Tichys Einblick
Sozialministerium kämpft für SPD-Presse

GroKo will Zeitungsverleger finanziell massiv unterstützen

Heimlich, still und leise sollen sollen die Verlage zukünftig bis zu 645 Millionen € an staatlichen Subventionen erhalten. Damit werden auch sie an die Kette staatlicher Zuwendungen gelegt - staatsferne Medien werden marginalisiert.

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Heute soll in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses entschieden werden, den Zeitungsverlagen zukünftig jährlich 100 Mio. Euro an Unterstützungsleistungen für den Vertrieb ihrer Blätter zur Verfügung zu stellen. Der Vorschlag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung für eine „Infrastrukturförderung der Zustellung von Anzeigenblättern und Tageszeitungen“ ist am Montag an die Fraktionsspitzen und haushaltspolitischen Sprecher von CDU/CSU und SPD übermittelt worden.

Das wäre der Einstieg in die staatliche Subventionierung von Tageszeitungen. ARD und ZDF werden bekanntlich durch Zwangsgebühren finanziert, die von jedem Haushalt aufzubringen sind, unabhängig ob er die Programme nutzt. Die Entscheidung über die Steigerung treffen die Bundesländer. Mit der geplanten Subventionierung der Zeitungsverlage wird dieses Prinzip, Medien über die Finanzierung staatsfreundlich zu führen auch auf die privatwirtschaftlichen Verlage übertragen.

Dem Verlegerverband kann es gar nicht schnell und tief genug gehen mit dem Griff in die Staatskasse. In einer Stellungnahme der Verlegerverbände heißt es:
„Dieser Vorschlag stößt in der Sache bei den Verlegerverbänden BVDA und BDZV auf große Zustimmung.“ Allerdings sollen die 100 Millionen auf insgesamt 645 Millionen aufgestockt werden:

Den Verlegerverbänden reicht es noch nicht

„Die vom BMAS vorgeschlagene Förderhöhe ist jedoch nicht ausreichend und deshalb auch nicht hinreichend zielführend. Aus einer Begleitstudie zum Fördervorhaben des IZA Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit, die das BMAS in Auftrag gegeben hat, lässt sich eine Förderhöhe von 645 Mio. für Deutschland herleiten, wenn man die tatsächlichen Fördersummen der dort untersuchten europäischen Länder mit der Bevölkerungsanzahl von Deutschland in Bezug setzt.“
Im Vorschlag des Arbeitsministeriums findet sich bislang nur eine Gesamtfördersumme von 100 Mio. Euro. Davon sind 60 Prozent der Summe für Tageszeitungen und 40 Prozent für Anzeigenblätter vorgesehen. „Für das einzelne Anzeigenblattexemplar würde dies nur eine Förderhöhe von etwa 1 Cent (d.h. 5% der durchschnittlichen Zustellkosten pro Exemplar) bedeuten. Bei den Tageszeitungen wäre es eine Förderhöhe von etwa 2 Cent – die als außerordentlicher Ertrag natürlich noch versteuert werden müssen“, jammern die Verbände. „Die vorgeschlagene Summe verfehlt leider das Ziel, eine nahezu flächendeckende Zustellung auch zukünftig zu ermöglichen. Vielmehr müssten die Verlage je nach Region idealerweise einen Betrag zwischen 5 und 7 Cent (gerundet) pro Anzeigenblattexemplar erhalten. Dies würde hochgerechnet auf die Anzeigenblattbranche einen Betrag von 200 bis 300 Mio. Bei den Zeitungen müssten dementsprechend 14 Cent pro Exemplar, in der Summe 400 Mio. Euro, für die Zielerreichung angesetzt werden.“

SPD wirtschaftet mittelbar in die eigene Tasche

Das Vorhaben ist extrem fragwürdig. Die Idee dafür stammt ausgerechnet von Bundessozialminister Hubertus Heil, SPD. Seine Partei wäre auch einer der Hauptbegünstigten. Die SPD ist über ihre 100-Prozent-Tochter Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (ddvg) mit Sitz in Berlin und Zweigniederlassung in Hamburg an diversen Verlagen und Medienkonzernen beteiligt. Zum Beispiel an der DDV Mediengruppe (u.a. Sächsische Zeitung), am Frankenpost-Verlag und am Madsack-Konzern (u.a. Hannoversche Allgemeine Zeitung, Leipziger Volkszeitung, Ostseezeitung). Das „Herz“ des Madsack-Konzerns ist die Verlagsgesellschaft Madsack. Rund 155 Unternehmen gehören laut Konzernabschluss 2017 dazu.

