Tichys Einblick
Abgesang

Angela Merkel: Zeit für eine Bilanz und eine Politikwende

Die Kanzlerschaft von Angela Merkel quält sich ihrem Ende entgegen. Dieses Land hatte bislang Glück mit seinen Bundeskanzlern. Von Merkel bleiben nur Verfall und Spaltung.

imago Images/photothek

Deutschland hatte umstrittene Kanzler, aber in der Summe Glück mit diesen Männern, auch wenn es meist anders gekommen ist, als sie wollten. Mit Konrad Adenauer und Ludwig Erhard ist das so, die die Fundamente dieses Landes und seines Wohlstands gegossen – und seine Teilung hingenommen haben. Auch mit der schwierigen Person Willy Brandt und seiner Ostpolitik, die zum ganz persönlichen Desaster für ihn wurde. Gerade mit Helmut Schmidt in seiner Ambivalenz: Der wollte der große Weltwirtschaftskanzler werden und hat Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung und Inflation vervierfacht.

Haltung steht für Durchhalten und Mut

Aber Haltung, eiserne Haltung hat er gezeigt im Kampf um die Nachrüstung, die zum Zerfall des Sowjetimperiums führte und gegen den blutigen Terrorismus der RAF und die zahlreichen heimlichen Unterstützer; Entführungen und Mord auf offener Straße, gekaperte Passagierflugzeuge. Wem trauen wir heute zu, die ganz persönliche Verantwortung zu übernehmen für eine entschiedene Haltung, wenn Geiseln mit Ermordung bedroht werden? Helmut Schmidts Haltung steht für  Beständigkeit und Mut, während heute Haltung als Ja-Sagerei nach oben verstanden wird.

Helmut Kohl ist der Kanzler der Wiedervereinigung. Sein größter politischer Fehler ist die Einführung des EURO; er hat gehofft, dass in Europa Verträge wie die von Maastricht zur Sicherung der Währung Bestand haben könnten. Hat er sich getäuscht oder hat er sich täuschen lassen und damit Ludwig Erhards Erbe einer soliden Währung verspielt? Gerhard Schröder ist ein Filou; mit seiner Lebensgier ein Kind der neoliberalen Zeit. Aber mit den Hartz-Reformen hat er dem Land in den Hintern getreten und auf den Weg zum wirtschaftlichen Erfolg zurückgeführt; für die Notwendigkeit der Reform hat er seine Kanzlerschaft aufs Spiel gesetzt. Er hat verloren, das Land gewonnen und der Spieler promovierte zum Staatsmann mit beschränkter Haftung. Das ist mehr, viel mehr als man von seiner Nachfolgerin sagen könnte.

Merkel steht für Wertverlust

Bei so vielen Erfolgreichen wird das Land auch eine Merkel ertragen. Kann es das wirklich? Von ihr bleibt ein desaströser Politikstil, der den inneren Frieden des Landes massiv beschädigt hat. Einzelne politische Fehlentscheidungen muss und kann ein Land ertragen. Merkel allerdings verantwortet Fehlentscheidungen, die Erhards „Wohlstand für Alle“ zu Makulatur machen. Schlimmer noch wiegt ihr politischer Stil, der mehr zerstört hat als die offenkundigen Fehlentscheidungen.

Ihr Politikstil ist das Nichts-Tun, das Warten und dann das Ergreifen einer Chance, um durchzusetzen, wovon sie sich persönlich den größten Nutzen erwartet. Persönlich soll sie sich nicht bereichert haben; es sei denn, es ging um ihren Machterhalt. Dem hat sie die Interessen des Landes und seiner Bevölkerung rücksichtslos geopfert. Sie hat die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängert und dann die Atomkraftwerke abgeschaltet, nachdem ein Tsunami die Küste Japans und die dortigen Atomkraftwerke vernichtet hat. Sie hat dabei die Welle des Populismus nicht gebrochen, sondern verstärkt, um ihr Amt zu retten. Hätte Gerhard Schröder den seinerzeitigen wöchentlichen „Montagsdemonstrationen“ gegen seine Politik nachgeben sollen? Was wäre, wenn Helmut Schmidt angesichts der riesigen Demonstrationen gegen die Nachrüstung eingeknickt wäre? Wenn Ludwig Erhard vor dem Generalstreik gegen die Wirtschafts- und Währungsreform im Sommer 1948 davongelaufen wäre, oder Willy Brandt vor dem Widerstand gegen seine Ostpolitik – nichts wäre von ihnen geblieben. Hätte, wäre, wenn – diese Kanzler sind gestanden, haben bestanden, Haltung bewiesen. Merkel hat sich immer nur an die Spitze des Protests gestellt, der sich gegen ihre Politik gerichtet hat.

