Tichys Einblick
Neujahrsansprache des Bundeskanzlers

Gemeinsamkeit in Scholzland, während Polizei gemeinsam Feiernde vertreibt

Eine erschütternde Neujahrsansprache des neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz: Da wird Gemeinsamkeit beschworen, die nicht sein darf, und mit dem brutalen Umbau der Wirtschaft gedroht.

IMAGO/Future Image

Ein kleiner Mann steht steif, die Miene starr, der Blick stur in den Teleprompter gerichtet, die Hände fest gefaltet. Nur gelegentlich wackelt er mit dem Oberkörper wie ein Nussknacker, der gerade hinten am Hebel betätigt wird. Wer den Spitznamen „Scholzomat“ der SPD noch nicht verstanden hat, jetzt wird er klar. Es spricht der Bundesredeautomat wie ein Besucher aus den Fernen des Weltalls zu einer irdischen Menge, die ihm unterworfen und ausgeliefert ist.

Eine schwere Nuss

Er hat eine schwere Nuss zu knacken. Es ist die erste Neujahrsansprache des nigelnagelneuen Bundeskanzlers und altbekannten Berufspolitikers (Wirecard, CumEx-Skandal) Olaf Scholz. 

Er redet viel von Gemeinsamkeit. Unterhaken in den Hochwassergebieten, Solidarität. Gemeinsam Herausforderungen entschlossen annehmen, nach der Flut gemeinsam angepackt, als Gemeinschaft zusammenhalten. Es sind Versatzstücke aus dem Redeschreibspeicher für den Bundesredeautomaten. Herzlos, gefühllos. sinnleer. An wen richtet sich das Stück aus der Wortstanzerei?

Es sind vereinzelte Menschen vor ihren Geräten, die sich das anhören müssen. Denn es gelten Kontaktverbote. Wenn jeder also einsam in seinem Verschlag sitzt, packt er doch gemeinsam an? Kontaktbeschränkungen und Reiseverbote, war da was? Verbot von Familienzusammenkünften und Festen? Ach was. GEMEINSAM sind wir einsam ausgeliefert.

Draußen vor meiner Tür hat gerade die Polizei im sozialdemokratisch regierten Frankfurt große Anstrengungen unternommen, um jedes Gemeinschaftserlebnis zu unterbinden, jede Gemeinsamkeit zu verhindern. Riesige Beton-Legosteine, die sogenannten „Merkel-Poller“, ziehen Grenzen durch die Stadt. Brücken und Stege über den Main sind gesperrt, die Stadt gespalten nach hüben und drüben. Auf Brücken drohen Menschenansammlungen, erklärt ein kleiner „Polizei-Communicator“ auf Nachfrage. Das müsse unbedingt vermieden werden. Wenn irgendwo ein Böller kracht, flackert das Blaulicht der Böller-Polizei auf, die bösen Böllerer zu fangen.

Scholz‘ Gemeinsam-Getue klingt da wie ein Hohn: Die großen Gemeinschaftserlebnisse wurden untersagt: Das große Stadtgeläut – nur blechern im Internet, es hätte ja Menschen anlocken können, die ihr historisches Gemeinschaftsgefühl pflegen, im Freien und ohne größere Ansteckungsgefahr. Das Flanieren der Bürger am Main-Ufer an Sylvester – endet an der Polizeisperre.

„Grenzen sind unverletzlich“, sagt Scholz. Er meint die Grenze der Ukraine. Er meint nicht Deutschlands Grenzen, die jederzeit übertreten werden dürfen. Er meint die Grenzen in der Stadt, die bis Mitte der Woche den Verkehr blockieren, und dass jede billige Kaufhausrakete zum Angriff auf den Staat interpretiert wird. Mit rollenden Bullen-Wannen und plärrenden Lautsprechern werden gemeinschaftliche Ansammlungen gesprengt, während Scholz von „Respekt“ redet und davon, dass von Spaltung keine Rede sein könne.

In welcher Blase lebt dieser Mann? 

Es ist eine unwirkliche Rede.

Und sie hat einen bedrohlichen Unterton.

Anleitung zum größten Umbau

Die Menschen wollen einfach ihr Leben leben, so wie sie es gewohnt sind, im kommenden Jahr gerne ein bißchen leichter, vielleicht etwas üppiger. Bitte gesünder. Das zu ermöglichen, dazu soll die Politik beitragen.

Aber der kleine, stocksteife Mann mit dem stieren Blick hat etwas anderes im Sinn. Er hat Großes vor, mit den Individuen in ihren Verschlägen und den mobilen Abstandszonen von 1,5 Metern, die jeder draußen einzuhalten hat.

