Tichys Einblick
Angst als Staatsraison

Deutschland im Herbst: Klima und/oder Corona

Sommer nennt man die kurze Zeitspanne zwischen Lockdown und Lockdown. Oder Lockdown und Klima. Jedenfalls kommt ein Herbst der politischen Aktivisten, weniger der Wirtschaft.

imago images / Gottfried Czepluch
In der zweiten Augusthälfte wird der Sommer immer schon etwas müde und die Nächte kühler. So muss es sein; wir sind erholt, die Natur wirkt erschöpft. Aus den Nachbargärten zieht der Duft von Gegrilltem herüber; vermutlich liegen da allerdings keine Stücke vom handgestreicheltem japanischen Rind auf dem Rost mit Bio-Kohle, sondern preiswerte Nackensteaks von Tönnies; jedenfalls ist der Duft nicht anders als in den Vorjahren und schon gar nicht weniger. Neu in diesem Sommer: Wir sollen Tofu essen, der aussieht wie Koteletts, statt richtigen, und Aldi verkauft brav Soja-Fisch in Panade; Ersatz-Fisch, der nur in Chemie gebadet hat, aber in keinem Meer: sollten wir nicht natürlicher essen und möglichst regional, und jetzt kommt diese Palmölpansche auf den Tisch? Eher nicht. Politiker verlangen ja viel von uns und alle nicken und machen weiter wie bisher. (Wessen Agentur ist Politik heute noch mal? Die der Natur nicht, sondern der von Wettbewerb befreiten Konzerne.)
Der Herbst kommt mit Klimagebrause

Die Bundeskanzlerin will daher zum Schulanfang zwei Mädchen empfangen und damit den Eintritt in die Herbstsaison der Politik einläuten. Greta Thunberg und Luisa Neubauer sollen uns daran erinnern: Wer Corona überlebt hat, könnte trotzdem an Klima sterben. Die große Windmaschine wird wieder angefahren; kaum ist die Augusthitze vorbei, pfeift uns die heiße Luft mit Klimagebrause aus Berlin um die Ohren. Einfach die Spätsommertage genießen – das geht so was von gar nicht. Der goldene Herbst wird schwarz. Der Lockdown hat uns wenigstens eine Klimapause beschert, aber nur vorübergehend. Kaum fangen die Schulen wieder an, da sollen sie am Freitag schon wieder aufhören. Es ist, als ob die Kanzlerin Normalität fürchtet. Einfach leben und grillen, wie es uns gefällt, das geht ja so was von gar nicht. Aktivismus ist angesagt, das Private ist längst politisch.

Kommt es im Herbst zum Wettkampf der Demonstrationen – wer bringt mehr auf die Straße: Friday oder Corona? Wird es ein fairer Wettbewerb unter gleichen Bedingungen (alle Masken) und gleicher Zählmethode (welche Demonstranten bringen mehr auf die Waage)? 

Ausgangsverbote für uns Teenager

Im späten August will der Sommer noch nicht ganz gehen und der Herbst noch nicht kommen. Jeden Tag alarmierende Zahlen, dass Corona schneller  zurückkommt als verlorenes Reisegepäck. Die ersten Grenzen werden schon wieder dicht gemacht; als ob der Sommer nur eine Art Urlaub von der Käfighaltung gewesen wäre.

Wenigstens diese Pause wurde uns vergönnt, Atemholen vor neuer Anstrengung. Aber wir sind nicht brav genug gewesen. Markus Söder spricht von oben herab zu uns wie sonst Franziska Giffey zu ihren Kindergartenkindern, bloß strenger. Er droht uns mit Ausgehverboten wie Teenagern, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Im Coronazeitalter sind Bürger betreute Objekte; der Souverän ist irgendwo in Quarantäne.

Bekanntlich kommt mit dem schlechten Wetter untergehakt die schlechte Laune; die Mundwinkel werden heruntergeklappt, wenn der Regenschirm aufgespannt wird. Wenn der Sommer geht, wird uns eingehämmert, kommt das Virus zurück. Als wollten sie den totalen Lockdown, die Bürger in die Häuser schicken – und heraus darf nur, wer Maske trägt und applaudiert? 

Die Unwetterwarnung vom kommenden Seuchenherbst zeitigt schon Wirkung. Unternehmen stornieren Bestellungen und planen Überdauern durch Winterschlaf oder im künstlichen Koma. 40 Prozent der Unternehmen sollen lebende Tote sein; Zombies, die überschuldet und ohne Aussicht auf Zukunft noch ein paar Geschäftchen abwickeln. Der Urlaub wird verlängert, für immer mehr früher noch Beschäftigte. Kurzarbeit wird zum Dauerzustand, zum neuen Normalzustand einer Wirtschaft im Dauerschlaf. 

Wer arbeitet, ist der Dumme. Geld muss nicht verdient werden, es kommt zuverlässig aus der Europäischen Zentralbank. Die Angst vor dem Lockdown wird selbst zum Lockdown. Dass die Hälfte der Wirtschaft Psychologie ist, wusste zwar noch Ludwig Erhard und stilisierte sich zum selbstzufriedenen Sinnbild der Zuversicht. Aber das ist lange her. Was das Virus nicht schafft, schafft die Angst: die totale Blockade.

Wir leben nur noch, um Corona zu überleben, und zählen die Toten nur, wenn sie damit gestorben sind. Keine Krankheit zählt mehr, nur noch das schwarze C. Wir registrieren jeden kleinsten Anschlag auf dem neuen Fieberthermometer ungesicherter Tests und vager Statistiken. Wartet nur noch ein Weilchen, bis die Virologen wieder aus der Erholung zurück sind; dann ziehen sie wieder durch die Talkshows und erklären das Unerklärliche; unterbrochen nur von Einspielern der Klimaszene. 

Klima oder Corona – leben und sterben im Zeitalter der Angst.

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