Tichys Einblick
Elektroauto-Markt Deutschland Dezember 2021

Autobranche in der Krise: Nun schwächelt selbst der Markt für Elektroautos

Deutschlands Leitindustrie kommt nicht aus dem Tief. Nun stagniert sogar der politisch forcierte Markt für Elektro-Autos. Alle Hoffnungen, 2021 könnte es zu einer nachhaltigen Markterholung von den Schrecken des Corona Vorjahres kommen, haben sich damit als falsch erwiesen.

Die neue Regierung ist im Amt, die Ministerien für Verkehr und Umwelt sind besetzt, die beide als Eckpfeiler für den Umweltschutz und die große Wende in der Verkehrspolitik gelten, weg von den fossilen Verbrennermotoren, hin zur Elektromobilität. Aufmerksamen Lesern des Koalitionsvertrages fiel dabei auf, dass weder die Beendigung der Subventionierung von Dieselkraftstoff noch das Wort Verkehrswende im Vertragswerk vorkommen. 

Das weckt bei marktwirtschaftlich gesinnten Ökonomen die Hoffnung, dass die neue Bundesregierung in beiden, für das Wohl und Wehe der Branche zentralen Politikbereichen auf das Prinzip der Technologieoffenheit bei der Lösung des automobilen CO2-Klimaproblems eingeschwenkt ist. So wie es die Branche, an der Spitze Hildegard Müller vom Autoverband (VDA) und Oliver Zipse, Vorstandsvorsitzender von BMW, schon seit langem gefordert haben. 

Die Marktentwicklung könnte dafür Unterstützung liefern: 

  • Zum einen beginnt die Nachfrage neuen Elektroautos sich abzuschwächen, die Zuwächse gegenüber dem Vorjahr, die im Vorjahr noch im hohen dreistelligen Bereich lagen (z.B. November 2020: + 522,8 Prozent) werden von Monat zu Monat kleiner  
  • Zum anderen hat der VW-Konzern völlig unspektakulär eine Meldung aus dem Entwicklungsbereich veröffentlicht, wonach die Dieselmotoren des Konzerns künftig auch mit nicht fossilen Kraftstoffen gefahren werden können. Der Weg für bio- wie synthetische Kraftstoffe unterschiedlichster Zusammensetzung ist damit offen. – Dem aktuellen Absatz von Dieselfahrzeugen hilft das allerdings nichts: die Zulassungen von neuen Dieselautos gingen im November 2021 weiter um 55,7 Prozent zurück, ihr Marktanteil sank auf 15,8 vH; vor wenigen Jahren lag er noch bei rd. 50vH (zum Vergleich Benziner: – 43,6 Prozent; Marktanteil 33,3 vH). 
Stagnierender E-Auto Markt (Quelle KBA, VDA)

Trotz ungebrochen guter Nachfrage gingen die Neuzulassungen im November 2021 mit 198.300 Pkw um 32 Prozent zurück, im fünften Monat in Folge. 

Fehlende Halbleiter führten auch im November zu erneut historisch niedrigen Neuzulassungen, So wurden in den ersten elf Monaten nur 2,4 Mio. Pkw in Deutschland neu zugelassen (Tabelle), dem niedrigsten Monats –Zulassungsergebnis  seit der Wiedervereinigung. ). Der bisherige Tiefststand aus dem Vorjahr bereits damit um gut rd.8 Prozent unterschritten.

Alle Hoffnungen, 2021 könnte es zu einer nachhaltigen Markterholung von den Schrecken des Corona Vorjahres kommen, haben sich damit als falsch erwiesen.

Hauptgrund für die geringeren Zulassungszahlen ist weniger eine fehlende Nachfrage sondern die stark eingeschränkten Produktionsmöglichkeiten vor allem der deutschen Hersteller, die zuvor weltweit Vorbilder bei der Eliminierung von Zwischenlagern und in der Just-in-Time Produktionspolitik waren. Sie waren nun von der globalen Lieferkrise bei Halbleitern besonders betroffen; ausländische Marken gewannen Marktanteile dazu. 

Schmerzhafte und verlustreiche Produktionseinschränkungen waren und sind in der deutschen Autoindustrie über die gesamte Wertschöpfungskette weiterhin an der Tagesordnung. 

Optisch weiter stark im Trend sind E-Autos: Mit 40.270 neuen Batteriefahrzeugen (BEV) wurde das Vorjahresergebnis um 39,0 Prozent überschritten, während die Zulassungen von Plug-In-Hybriden (PHEV) mit 27.899 Fahrzeugen, vermutlich auch wegen des höheren Halbleiterbedarfs, ihr Vorjahresniveau knapp um 9 Prozent verfehlten. 

In Summe nahmen die Elektro-Neuzulassungen im November um 14 Prozent auf 68.200 Einheiten zu. Der Anteil von E-Pkw an den gesamten Neuzulassungen betrug 34,4 vH, ein neuer Höchststand (Schaubild). Jedes Dritte Neufahrzug war damit mit elektrischem Antrieb ausgerüstet.

  • Batterie-Elektro-Pkw (BEV) erreichten bei rückläufigem Gesamtmarkt im November einen Marktanteil von 20,3 Prozent, 
  • Plug-in-Hybride hatten einen Marktanteil von 14,1 Prozent.

Im bisherigen Jahresverlauf wurden 600.700 Elektro-Pkw neu zugelassen (+92 Prozent). Mit alternativem Antrieb, also fossilfrei, waren es sogar über 1 Million (1.006 Mio.) und damit 42,0 vH Anteil an den Gesamtzulassungen.