So wird die Energie-Infrastuktur einer Industriegesellschaft für ein paar Windräder geopfert, die das Land verschandeln, aber keine dauerhafte Energieversorgung bewirken. Ein paar unschöne Fotos in zugegeben schwieriger Situation und ein negativer Zeitschriftentitel, und sie öffnet die Grenzen für Masseneinwanderung? Diesen Film oder diesen Roman würde man als lächerliche Fiktion zurückweisen. Eine Kanzlerin, die für ein paar süße Selfies das Wohl ihres Landes riskiert, das kann Hollywood nicht erfinden. Ein paar Schulschwänzer am Freitag, und sie peitscht ein Gesetz durch den Bundestag, das Milliarden kostet und das Weltklima dadurch zu ändern versucht, dass Ölheizungen abgewrackt werden? Man vermag sich nicht vorzustellen, womit sich eine Nation beschäftigen lässt.

Karriere durch Mithilfe beim Machterhalt

Schlimmer noch ist ihr Politikstil. Ja, sie ist genial im Erkennen und Ausnutzen einer politischen Möglichkeit. Ja, sie hat ihre Partei und Koalition so an die Kette von kleinen finanziellen, karrieremäßigen oder sonstigen Vorteilsnahmen gelegt, dass ihr geradezu widerspruchslos gefolgt wird, mit Blick auf den eigenen Vorteil und ihren Machterhalt. Ja, das ist eine Kunst, eine Trickkunst, eine unanständige. Denn mit diesen jeweils putschartigen Überfällen hat sie das Land gespalten. Um die Wiederbewaffnung unter Adenauer, um Brandts Ostpolitik, um Schmidts Nachrüstung, um Kohls Euro-Politik, um Schröders Hartz-Reformen, um diese und viele anderen Weichenstellungen wurde lange gerungen. Am Ende haben auch die Gegner damit ihren Frieden gemacht; weil Kompromisse gefunden wurden wie in der Ostpolitik, Erfolge wie bei Erhards Währungsreform oder Schröders Hartz-Programmen, die Zweifler schnell überzeugten oder die harte Haltung gegen Terrorismus und Gewalt wie bei Helmut Schmidt von der Wehrhaftigkeit der Demokratie zeugten und überzeugten. Merkel überzeugt nicht. Sie läßt Kritiker ausgrenzen und diffamieren. Das kann sie. Mehr nicht. Es ist eine destruktive Fähigkeit, die mehr zerstört als einzelne Fehlentscheidungen, weil sie die demokratische Kultur des Landes zerstört.

Gegner von Merkels Politik wurden nie gehört, hatten nie die Chance, Alternativen aufzuzeigen oder Kompromisse anzunehmen. Sie werden pauschal als „rechts“ diffamiert und von einer liebedienerischen Hauptstadtpresse verfemt. Aber ihre Politik überzeugt nicht. Der Euro taumelt in immer tiefere Krisen, wie der Blick auf das Bankkonto zeigt; die Konjunktur lahmt, die Arbeitsplätze gehen verloren und die Energiewende ist ein Witz; die Einwanderungspolitik ein gefährliches Spiel mit der Zukunft einer Gesellschaft. So spaltet sie das Land immer weiter in zwei zunehmend unversöhnliche Lager.

Diese Frontstellung ist die eigentliche Folge und Gefahr für dieses Land; die Zerstörung der Fähigkeit zur Kompromissfindung, die Lähmung des Parlamentarismus und der Parteiendemokratie. Helmut Kohl hat beim Euro die Erfahrung gemacht, dass in Europa nicht das Recht zählt, an das die Deutschen so gerne glauben und worüber sich die Franzosen pragmatisch schulterzuckend hinwegsetzen. Unter Angela Merkel haben wir gelernt, dass der bewusste und vorsätzliche Rechtsbruch durch eine Bundeskanzlerin möglich ist, weil man ihr Zeit und fahrlässig Gelegenheit gegeben hat, die Institutionen des Landes zu schleifen statt zu stärken. Das Vertrauen in Recht und Institutionen ging verloren, weil die Frau an der Spitze damit spielt, um ihre persönliche Macht zu erhalten.

Das Land wirkt gelähmt und Bürgersinn ausgehöhlt, Merkels rotgrünes Lager wird umso aggressiver und bedrohlicher in dem Maße, wie man dort spürt, dass diese Politik nicht nachhaltig wirkt, sondern zerstörerisch. Nicht die Politik wird geändert, sondern auf die Mahner und Kritiker eingeprügelt, die Meinungsfreiheit eingeschränkt, die Polizei und Justiz zum Büttel ihrer Allmachtsvorstellung gemacht, nachdem eine willfährige Medienlandschaft zur Jubelpresse verkommen ist. Das ist ihre Bilanz. Daran tragen auch viele Mitwirkende Verantwortung, die sie natürlich abschütteln; sie sind es nicht gewesen, sie waren nur dabei.

Dieses Land braucht eine Politikwende. Denn dieses Land hatte gute Kanzler und hat eine schlechte Kanzlerin.

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