Tichys Einblick
Jung ohne Schwung

CDU-Minister für die GroKo: Regierung der zerbrechenden Eisscholle

Merkels Ministerinnen sollen modern und jung aussehen. Aber wer so Versager wie Ursula von der Leyen mitschleppt, macht damit klar: Es geht nicht um Ergebnisse. Es geht um So-Tun-Als-Ob. Nicht das Sein zählt, sondern der Schein.

© AFP/Getty Images

Wird, was lange währt, wirklich gut? Seit September fummelt also Angela Merkel an einer Regierung herum, und es ist immer noch nicht geworden, was werden soll.

Merkels Als-ob-Minister

Ja, jetzt hat sie ihre letzten Ministerchen benannt, die ihr die SPD noch vergönnt hat. Ihr Rezept ist einfach: Nimm irgendeine Frau, und es sieht so modern, so zeitgeistig aus. Das reicht dann schon, oder?

Aber leider klebt in Merkels Damen-Runde auch Ursula von der Leyen weiter auf am Stuhl des Verteidigungsministers. Es gibt ja keine Ministerin, die offenkundiger versagt hat: Sie hat der Bundeswehr Rechtsdrall vorgeworfen, Offiziere gefeuert, Spinde durchsuchen und in Zimmern herumwühlen lassen; sie hat Offiziere in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, ohne Klärung, ohne Begründung, ohne Rechtfertigung. Die Bundeswehr ist praktisch nicht mehr einsatzfähig. Versagen auf der ganzen Linie als Voraussetzung für eine neue Amtszeit? Danach sieht es aus. Und das liegt wie ein Fluch auf dieser für die Regierung nominierten Riege.

Aber darum geht es Merkel nicht. Ihr geht es nicht ums Regieren, ihr geht es nur um die Vorspiegelung von Regierung. Dafür steht Ursula von der Leyen. Gegen Julia Klöckner und Jens Spahn lässt sich wenig sagen, man setzt Hoffnung auf sie. Bieide sind engagiert und klug. Landwirtschaft muss versuchen, Bayerns Bauern zu befrieden und ein paar Wähler zu halten. Gestaltung ist nicht verlangt, sondern Umverteilung der Agrarmilliarden. Umwelt als wichtiges Gebiet liegt bei den Sozis, die das Umweltministerium beherrschen und Agrar ist immer Umwelt. Viel Spaß. Klöckner kann nicht viel bewegen, und jeder Agrarskandal wird durch sie schöner. Aber Bewegen geht nur anderswo.

Aber darauf kommt es nicht an. Die Lehre von der Leyen sagt ja nur: Spielt schön Minister, so lange es irgendwie geht. Was ihr macht, ist gleichgültig. Im Gesundheitsministerium ist ohne Sozialministerium wenig zu bewegen; alle tieferen Reformen hat Merkel längst abgesagt, schon vor acht Jahren. Es ist ein bürokratisches Verwaltungsministerium übriggeblieben, blockiert von den mächtigen Lobbys der Krankenkassen. Schade um Jens Spahn. Er wird schöne Reden halten und die bald wachsenden Defizite damit kaschieren müssen, aber im Ergebnis nur die kommenden Beitragssteigerungen ans Revers geheftet kriegen. Spahn sei ein Vertreter der jüngeren Generation und könne zur „Generationengerechtigkeit in der Gesundheit und Pflege“ beitragen. Sagt Merkel.  Aber wie denn? Die Demographie läuft gegen ihn, die Kosten für die Flüchtlingsversorgung, für neue Zähne, Hüften und extrem teure TBC-Behandlung laufen aus dem Ruder und verengen jeden Spielraum.

Und Bildung? Bildung bleibt Ländersache. Nicht nötig, sich den Namen der Dame zu merken, die dort wirkt. Sie kann Geld durchleiten, von Berlin aus in die Fläche. Den Mut, das Hochschulwesen zu reformieren hat sie ohnehin nicht. Auch hier gilt: Reden über die Wichtigkeit von Forschung werden wir hören, während die USA und China technologisch noch weiter davon ziehen. Modern machen die anderen, wir reden nur davon.

Kränze für Erhard, Nostalgie pur

Ähnliches gilt auch für Peter Altmaier, den neuen Wirtschaftsminister. Längst ist das Ministerium entbeint, wie ein nasser Waschlappen ohne Gehalt. Geld, Kredit und Europa – das Finanzministerium der SPD sagt, wo es langgeht, dort liegen die Kompetenzen, die nicht zurückgeholt wurden. Das Ministerium bleibt entleert. Unter Wolfgang Clement war das Sozialministerium dazu gekommen; so konnte es gelingen, Schröders Reformen in die Tat umzusetzen. Aber das ist vorbei. Jetzt werden im Wirtschaftsministerium dem legendären Ludwig Erhard Kränze geflochten. Das ist schön, für die Geschichtsbücher, Kapitel „Das war Wirtschaft“. Marktwirtschaft ist Vergangenheit, nicht Gegenwart. Das Ministerium ist Nostalgie pur, nur ein bisserl Windräder dürfen für viel Wind sorgen. Aber wird Altmaier den Mut haben, sich gegen Merkels peinliche Energiewende zu wenden? Garantiert nicht. Er weiß, wie Dankbarkeit geht und Gehorsam.

Regierung der drei Eisschollen

Aber noch ist die Regierungsbildung nicht fertig. Noch nicht mal das ist gelungen.
Jetzt müssen ja noch die Sozis mitmachen. Wenn sie mögen. Oder auch nicht. Vielleicht verhandeln sie noch nach, jedenfalls: Sie lesen den Koalitionsvertrag anders. In ihrem Sinn. Und das ist das Entscheidende.

Daran zeigt sich die eigentliche Schwäche der Regierung Merkel: Sie muss zuschauen, wie die Bundesregierung in drei Kantone zerfällt, in denen jeder die Sache für sich bestimmt: Die CSU regiert für sich, die Sozis wissen es noch nicht einmal, die CDU-Minister sind zum Zuschauen verdammt.

So zeigt sich: Merkels grundgesetzliche Richtlinienkompetenz ist nichts wert. Der Koalitionsvertrag ist Auslegungssache; jeder Minister verwaltet seinen Geschäftsbereich in eigener Verantwortung, sagt das Grundgesetz. Die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin zerschellt am Egoismus der Partner und an ihrer Fähigkeit, widerborstig zu sein. Schließlich sind die SPD-Minister ja nicht von Merkel berufen, sondern von ihrer Partei und deren Mitgliedern. Merkel kann verlangen, was sie will – die SPD wird in ihren Bereichen, den wirklich wichtigen Politikfeldern wie Finanzen, Europa, Außenpolitik, Soziales, regieren, wie sie will. Oder ihre Parteibasis. Die CSU auch.

Diese Regierung ist, was Deutschland nie sein sollte: Dreigeteilt. Merkel ist nur eine Teilzeitkanzlerin, oder eine Kanzlerin auf der schmelzenden Eisscholle, die längst in drei Teile zerbrochen ist. Und diese Schollen treiben auseinander. Das Papier des Koalitionsvertrags hält sie nicht zusammen. So viel Schein statt Sein war noch nie.