Er will nicht weniger als den „Größten Umbau der Wirtschaft seit 100 Jahren“. Ein mächtiges Wort. 1922 hat eine Monsterinflation Deutschland erschüttert, seine demokratischen Institutionen zerstört. Geldscheine wurden zu Heizmaterial. Kommt eine noch größere Inflation? Nach 1933 entstand eine gigantische Kriegsmaschine; alles im Dienst der Rüstung und Zerstörung der Welt. Ein noch größerer Umbau steht uns bevor? Ein noch größerer als die Eroberung ukrainischer und russischer Erde für das Volk ohne Raum? Dann die Katastrophe. Nach 1945 die Teilung auch der Wirtschaft; ein gewaltiger Strukturwandel. Im Westen mehr Wohltand für Alle, im Osten weniger für die Meisten. Integration in die Weltwirtschaft, Wiedervereinigung.

Jetzt also wird es noch größer, die Sache mit dem Umbau?

Wer sich einen Rest historischen Bewusstseins bewahrt hat, mag erschrecken. Immer wenn Regierungen umbauen, geht es schlecht aus für die Umgebauten. Umbau war gut, wenn sie selbst umbauen durften, die Freiheit dafür hatten. Jetzt werden sie zu Objekten einer neuen Planwirtschaft.

Weg von Atom, Kohle und, man höre und staune, auch weg vom Gas will er, sagt er in seiner Automatensprechweise. Weg vom Gas, um das Deutschland gerade bei Putin bettelt,  damit es warm bleibt und das TV-Gerät nicht schwarz wird. Dafür sollen die Erneuerbaren „verdoppelt“ werden. In der Nacht der Rede des kleinen, starren Mannes mit den sturen Augen kommen vermutlich mehr als  95 Prozent der Energieversorgung aus Atom, Kohle und Gas. Knapp fünf Prozent aus Erneuerbaren; verdoppelt man sie, ergibt das erst 10%. Wie also die Energieversorgung herstellen ohne Atom, Kohle und Gas?

Es bleibt das Geheimnis des wie ins Korsett gepressten Mannes im Licht von Scheinwerfern, die vermutlich mit Notstrom aus Dieselaggregaten gespeist werden, dann, wenn er seinen Plan umsetzt; nur leider kann ihm dann auch keiner mehr zuhören; denn für die da draußen langt es dann nicht mehr für Wärme und TV – und Vorsicht Habeck und Lindner – auch nicht für’s iPhone. 

Woher also kommen dann „Wohlstand und Arbeitsplätze“, von denen er tonlos redet? Wer zahlt die Mindestlöhne, die er gerade so kräftig erhöht, wie er sagt, „aus Respekt“?

Aber erst hat der Automat ohne Rechenmodul noch ein Anliegen.

Es muss geimpft werden. 60 Millionen reichen nicht, 30 Millionen in vier Wochen sind immer noch zu wenig. „Machen Sie einen Termin im Impfzentrum … rasch boostern,“ denn „Wir müssen schneller sein als das Virus.“

Jetzt müssen wir also schon schneller werden als die Biologie. Ganz ohne Energie. Alle Wege sind versperrt, nur der zum Impfzentrum nicht.

Wieder die Predigt von der Allesrettung durch einen Piks, wobei mittlerweile auch zunehmend mehr Geimpften klar wird: Das wird so nicht klappen. Und immer noch gibt es Meckerei, die auszuhalten, sagt der Sprechautomat, „ist anstrengend“. Dabei seien doch schon vier Milliarden ganz ohne Nebenwirkungen geimpft. 

Überhaupt diese Demokratie, ziemlich unbequem. Denn Demokratie kommt aus fernen Welten über uns, nicht von unten.

Dafür wird ganz viel gegendert. Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen verhaspeln sich mit Ärzten, Bürgerinnen und Bürger verkürzen sich zu Bürgern und Bürgern, bald 10 Milliarden „Einwohner und Einwohner“ werde bald der Globus haben. Sind es dann 20? Es ist schwer, der gestelzten, in sich verkorksten Rede zu folgen.

Draußen knallen ein paar letzte Böller. Die Polizei treibt die letzten Feiernden auseinander.

Manche haben sich untergehakt, da wird der Helm aufgesetzt und der Knüppel gezückt und der „Communicator“ plärrt ins Mikro, der Ton ist altbekannt.

Denn es geht um Respekt, sagt der Kanzler.

Den Respekt des Staates vor seinen Bürgern, dem Souverän, hat er nicht gemeint.

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