Tichys Einblick
Wie geht es weiter mit Griechenland? Hier sind 7 Denkfehler, die zu der derzeitigen Krise geführt haben.

Grexit: Die 7 Irrtümer der griechischen Politik

1. Griechenland hat gar kein Geld bekommen

Komplizierte Rechnungen und Nachweise werden geführt, um zu zeigen: Griechenland hat gar kein Geld bekommen, die bösen Finanzmärkte und Banken haben es.  Klar ist: Seit dem Beitritt zur Euro-Zone hat Griechenland seine Staatsverschuldung dramatisch ausgedehnt. Im Frühjahr 2010 stellte sich heraus: Das Land ist überschuldet, und internationale Geldgeber weigerten sich, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen. In mehreren Hilfspaketen sprangen die europäischen Staaten, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds ein und stellten insgesamt 320 Milliarden zu Verfügung; das ist die Troika, die seither die Reformen kontrolliert. Ca. 40 Prozent der griechischen Staatsschuld wurde gestrichen; den Rest der Schuldtitel übernahm die Troika. Die Schulden muß Griechenland mit sensationellen 2,2 Prozent verzinsen, Rückzahlungsbeginn ist 2020. Damit ist klar: Griechenland hat Geld bekommen; seine Schuldenlast wurde reduziert, seine Rückzahlung auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben; es wurde von seinen Schulden dergestalt freigekauft, dass die europäischen Länder in dieser oder jener Form die Schulden der Banken -soweit sie nicht gestrichen wurden – übernommen haben. Griechenland wurde also geholfen – und es hat die volle Summe der Mittel im Wege von Krediten erhalten. Und verpulvert. Übrigens ist das Volumen der griechischen Schulden nicht geschrumpft, sondern wächst weiter. Es kann also nicht von einer Austeritätspolitik die Rede sein, lediglich von einer Verlangsamung der Verschuldung.

2. Die Troika bevormundet das Land

Wahr ist, dass die Kontrolleure der Troika die Umsetzung der vereinbarten Reformschritte kontrolliert und weitere Kreditvergabe davon abhängig macht. Klar, dass Griechenland lieber so weitermachen würde wie bisher: Mit geliehenem Geld gut leben, wenig Steuern zahlen, hohes Sozialniveau; Löhne und Gehälter weit jenseits des wirtschaftlichen Leistungsvermögens. Allerdings sind Griechenlands Schulden auf die europäischen Steuerzahler übergegangen. Nun kontrollieren etwa in Deutschland Rechnungshöfe und  Parlamente die Ausgaben der Regierung bzw. entscheiden darüber. Wieso Griechenland die Mittel der europäischen Steuerzahler unkontrolliert ausgeben sollen darf ist unklar.

3. Deutschland kann sich einen Grexit gar nicht leisten

Das war möglicherweise im Jahr 2010 so: Der Kollaps Griechenlands hätte beispielsweise zur Pleite der Commerzbank führen können, die einer der großen Gläubiger Griechenlands war. Deshalb war die Unterstützung Griechenlands möglicherweise im deutschen Interesse, um eine Finanzkrise zu vermeiden. Schon damals warnten allerdings Kritiker vor einem Schrecken ohne Ende und empfahlen den Grexit. Doch dies ist eine Debatte für Rechthaber und Historiker. Die Lage heute ist anders: Der Bundeshaushalt steht mit insgesamt bis zu 80 Milliarden € für Griechenland gerade. Das ist eine gewaltige Summe. Aber da ohnehin niemand erwartet, kann man diese Summe streichen. Dann erhöht sich zwar die Bundesschuld um diesen Betrag – aber fällt nicht ins Gewicht. Der Bund steht derzeit mit 2.500 Milliarden in der Kreide. 80 Milliarden sind grob gerechnet 3 %. Unschön, aber der Wahrheit muß man ins Auge schauen: Eigentlich gehörten sie von Anfang an dazu gerechnet. Im übrigen gibt es keine wirklich nennenswerte Exporte mehr nach Griechenland. Das Land ist wirtschaftlich für Deutschland bedeutungslos.




4. Die griechische Regierung ist doch demokratisch gewählt!

Unbestritten. Aber was hat das mit den Schulden zu tun? Das ist wohl das beliebteste Argument im Augenblick: Die neue Regierung ist doch neu gewählt und kann daher neu entscheiden. Auch neugewählte Regierungen sind an Gesetze gebunden; selbstverständlich gelten alle Gesetze weiter, wenn eine neue Regierung kommt. Das sichert die Bürger vor Willkür, schafft Beständigkeit und Vertrauen. Jede neue Mehrheit kann Gesetze ändern, soweit die Verfassung nicht bestimmte Grenzen setzt. Das gilt auch für Verträge. Sie binden nicht eine Regierung, sondern das Land. Stellen wir uns einmal vor, alles würde gewissermaßen am Wahltag auf Null gestellt: Eine unmögliche Situation. Deshalb ist die neue Regierung an die Verträge der alten gebunden – ob das jetzt klug war oder nicht, was die damalige Regierung getan hat. Wenn es unklug war, wurde sie ja abgewählt – aber wirkt weiter. Interessanterweise findet dieses Argument gerade in Deutschland wieder viele Anhänger, das Schlagwort geht um vom „Primat der Politik“.  Dabei schwingen im Hintergrund die Energiewende und Schiedsgerichtsverfahren mit. Es soll Deutschland doch erlaubt sein, aus der Kernenergie auszusteigen. Das ist es auch. Aber selbstverständlich müssen Unternehmen, die auf bestehenden Regelungen investiert haben, dafür entschädigt werden. Weil nationale Gerichte nicht immer wirklich, wirklich unabhängig sind, werden dafür oft an neutralen Orten Schiedsgerichte vereinbart, die Streitfragen klären sollen. Derzeit klagt der schwedische Staatskonzern Vattenfall auf ca. 4-5 Milliarden € Schadensersatz für die Stilllegung seiner deutschen Kernkraftwerke. Auch hier gilt: Regierungen sind an Regeln gebunden; sie können sie vielleicht aufheben, aber müssen dann Schadensersatz leisten. Wäre dies nicht der Fall würde weltweit die Investitionstätigkeit zurückgehen, weil niemand vor willkürlichen politischen Entscheidungen sicher wäre. Gerade in Deutschland scheint das Bewusstsein dafür verloren gegangen zu sein. Aber es bleibt dabei: Verträge sind einzuhalten. Anders ist eine irgendwie geartete Zusammenarbeit mit Griechenland oder innerhalb Europas nicht vorstellbar. Kleiner Hinweis: Auch die Sowjetunion hat internationale Schulden des früheren Zarenreichs abbezahlt – und Deutschland die Schulden der Nazis. Ein Neubeginn beginnt immer auf den Schultern der früheren Vereinbarungen.

