Tichys Einblick
Habecks Spielzeugeisenbahn

Keine Solidarität in der EU in Sachen Gas mit Deutschland

Wirtschaftsminister Robert Habeck fordert jetzt europäische Solidarität ein. Das lässt die anderen Europäer kalt wie bald eine deutsche Wohnung. Warum für Deutschlands hausgemachte Energiekrise leiden – zumal die sich selbst boykottieren um ihrer grünen Ideologie willen?

IMAGO / Xinhua

Stellen wir uns einen kleinen Jungen vor, der aus lauter Wut oder Übermut seine Spielzeugeisenbahn kaputt schlägt. Müssen wir sofort sammeln gehen, um ihm eine neue zu kaufen? Wohl eher nicht. Verantwortung will erlitten werden.

Europäische Solidarität für die Korrektur von Dummheit?

So ähnlich ist es derzeit mit Deutschland. Das Land hat seine Energieinfrastruktur in einer Mischung aus Dummheit und Übermut zerstört – und fordert jetzt „europäische Solidarität“ ein. Andere sollen Gas einsparen, damit Deutschland weiter ohne Kohle und Atom auskommen kann. 

Dementsprechend sieht auch die europäische Solidarität aus. Niemand denkt daran, für die Korrektur deutscher Dummheit leiden zu wollen. Und so nimmt das Unheil seinen Gang. Die Eisenbahn ist kaputt.

Ab Dienstag senkt Gazprom die Gaslieferungen durch die Nord Stream 1 Leitung auf nur noch 20 Prozent der Kapazität der Leitung und trifft damit Deutschland, das auf russisches Gas gesetzt hat wie auf das Selbstverständlichste der Welt und allen Warnungen zum Trotz. 

Energiekrise in Deutschland
Stuttgarter Erklärung: Professoren fordern Weiterbetrieb der Kernkraftwerke
Gazprom begründet diesen Schritt damit, dass eine weitere Turbine einer Verdichterstation zur Wartung anstehe und außer Betrieb genommen werden müsse – erkennbare Schwindeleien eines Wladimir Putin, nicht weiter überraschend. „Russland bleibt ein maximal zuverlässiger Lieferant“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow dazu der Agentur Interfax zufolge. War das nicht das Credo der deutschen Energiepolitik seit Schröder, Merkel, Scholz, die zusammen mit den Größen der deutschen Industrie genau dieses Märchen immer wiederholten? Die Energiehändler sehen das anders.

Währenddessen springt der Gaspreis weiter in die Höhe und steigt an der Energiebörse in Amsterdam um 7,7 Prozent im Vergleich zum Freitag an. Auch der Strompreis steigt an: Parallel zum Gaspreis hat auch er sich vervierfacht. Wer sich mit Energie auskennt, kümmert sich nicht um das grüne Märchen, dass Gas und Strom nichts miteinander zu tun hätten. Das reicht vielleicht für eine Gute-Nacht-Geschichte, um Anhängern der Grünen das Einschlafen zu sichern, aber nicht für die Energieversorgung. Nach Auskunft des Bundesverbands der Energie und Wasserwirtschaft fließen 14,5 Prozent des Erdgases direkt in die Stromproduktion. Das ist viel und doch zu wenig: Wird Gas knapp, steigt die Nachfrage nach Heizstrom; weswegen die Deutschen schon mal Heizlüfter auf Vorrat kaufen.

Man kann eben mit Gas heizen, wahlweise mit Strom, wenn es den noch gibt. Nur Robert Habeck und die grünen Energiepolitiker leugnen das. Damit zurück zum kleinen, trotzigen Jungen und seiner Spielzeugeisenbahn: Wenn Deutschland also seine Infrastruktur zerstört und inmitten der Trümmer immer noch das Märchen erzählt, dass Gas und Strom nichts miteinander zu tun haben – was soll dann Solidarität? Und vor allem, warum lassen sie dann nicht ihre Kernkraftwerke länger laufen und bringen stillgelegte schnellstmöglich wieder ans Netz? Niemand kann verstehen, dass die deutsche Bundesregierung damit zögert – und dafür „Solidarität“ von Ländern einklagt, die mit großem Aufwand neue Kraftwerke bauen. Politik kann grausam sein zu kleinen Jungs.

Gasnotfall im Durchschnitt

Und so werden langsam die Details des sogenannten Gasnotfallplans öffentlich, auf den sich in Brüssel die Energieminister am Dienstag geeinigt haben. Danach soll der Gasverbrauch EU-weit im Durchschnitt um 15 Prozent gesenkt werden. Im Durchschnitt ist ein gefährliches Wort. Durchschnitt heißt: manche mehr, manche weniger. In dem Fall: Deutschland muss am meisten sparen, um dieses durchschnittliche Sparziel einzuhalten.

Nicht alle EU-Länder haben sich gleichmäßig zum Gassparen verpflichtet. Zypern, Malta und Irland sollen überhaupt nichts sparen. Der Verabredung in Brüssel zufolge soll Italien nur 7 Prozent sparen müssen.

Und das aus gutem Grund. Die spanische Energieministerin bezeichnete den Vorschlag von Brüssel als ausgewogen, die Solidarität könne je nach Mitgliedsland unterschiedlich ausfallen. Sie sagte, dass die anderen Länder nicht für politische Fehler Deutschlands bezahlen wollten, das sich in eine fatale Abhängigkeit von russischem Gas begeben habe. Vermutlich kennt sie aus ihrer Lebenserfahrung die Wut kleiner Jungs. Nur grüne Politiker wie Baerbock oder Habecks Staatssekretär Sven Giegold jubelten diesen Plan hoch und beschworen Solidarität – in Sachen internationaler Politik ein völlig untauglicher Begriff. Und deswegen klappt er auch nicht, der Notfallplan.

Das Erschreckende am Gas-Notplan der EU
Auch Ungarn hat sich gegen die EU-Entscheidung zur Kürzung des Gasverbrauchs ausgesprochen, weil sie den Interessen des Landes zuwiderläuft, so der ungarische Außenminister. Ungarns Premierminister Orbán bezeichnete den Schritt der EU sogar als alarmierend und als einen weiteren Schritt in Richtung Kriegswirtschaft, weil Brüssel die alleinige Kompetenz an sich ziehen wolle, um das Gas irgendwie nach Brüsseler Gusto quer durch Europa zu verteilen – auch an kleine Jungs mit Spielzeugeisenbahn. 

Als nächstes muss der Plan von den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat mit einer qualifizierten Mehrheit beschlossen werden. Das Sparziel bedeutet also, dass Deutschland deutlich mehr als andere Länder sparen müsse, um den EU-weiten Schnitt von 15 Prozent zu erreichen. Für Bundeswirtschaftsminister Habeck kein Problem. Er jedenfalls behauptete, es sei keine Schande, wenn Deutschland mehr als 15 Prozent spare, vielleicht seien auch 16 oder 20 Prozent zu schaffen. Ein Scheitern gibt er ebenso wenig zu, wie er seine Energieblockade aufgibt, die Deutschland schadet. Andere sollen dafür herhalten.

Wirtschaft und Verbraucher hat Habeck nicht befragt. Habeck redet dafür von der europäischen Familie. In dieser Familie gehört er zu den kleinen, zornigen Jungs, die ihre Eisenbahn zerstören und jetzt vor Wut aufheulen und Putin beschimpfen. Die anderen Europäer schauen ihm dabei zu. Und streichen ihm über das Haar. Bloß Gas – das bekommt er nicht. 

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