Besondere Bedeutung kommt dem Umstand zu, dass Madsack das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) betreibt. Das ist eine Zentralredaktion in Hannover und Berlin, die deutschlandweit fast 50 Zeitungen mit gemeinsamen Inhalten aus Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur beliefert. Darunter befinden sich nicht nur die Madsack-Zeitungen, sondern auch Zeitungen, an denen die SPD/DDVG anderweitig beteiligt ist (z.B. Neue Westfälische zu 100 Prozent), sowie zahlreiche Zeitungen anderer Verlage wie insbesondere des Dumont-Konzerns (z.B. bis zum November die Berliner Zeitung, Berliner Kurier, aber auch der Kölner Stadt-Anzeiger, Kölnische Rundschau). Circa sieben Millionen Leser täglich erreicht das RND. Die SPD/DDVG verfügt damit zwar am Madsackkonzern nur über eine Minderheitsbeteiliggung; allerdings über 40 Prozent der Stimmrechte. Hubertus Heil hat damit eine Subventionierungsvorlage geliefert, die der eigenen Partei indirekt zufließt.

Anzeigenblätter für die Meinungsfreiheit?

Ihre politische Macht zu Gunsten der Verleger und des eigenen Verlagsimperiums hat die SPD bereits in der Vergangenheit ausgespielt. So haben die Zeitungsausträger bis zum 31. Dezember 2017 nur einen reduzierten Mindestlohn von zunächst 75 Prozent und später von 8,50 Euro bekommen, anstelle des damals zu zahlenden Lohns von mindestens 8,84 Euro. Tatsächlich hat die Mindestlohnregelung dazu geführt, dass viele Zeitungsverlage im ländlichen Raum ihren Vertrieb wegen der gestiegenen Kosten reduzieren mussten. Mit dem neuen Vorhaben werden also die Kosten des Mindestlohns sozialisiert – allerdings nur für Zeitungsverlage. Andere Branchen erhalten keine „Aufstockung“ aus der Staatskasse für den steigenden Mindestlohn, wenn ihr auf niedrigen Löhnen basierendes Geschäftsmodell zusammenbricht. Verleger genießen Sonderrechte; die SPD kassiert mit.

Die Subvention wird mit allerlei Wortgeklingel begleitet, bei dem die Informationsaufgabe gerne in den Vordergrund gestellt wird. Das ist schon deswegen fragwürdig, weil 40 Millionen Euro unmittelbar in die Förderung von Anzeigenblättern fließen sollen. Charmant: Anzeigenblätter werden meistens, wenn auch nicht ausschließlich von den Tageszeitungsverlagen betrieben. Anzeigenblätter sind rein kommerzielle Unternehmen; mit der Förderung von Information und Meinungsfreiheit haben sie wenig zu tun, wenn die örtliche Aldi-Filiale für ihre Sonderangebote wirbt.

Die SPD und die Union halten das Vorhaben offenbar selbst für gefährlich. Es wurde kurzfristig in die Haushaltsverhandlungen eingeschleust. In der sogenannten „Bereinigungssitzung“ wird im Schnelldurchgang über den gesamten, gigantischen Bundeshaushalt in der Größenordnung von 356 Milliarden Euro entschieden. Da fallen die paar hundert Millionen für die Zeitungsverleger nicht so ohne weiteres auf, schon wegen der Übermüdung der Mitglieder des Haushaltsausschusses. Im Vorfeld wurde über das Vorhaben von Hubertus Heil auch nicht berichtet. Danach gilt allerdings: beschlossen ist beschlossen. Damit ist der Vorgang der Versuch, die Öffentlichkeit wie das Parlament diskret zu umgehen.

Unser Kommentar:

Wess Brot ich ess des Lied ich sing: Diese alte Volksweise soll zukünftig auch für Tageszeitungen gelten. Damit geben die deutschen Zeitungsverleger ein Prinzip auf, das sie bislang verteidigt haben: Die Staatsferne der gedruckten Medien.  Sie begeben sich in den Einflussbereich der Politik, dem ARD und ZDF bereits verfallen sind: letztere über Gebühren, die von den Landesparlamenten verfügt werden und über Aufsichtsgremien. Jetzt sollen auch die Printmedien an die Kette der Subvention gelegt werden. Dass Anzeigenblätter, die nur zwischen den Aldi-Anzeigen für Schweinebauch und Winterreifen-Reklame gelegentlich Pressemitteilungen abdrucken auch zur Meinungsbildung beitragen und dafür gefördert werden, zeigt die wahre Absicht.

Bedrückend, wie unverschämt Sozialminister Hubertus Heil zugreift: Seine SPD ist einer der Hauptprofiteure des Vorhabens. So wirtschaftet die Partei Steuergelder in die eigene Tasche. Und die CDU stimmt mit, ebenso die CSU, denn es ist ein Koalitionsvorhaben. Auch dafür, dass die CDU die SPD-Parteipresse fördert,  hat der Volksmund einen Spruch bereit: Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.