5. Aber die wollen nur das Beste für ihr Land!

Stimmt. Das Beste für Griechenland ist leider unser Geld. Wenn die es nehmen, haben wir es nicht. Die möglichen Risiken eines Grexit liegen bei den Griechen. Er käme schon heute, wenn die Europäische Zentralbank die griechischen Banken nicht künstlich durch immer neue Milliardenhilfen am Leben hielt. Denn die Griechen stimmen per Geldautomat ab: Sie heben ihr Geld ab und zeigen damit, dass sie den Grexit erwarten und ihrer Regierung mißtrauen. Wie der Grexit funktioniert und welche Chancen und Risiken damit verbunden sind lesen Sie hier. Wobei klar ist: Europa wird sich voraussichtlich erpressen lassen und Griechenland mit weiteren Milliarden unterstützen. Die wird hauptsächlich Deutschland finanzieren. Denn Portugal, Irland, Slowenien, usw werden einen Teufel tun, den aus ihrer Sicht griechischen Luxus zu finanzieren.

6. Geld kann man doch drucken. Wo ist das Problem?

Tatsächlich hat die Europäische Zentralbank auf unterschiedlichsten Wegen Griechenland riesige Milliardenbeträge zur Verfügung gestellt. Sie wurden, um im Bild zu bleiben, „gedruckt“. Deshalb verliert der Euro seinen Wert gegenüber anderen Währungen wie Dollar und Schweizer Franken. Weitere künstliche Finanzierungen über die Notenbank für Griechenland würden dazu führen, dass auch andere Länder dieses Recht der Finanzierung ihrer Staatshaushalte beanspruchen. Damit würde Geld nicht mehr knapp, sondern stünde gewissermaßen unbegrenzt zur Verfügung. Klingt gut. Aber niemand würde mehr dieses Geld als Wertaufbewahrungsmittel akzeptieren; im Ausland würde es sehr schnell nicht mehr als Zahlungsmittel akzeptiert. Damit würde der Euro als Währung verschwinden, durch Dollar, Gold oder eine „Zigarettenwährung“ ersetzt werden: Vor der deutschen Währungsreform war die Reichsmark, nachdem sie beliebig gedruckt wurde um den Krieg zu finanzieren, so faktisch wertlos, dass Zigaretten die Funktion des Geldes übernahmen. Das Problem mit Griechenland ist nicht, dass wir es subventionieren. Das Problem ist, dass wir dabei sind, europaweit unsere Geldordnung zu zerstören und damit unsere wirtschaftlichen Grundlagen.

7.  Was will die griechische Regierung?

Offensichtlich handelt es sich um eine linksradikale Regierung, die die Funktion der Wirtschaft außer Kraft setzen will. Europa soll den vergleichsweise hohen Lebensstandard Griechenlands finanzieren. Gerade weit ärmere Länder weigern sich aber; warum sollten sie auch? Die neue griechische Regierung sieht Europa als eine Art Geldautomat, aus dem man beliebig viel herausholen kann. Nun wurde innerhalb der Europäischen Union immer schon hart verhandelt, erbittert gestritten und wurden jede Menge fauler Kompromisse geschlossen. Legendär ist Maggie Thatchers Satz „I want my Money back“ aus dem Jahr 1984, mit der sie eine Senkung der britischen Beiträge zur Europäischen Union erzwang. Auch Deutschland ist nicht nur nett, sondern setzt seine Interessen auch mit aller Härte durch. Doch Griechenlands Politik hat eine neue Qualität: Während François Hollande und Angela Merkel in Minsk mit Putin um den Frieden in der Ukraine verhandelte, versuchte Griechenland, Europa mit einer Annäherungspolitik an Russland zu erpressen. Damit hat sich Griechenland moralisch aus Europa entfernt und sollte auch aus der Union entfernt werden. Davor allerdings schreckt Griechenland zurück. Durch einen Grexit würde das Land auf das Niveau der armen 60er-Jahre zurückfallen; verarmt, isoliert, korrupt und einer sozialistischen Regierung ausgeliefert; allenfalls das Kosovo käme als Vergleich in Frage. Der Glanz der neuen Regierung wäre schnell futsch. Schon jetzt fliehen die Griechen, indem sie ihre Euros abheben und verstecken oder nach Europa in Sicherheit bringen. Damit zeigt sich: Sie vertrauen ihrer Regierung nicht mehr, kaum dass sie im Amt ist. Sozialismus funktioniert wunderbar, so lange man das Geld anderer ausgeben kann. Das ist wohl die Hoffnung auch der griechischen Links-Regierung. Die anderen sind wir.