Tichys Einblick
Konjunkturprogramm als Lückenbüßer

Konjunkturpaket: Große Zahlen, wenig Wirkung

Vielen Dank für jede Steuersenkung! Das muss einfach gesagt werden. Niedrige Steuern sind vernünftig, denn die Bürger wissen am Besten, wofür sie Geld ausgeben wollen. Ansonsten: Leere Worte wie Straßen in schweren Zeiten.

imago/photothek
Man muss ja einer Kanzlerin, zu deren politischen Großleistungen die ständige Erhöhung von Steuern und Abgaben gehört, dankbar sein für jede Steuersenkung. Auch dafür, dass im Rahmen des neuen Konjunkturprogramms von 130 Milliarden Euro die Mehrwertsteuer gesenkt werden soll.
Vorübergehende Mehrwertsteuersenkung

Denn vom 1. Juli an bis zum 31. Dezember 2020 soll der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf 16 Prozent und für den ermäßigten Satz von sieben Prozent auf fünf Prozent fallen werden. CSU-Chef Markus Söder nannte dies das „Herzstück“ des Konjunkturpakets. Das ist schön. Es war die erste Regierung Merkel,  die die Erhöhung auf 19 Prozent durchgedrückt hat.

Hier der Beschluss des Koalitionsausschusses vom 3. Juni 2020

Bezeichnend, dass die Senkung aber nur vorübergehend ist. Praktischer Nebeneffekt: Die Steuern steigen ganz automatisch mit dem kommenden Jahresbeginn; es braucht kein Gesetz. Es war also nur ein Steuerfrühling, der nicht zum Steuersommer wird. Im Juni kauft nur noch der Dumme. Das ist der eingebaute Nebeneffekt eines halben Jahres Merkel-Pause.

Im Juni kauft nur noch der Dumme

Kurzfristige Kaufzurückhaltung ist also einer der Nebeneffekte; es sei denn, man sieht bald die Schilder „Mehrwertsteuersenkung bei uns schon jetzt“. Aber hilft das Ganze? Der Teufel steckt schon im Namen „Konjunkturpaket“. So etwas schnürt man, wenn es zu einem Rückgang der Nachfrage kommt. Es ist ein klassisches Instrument der Wirtschaftssteuerung: Die Leute kaufen nicht, also lässt man ihnen mehr Geld in der Tasche in der Hoffnung, dass sie es ausgeben und die Wirtschaft anspringt.

Interview Prof. Hans-Werner Sinn
Wie schlimm werden Wirtschaftskrise und Inflation?
Aber dass wir an so einem Punkt stehen, bestreitet zum Beispiel der frühere Chef des Münchner Ifo-Wirtschaftsforschungsinstituts, Hans-Werner Sinn im Interview mit TE: Während des Lockdowns durfte man ja faktisch nicht kaufen. Es war also keine Frage des Wollens oder Geld Habens, sondern geschlossener Läden. Oder wer kauft schon ein Auto, wenn es anschließend stehenbleiben muss, weil die Zulassungsstelle nicht arbeitet? Vor den Lebensmittelläden jedenfalls standen Kauflustige Schlange. Und bekanntlich geht es nur langsam, sehr langsam los: Mit der Maske vor Mund und Nase macht Shopping keinen Spaß. Und wer ständig vor einer „Zweiten Welle“ gewarnt wird, entwickelt auch keine Kauflust.
Kein Shopping mit Maske

Die Kaufzurückhaltung hat also keine konjunkturellen Gründe, sondern wurde erzwungen. Ob dagegen jetzt eine Mehrwertsteuererhöhung hilft? Wohl kaum.
»Wir wollen mit „Wums!“ aus der Coronakrise kommmen«, ließ Bundesfinanzminister @OlafScholz zum „größten Konjunkturpaket“ twittern, mit gleich 3 m vor Begeisterung über sich selbst. Glaubt er wirklich daran? Wie gesagt, es ist schön, wenn die Steuern mal sinken – aber mit Kaufrausch hat das wenig zu tun.

Die Bürger sparen. Vermutlich aus Vorsicht und Angst. Deshalb ist in Deutschland die Sparquote laut Bundesbank von 9,7 Prozent im letzten Quartal 2019 auf 16,7 Prozent im ersten Quartal dieses Jahres gestiegen. Fürs zweite Quartal, also die Monate April bis Juni, prognostiziert die Commerzbank einen Anstieg auf bis zu 20 Prozent. Etwa jeder fünfte Euro wird in der Krise also gespart, nicht ausgegeben. Auch die DZ Bank geht davon aus, dass die Sparquote im ohnehin eher sparsamen Deutschland dieses Jahr den höchsten Stand seit 1992 erreicht. Aus Angst vor der Zukunft.

Angst vor den großen Zahlen

Sie wird auch genährt aus der Angst vor den großen Zahlen: insgesamt 750 Milliarden Euro für die EU, Corona-Programme für die Wirtschaft und Kurzarbeitergeld für mindestens 500 Milliarden, jetzt noch 130 Milliarden für ein Konjunkturprogramm – die Bundesregierung verteilt gerne Staatsgelder derzeit. Natürlich wissen viele Bürger, dass sie es selbst sind, die diese Gelder zahlen. Denn es wirtschaftet nicht der Staat, wie Deutschlands GroKo gerne so selbstverliebt behauptet – er verteilt nur Gelder, die die Bürger in den nächsten Jahrzehnten erst erwirtschaften sollen. Und wer das weiß, wird vorsichtig. Konjunkturpolitik versucht, die Bürger zu täuschen: Sie zu locken mit Steuerprämien wie die Maus mit Käse. Aber wenn die Maus den Trick durchschaut? Dann klappt das ganze Spiel mit den großen Zahlen nicht und die Kulissen fallen zusammen. Dann bleiben am Ende nur eine gigantische Staatsverschuldung sowie nachfolgende Inflation, mit deren Hilfe sich der Staat zu Lasten seiner Bürger davon befreit.