Kräftiges Wachstum im Jahresverlauf 

Trotz der Stagnation in den letzten Monaten macht die Durchsetzung der Elektromobilität in Deutschland 2021 erhebliche Fortschritte. Dazu hat vor allem der VW-Konzern beigetragen, der allein von der Marke Volkswagen bis einschließlich November fasst 100.000 Fahrzeuge absetzen konnte. 

Nach Angaben Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) ergibt sich folgendes Bild:

42 Prozent aller Pkw-Neuzulassungen der zurückliegenden elf Monate dieses Jahres waren mit alternativen Antrieben (Elektro (BEV)*, Hybrid, Plug-In, Brennstoffzelle, Gas, Wasserstoff) ausgestattet. 

    • Mehr als ein Viertel (25,1 %) der Neuwagen waren mit einem Elektroantrieb (Elektro (BEV)*, Plug-In, Brennstoffzelle) ausgestattet. 
    • Die Pkw mit einem Elektro (BEV) *-Antrieb erreichten im Berichtszeitraum einen Neuzulassungsanteil von 12,8 Prozent.

Nach Herstellern erreichten alternativ angetriebenen Pkw deutscher Marken innerhalb der Neuwagenflotte einen Anteil von 

  • AUDI 70,4 vH, BMW  55,9 vH, Mercedes waren 44,2 vH 
  1. Rund 55 Prozent aller neu zugelassenen Pkw mit alternativem Antrieb entfielen auf die Importmarken. 

Die deutschen Marken erreichten bei den Pkw-Neuzulassungen mit Elektroantrieb zusammen einen Anteil von beinahe 56 Prozent. VW brachte im Berichtszeitraum mit 98.170 (21,8 vH Einheiten unter den deutschen Marken die meisten Neuwagen mit Elektroantrieb zur Zulassung.  

Die Importmarken Volvo konnten bei den Elektroantrieben Anteile von mehr als 40 Prozent aufweisen. Anteile von mehr als 30 Prozent innerhalb ihrer Neuzulassungsflotte erreichten  Renault, Hyundai und Kia, wobei  Hyundai mit 32.133 Neuwagen, dicht gefolgt von Renault mit 32.083 Neuwagen, die volumenstärksten Marken waren. 

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Smart erreichte Bei den Neuzulassungsanteilen von reinen Elektrofahrzeugen (BEV)* erreichte allein Smart innerhalb der Flotten bei den deutschen Marken erneut einen Anteil von 100 Prozent, gefolgt von Mini (22,3 Prozent), Porsche (17,4 Prozent) und VW (14,2 Prozent), wobei VW mit 63.880 neuen Elektrofahrzeugen (BEV)* wiederholt die volumenstärkste Marke insgesamt war.

Bei den Importmarken blieb Tesla als reine Elektromarkte mit 33.052 Elektrofahrzeugen (BEV)* (+ 151,6 Prozent) die wachstumsstärkste Marke, reichte aber bei weitem nicht an die deutschen Hersteller heran.

Ausblick: Mangel bleibt

Absehbar beherrscht auch 2022 der Mangel an Speicherchips das Geschehen auf den globalen Automärkten, am wenigsten dort, wo die Chips hergestellt werden, also in China und Südkorea, am stärksten dort, wo sie fast in Gänze importiert werden müssen wie in Deutschland.

Der Chipmangel könnte noch mehrere Jahre andauern. Der Grund ist einfach: Chips sind weltweit in der Produktion notwendig und die Nachfrage wächst noch einige Zeit schneller als das Angebot, so die Studie von Roland Berger nach einem Bericht der Automobilwoche. 

Die Unterversorgung mit Halbleitern könnte daher für die Autoindustrie noch länger ein Problem bleiben als bisher gedacht. Die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage von Halbleitern wird laut Berger immer größer, eine baldige Besserung ist nicht in Sicht. Denn der Engpass habe strukturelle Gründe. die in der aktuellen Ausgestaltung der Lieferketten liegen.

Die Experten gehen davon aus, dass die Knappheit der Chips bis in das Jahr 2023 und wahrscheinlich darüber hinaus bestehen bleibe. Die bisher angekündigten zusätzlichen Kapazitäten reichten nicht aus, um den Bedarf zu decken. Nach Analysen der Experten steigt die Chip-Nachfrage von 2020 bis 2022 um 17 Prozent pro Jahr. Die Produktionskapazität wächst im selben Zeitraum hingegen lediglich um sechs Prozent pro Jahr. Da die Halbleiterfabriken aktuell bereits durchschnittlich zu 97 Prozent ausgelastet sind, ist eine zügige Ausweitung der Produktion kaum möglich.

Die Schere zwischen Nachfrage und Angebot öffnet sich im nächsten Jahr noch deutlicher. Zwar haben inzwischen viele Unternehmen eine Erhöhung der Kapazitäten angekündigt. Doch bis diese auch den Markt erreichen, dürften noch einige Jahre vergehen. Zudem fangen inzwischen einige Automobilhersteller an wieder Lagerbestände von Halbleitern aufbauen, um kurzfristig reagieren zu können. Diese Zusatznachfrage verschärft den Versorgungsengpass zusätzlich.

Die Autoindustrie und besonders auch die Produktion von Elektroautos dürfte also noch eine ganze Weile unter Materialengpässen leiden. Autonom fahrende E-Autos dürften also in den nächsten Jahren auf deutschen Straßen kaum zu sehen sein, selbst wenn es viele Kaufinteressenten gäbe.

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