Tichys Einblick
Zu Lasten der Sicherheit

So sieht es aus in der Muckibude von „Rechtsextremen“

TE zeigt Fotos aus dem angeblichen "Nazi-Nest" des Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Frankfurter Polizei. Die Einheit wurde aufgelöst. Hintergrund ist der Machtkampf um die Nachfolge des Ministerpräsidenten Bouffier. Dass die öffentliche Sicherheit massiv gefährdet ist, nimmt die CDU in Hessen billigend in Kauf.

Sodereinsatzkommando SEK Frankfurt am Main während eines Einsatzes

IMAGO / Hartenfelser

„Das wegen rechtsextremer Chats aufgelöste Frankfurter Spezialeinsatzkommando hatte seinen Räumen im Polizeipräsidium einen ganz eigenen Charakter verliehen. Mitglieder einer nun eingesetzten Expertenkommission berichteten vor dem Innenausschuss des Hessischen Landtags von einer „Selbstbeweihräucherung“, einem „zur Schau gestellten Korpsgeist“ und einem „übersteigerten Elitebewusstsein“: Am Ende eines Ganges hing das überlebensgroße Bild eines 2019 im Einsatz ums Leben gekommenen Kollegen. Davor befand sich eine Stange. Jeder, der dort vorbeikam, machte Klimmzüge – zu Ehren des toten Kollegen. Die Räume waren außerdem mit Bildern der aktiven Beamten verziert.“

So berichtet jedenfalls die FAZ unter der  Überschrift „Muckibude von Rechtsextremen“. Andere Medien variieren kritik- und distanzlos diese Bildbeschreibung, die sich auf Behauptungen des hessischen Innenministers Peter Beuth stützt. TE hat sich die „Muckibude“ mal angeschaut.

Klimmzüge als Rechtfertigung für SEK-Auflösung?

Zunächst mal die Stange mit den Klimmzügen: Für Polizisten, deren  Ausrüstung 40 Kilogramm wiegt und die damit nicht auf dem Home-Office-Arbeitsplatz eines FAZ-Redakteurs sitzen, sondern Gebäude erstürmen müssen, ist Fitness Grundvoraussetzung, und zwar extreme Fitness. Wie soll die aufrecht erhalten werden ohne ständiges Training? Übrigens – Sonderausrüstung kommt als Gewicht noch oben drauf, Atmung im Helm ist weit belastender als mit einer FFP-2-Maske. Natürlich ist die Stange auch nicht vor dem Foto, sondern davon abgesetzt. Aber Details müssen längst nicht mehr stimmen, wenn es um mediale Vorverurteilung geht.

Und dann dieser zur Schau gestellte Korpsgeist. Nun, das Foto, das kein Redakteur, der bislang darüber schrieb, gesehen hat, sehen Sie hier.

Es wurde aufgenommen zum 40. Jahrestag der Truppe; ganz offiziell vom Polizeipräsidium. Man schmückte sich gerne mit Helden, jedenfalls früher. Weiter unten findet man Geschoßhülsen. Das ist allerdings verdächtig und historisch überholt. Denn das Spezialeinsatzkommando wirft neuerdings nur noch mit Wattebäuschen auf Täter mit Feuerwaffe – genau zu solchen Einsätzen, bei schwerbewaffneten Tätern, bei Geiselnahmen und in Fällen der Organisierten Kriminalität werden die Teams des SEK eingesetzt. Vor das Foto ist ein alter ballistischer Schutzschild montiert, auf dem mit magnetischen Metallplatten die Namen der Einsatzbeamten, aufgeteilt auf drei Gruppen festgehalten werden. Es ist martialisch – wie der Alltag der 65 Männer. Aber ist es rechtsextrem?

Ist das der zur Schau gestellte Korpsgeist? Klar, Ehrbewusstsein, Verlässlichkeit, füreinander einstehen, auch wenn es knallt und kracht: Das ist heute nicht mehr so gefragt. Das delegiert man weg. TE zeigt daher auch die Fotos der angeblich zum „rechten Nest“ umgestalteten Einsatzräume.

Die Stützpfeiler wurden mit Motiven versehen, deren wichtigste Sie hier sehen. Der „Polizeiforscher“ Rafael Behr wird dazu von der FAZ zitiert, ohne dass er allerdings die Räumlichkeiten jemals erforscht hätte: „Das ist nicht alles rechtsradikal oder rechtsextrem, aber es ist dieser Männlichkeitskult, der ein Sprungbrett dafür ist“. TE konnte allerdings keine rechtsradikalen Inhalte entdecken, der nach Behr die Mehrheit der dargestellten Objekte bilden soll. Es bleibt also nicht viel über von dem, was der „Forscher“ von der Hamburger Polizeiakademie als „nicht alles ist rechtsradikal“ bezeichnet.

Der Innenminister macht sich lächerlich

Dummerweise bleibt auch von den „rechtsextremen“ Chats wenig übrig. Im hessischen Landtag musste Innenminister Peter Beuth die Totalpleite eingestehen:
Inzwischen seien rund 19.000 Chat-Beiträge vom Landeskriminalamt (LKA) ausgewertet worden – mit dem Ergebnis, dass es sich um „überwiegend straffreie Kommunikation“ gehandelt habe, wie Beuth betonte.

