Co
Verhängnisvolle Appeasement-Politik von Unternehmen
Doch der Eingriff des Staates geht noch weiter. Es wird eine absolute Obergrenze eingeführt, auf die „bereits sehr hohe Mieten“ auf Antrag der Mieter abgesenkt werden müssen. Aber was heißt „zu hoch“? 10 Euro? 12 Euro? Oder 15? Und sind 12 Euro im Plattenbau in Marzahn (falls es diesen Preis dort tatsächlich gäbe) nicht anders zu bewerten als 12 Euro mit Blick auf den Gendarmenmarkt? Normalerweise gibt diese Antwort der Markt – wenn das Angebot ausreicht oder stagniert fällt der Preis. Wer will das nun ohne Markt wonach bemessen? Die politische Erfahrung lehrt: Am Ende korrespondiert der Mietpreis mit den Umfrageergebnisse der drei populistischen Regierungsparteien SPD, Grüne und Linke.

Selbst die Ausnahmen, die die Koalition großzügig zulässt, bringen keine Linderung und sind sogar skurril. Für Neubauten gilt der Deckel nicht. So sollen laut Senatorin Lompscher Investoren bei der Stange gehalten werden, um die in Berlin dringend benötigten Wohnungen zu bauen (denn das fehlende Angebot ist ja der wahre Grund für die steigenden Mieten). Aber welcher Bauherr möchte gern auf die Verlässlichkeit des rot-rot-grünen Senats vertrauen? Wer garantiert, dass eine Neubaumiete von – sagen wir – 14 Euro nicht in zwei Jahren als pseudo-kriminell und „zu hoch“ eingestuft und abgesenkt wird. Dann bricht die ganze Kalkulation des Bauträgers oder Anlegers zusammen.

Die zweite Ausnahme ist noch grotesker: Preisgebundene Wohnungen – also Sozialwohnungen – sind vom Deckel ausgenommen. Und das, obwohl die vor allem im Besitz der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften befindlichen Appartements teilweise längst Mieten von sechs oder sieben Euro kosten. Das skurrile Ergebnis: Die städtischen Unternehmen (zu DDR-Zeiten hießen sie KWV – Kommunale Wohnungsverwaltung) dürfen von sieben auf acht Euro erhöhen (sofern der Mietspiegel dies hergibt. Der private Vermieter im Nachbar-Altbau darf dagegen nicht von 4,20 auf 4,40 Euro steigern.

Das alles wirkt, als sei die DDR nie untergegangen: Der private Unternehmer wird als raffgieriger Verbrecher dargestellt, während der Staat die Bürger ausnimmt. Die Senatorin mit SED-Sozialisation stranguliert den Markt, statt sich um den Neubau von dringend benötigten Wohnungen zu kümmern. Denn mit der Attacke auf Vermieter und Investoren wird Kapital nicht in die Hauptstadt gelockt, sondern aus ihr verjagt. Kein Wunder also, dass die städtischen Gesellschaften bei ihren Sozialmietern abkassieren sollen: Sie bleiben als einzige Hoffnung für mehr Neubau, und dafür brauchen sie Geld.

Wobei zur Ehrlichkeit gehört: Als erste hatte nicht die Linkspartei Die Idee zum staatlich verhängten Preisstopp. Sie kam vom derzeit noch größeren Koalitionspartner SPD. Angesichts dieser intellektuellen Wirrung bedurfte es also gar keiner Zwangsvereinigung mehr wie in den Anfangsjahren der DDR.

Die Senatorin, ausgestattet mit dem Charme einer LPG-Traktoristin, hetzt nun die Mieter weiter auf, indem sie behauptet, auch Mieterhöhungen, die knapp vor dem Stichtag ausgesprochen wurden, seien nichtig. Im Straßenverkehr würde das bedeuten: Wer 100 Meter vor dem Ortsschild schneller als 50 fährt, wird auch geblitzt und abkassiert.

In einem Rechtsstaat ist das unmöglich, das gibt’s nur in einem Willkürregime. Gelernt ist halt gelernt.