Ohnehin leben wir schon in einer Phase, in der viele Preise sinken: Der Handel hat die Läger voll. Bei Textilien kommt es mit und ohne Mehrwertsteuer zu einer Preis-und Rabattschlacht, einfach weil die Unternehmen Liquidität brauchen. Autohäuser bieten ohnehin Nachlässe von 30 bis 40 Prozent an, ganz ohne Verhandlung und Mehrwertsteuersenkung. An niedrigen Preisen fehlt es also nicht. Aber vielleicht klappt es ja, und die Konjunktur springt an. Viel zu tun haben zunächst nur Programmierer und Steuerberater, die die Umstellung bewältigen und nach sechs Monaten wieder zurückdrehen müssen.

Prämien für Dinge, die keiner will

Und so ähnlich ist es mit der Kaufprämie für Elektroautos. Wer eines der noch wenig alltagstauglichen Gefährte haben will, kriegt es noch mal „billiger“, oder sagen wir: weniger teuer. Ohne Zuschlag waren die E-Autos nicht absetzbar, einfach weil sie am Kundenbedürfnis vorbei hergestellt und staatlich gefördert werden. Nun also noch stärker. Wer klug ist, bleibt beim Verbrenner; wer ein Zweitauto für den Nahverkehr sich leisten kann, wird belohnt. So einfach geht die Rechnung aus Sicht der Verbraucher. Dieser Teil des Konjukturprogramms ist eine reine Show-Veranstaltung, und wer will, kann darin eine gute Nachricht sehen: Die Lobby der Automobilindustrie wurde nicht gehört, und das obwohl eine Vertraute der Kanzlerin, Hildegard Müller, zur teuren Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie gewählt wurde. Nicht einmal mehr auf die ganz plumpe Tour klappt es also noch für die Auto-Leute.

Notprogramm für die Bahn und die Städte

Der Rest des Konjunkturpakets ist nur ein Notprogramm: Die Bahn fährt leer durchs Land; sie braucht Geld oder geht pleite. Und das wegen Lockdown und weil jeder, der kann, lieber im eigenen Auto fährt statt in der öffentlichen Virenschleuder. Also braucht die Bahn Geld, ebenso wie die Kommunen. Ohne Gewerbe keine Gewerbesteuer; das Konjunkturprogramm kann das nur zum Teil ausgleichen. Die Städte und Gemeinden werden in den kommenden Jahren sparen müssen; das wird bitter. Freibäder werden geschlossen bleiben müssen, auch wenn der Sommer heiß wird. Schön, wenn Familien einen Zuschuss erhalten, und manche werden sich ärgern, wenn Alleinerziehende bevorzugt werden. Der Staat nimmt, verteilt um, ganz nach eigenem Gusto und Wertvorstellung. So ist das eben. So ist das eben auch mit dem regierungsamtlichen Jubel.

Geld in der Liquiditätsfalle

Wohin die Konjunktur läuft? Sicherlich läuft sie nicht besser wegen der Mehrwertsteuersenkung, wenn den Konsumenten der Zukunftsglaube und das Vertrauen fehlt. Dann landet, so Hans-Werner Sinn, jeder huldvoll geschenkte Euro in der „Liquiditätsfalle“, also auf dem Sparkonto und nicht im Handel.

Manche Teile der Wirtschaft lahmen weiter, weil die Masken kaum das Virus, aber das Geschäft blockieren: im Handel, in der Gastronomie, in der Hotellerie.

Manche profitieren. Viele Maschinenbauer sind nach TE-Informationen schon wieder gut ausgelastet. Es wird investiert in Sparprogramme; in Zeiten von Corona ist die menschenleere Fabrik, die menschenleere Verwaltung ein Versprechen. Wer hier liefern kann, verdient ganz ohne Bundesregierung.

Die wichtige Automobilindustrie bleibt weiter stehen; ein paar neue Teslas werden verkauft werden; beim E-Porsche für 200.000 € fallen weitere 2.000 € Steuerzuschuss nicht ins Gewicht. Die Herzbranche wird nicht zu schlagen beginnen. Und der nächste, sehr kurzfristige Kaufrausch kommt vielleicht zum Weihnachtsgeschäft: Dann droht die automatische Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar.

Ab dann wiederum fallen die Preise erst recht, weil die Läger geräumt werden müssen. Damit bleibt ein bitteres Fazit: Große Zahlen werden uns präsentiert, mit wenig Wirkung. Oder sogar mit gegenteiliger Wirkung, wenn die Bürger die Gefahren der Staatsverschuldung und der Währungszerrüttung durchschauen. Hoffentlich, so die Rechnung der GroKo, merkt das keiner.

Und so bleibt man ratlos zurück: Soll man jetzt zu Hause bleiben wie bisher bei  belegten Broten – oder raus und konsumieren? Wie hättet ihr es denn gerne? Oder wißt ihr es selbst nicht so recht?