„Aus den fortschreitenden und weiterhin laufenden Ermittlungen hat das LKA den Eindruck gewonnen, dass die Chats nicht vornehmlich radikal geprägt waren“, sagte Beuth. „Schuldhaftes Verhalten der einzelnen Chatteilnehmer ist daher jeweils individuell zu bewerten.“

So seien in einem Gruppenchat, der rund 10.000 Beiträge umfasste, drei Beiträge als strafrechtlich relevant bewertet worden.

SEK-Beamte packen aus
Wie Polizisten von ihrem CDU-Innenminister gejagt und verleumdet werden
Das muss man sich jetzt mal auf der Zunge zergehen lassen. 3, in Worten: DREI von rund 10.000 Beiträgen können nach heutiger Gesetzeslage als möglicherweise strafrechtlich relevant bewertet werden. Aus Einsicht in die diversen Schreiben des Innenministers an betroffene Beamte weiß TE, dass folgende Begriffe als so relevant eingestuft werden, dass sie zum Anlass für Beurlaubung, Versetzung und Durchsuchung der Wohnung mit drohender Entlassung genommen wurden: „Nafri“, „Zigeuner“, „Sinti“ „Roma“, „Deppenland“ (über einen nordafrikanischen Staat). Weitere und genauere Termini liegen TE vor, können aber nicht veröffentlicht werden, da sie Rückschlüsse auf die jeweiligen Personen zulassen.

Da stellt sich doch die Frage: Prüfen Sie ihre Kommunikation, ob Sie nicht auch….?

TE hat die Fotos und Unterlagen auf einem ausländischen Server sicher gelagert, da zu befürchten steht, dass Beuth auch zu ungesetzlichen Maßnahmen greifen könnte, um seinen Kopf zu retten. Denn klar ist: Mit den von ihm so eifrig beschworenen Umtrieben und Chats oder Mannschaftsräumen lässt sich die Auflösung des SEK und die disziplinarische Verfolgung der Beamten nicht rechtfertigen.

Hexenjagd auf die Polizei

Damit wird der hessische Polizeiskandal zunehmend zur Hexenjagd, allerdings mit satirischer Einlage. Denn künftig soll das dringend benötigte Spezialkommando durch eine Gruppe aus Kassel ersetzt werden, die allerdings nur über ein Drittel der benötigen Mannschaftsstärke verfügt und eine Lücke in Nordhessen aufreißt. Die Führungsaufgabe übernimmt der Wiesbadener Polizeipräsident Stefan Müller, der dafür eine Polizeikaserne vorhält, die nicht so rassistisch vergiftet sei wie die von TE gezeigten Einsatzräume in Frankfurt. Müller allerdings bringt seinerseits, abgesehen von seiner beschränkten fachlichen und physischen Kompetenz auch nicht die moralische Eignung für einen SEK-Beamten mit. Müller soll laut einem Bericht der BILD-Zeitung am 15. Juni vor rund 30 Beamten die Auflösung des Frankfurter SEK mit den Worten „Man muss jetzt nicht befürchten, dass das Spiel der zehn kleinen Negerlein jetzt startet“ kommentiert haben. Der Rassistenjäger also mit „rassistischen“ Sprüchen?

Illoyal, fahrlässig und teuer
Auflösung des SEK: Hessens Innenminister Beuth (CDU) rudert zurück
Man könnte lachen, wenn es nicht so ernst wäre. Denn die Zerstörung des Frankfurter SEK wirft jetzt ernsthafte Sicherungsprobleme auf. Frankfurt verfügt damit nicht mehr über ausreichende Polizeikräfte in diesem besonders sensiblen und gefährlichen Bereich. Die Grund-Ausbildung eines Beamten dauert 25 Wochen; danach folgen viele weitergehende Spezialausbildungen. Nur wenige Polizisten sind körperlich und seelisch für diesen Job unter ständiger Lebensbedrohung geeignet, noch weniger sind bereit dafür, und schon gar nicht mehr nach den jüngsten Entwicklungen: Schließlich lassen es Polizeiführung und Politik an der notwendigen Rückendeckung mangeln. Frustration und Enttäuschung in der gesamten Polizei sind die Folge.
Hessen als „failed State“

Bleibt die Frage: Was treibt den hessischen Innenminister zu diesem Vorgehen? Hessen wird von einer schwarz-grünen Koalition regiert. Ministerpräsident Volker Bouffier ist gesundheitlich schwer angeschlagen. Ihm fehlt die Kraft, die erkennbaren Fehler seines Innenministers zu korrigieren. Der zu seinem Nachfolger erkorene Thomas Schäfer setzte seinem Leben Ende März 2020 ein Ende; Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hatte von einer Verzweiflungstat im Zusammenhang mit der finanziellen Bewältigung der Corona-Krise gesprochen; entsprechende Berichte wurden später wieder gelöscht. Der grüne Teil der Landesregierung unter dem stellvertretenden Ministerpräsidenten und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir paktiert offen mit den Linken und der SPD, den eigentlichen Traum-Partnern der Grünen. So treibt die grüne Regierungspartei im Zusammenspiel mit der linken Opposition die erkennbar schwache CDU vor sich her.

Beuth ist eine persönlich schwache Figur. Besserung ist nicht in Sicht. Derzeit wird Kanzleramtsminister Helge Braun als Nachfolger von Bouffier gehandelt, und Beuth wollte den Starken Maxe spielen, der seinen Laden aber so was von im Griff hat. Da müssen einzelne Polizisten hinter der Profilierungssucht zurück stehen und die Bevölkerung Bedrohung durch Kriminelle ertragen.

Damit ist klar: Die schwelende hessische Regierungskrise wird fortgesetzt.

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