Tichys Einblick
Neues Jahr 2022

Alles Gute für das Neue Jahr! Es werden märchenhafte Zeiten

Das neue Jahr beginnt man in der Regel mit guten Vorsätzen. Aber heuer? Die alten, eingeübten Vorsätze mit der Halbwertszeit 15. Januar taugen nichts mehr. Neue müssen her und alte Märchen für ein verrücktes Jahr, das den Aufbruch in eine neue Zeit markieren soll.

Das Rauchen aufzuhören, ist obsolet geworden in einer Gesellschaft der tugendhaften Nichtraucher und der schrumpfenden Minderheit der Raucher, die draußen in der Kälte stehen. Mehr Sport und weniger Kilos klingt heroisch. Immer schon. Aber seit wir gewaltsam zu Stallhasen degeneriert wurden, ist unser Freilauf auf die Distanz Kühlschrank-Netflixsessel reduziert; wie Zelleninsassen graben wir Schlurfspuren ins Parkett.

Sich mehr um die Familie kümmern ist ein zweifelhafter Rat in einer Zeit, in der wir eher an zu viel Nähe leiden als an zu wenig. Mehr lesen? Es hapert eher am Nachschub. Vielen Dank dafür an eine aufmerksame Leserin, die mich mit einer schönen Ausgabe von Stefan Zweigs „Schachnovelle“ beglückt hat: Ein Unbekannter schlägt den Schachweltmeister – er hat mit gefärbten Brotkügelchen und später nur mit der Kraft der Imagination mit sich selbst Schach gespielt; zuletzt waren die Lichtbalken zwischen den Gitterstäben seines Gefängnisses das Schachbrett. Bald sind wir so einsam wie dieser Insasse einer Haftanstalt, und wenn wir uns nicht mit uns selbst beschäftigen, werden wir wahnsinnig.

Corona bringt uns aus dem Lot. Vielleicht ist das der einzig wirklich gute Rat: sich nicht mehr daran zu halten. Vielleicht sind Angst, Sorge und Depression auch Einfallspforten für das hinterhältige Virus?

Verschreiben wir uns also am Besten selbst Fröhlichkeit, weil Depression und Angst von uns erwartet, verlangt wird und als neue gesellschaftliche Tugendhaftigkeit gelten soll. Verschreiben wir uns Feste, Freundschaft, Feiern, weil man es uns untersagen will. Der Mensch lebt nicht vom Kampf gegen das Virus allein; wir leben nicht vom Tod, sondern vom Tanz.

Wir leben eben in historischen Zeiten.

Egal ob Corona oder Klima, die regierende Politik scheint dem legendären Satz über das vietnamesische Dorf Ben Tre zu folgen, über das der befehlshabende US-Offizier im Vietnam-Krieg gesagt haben soll: „Wir mussten Ben Tre zerstören, um es zu retten“.

Sie zerstören pünktlich mit der Jahreswende unsere Energieversorgung, um uns zu retten. Sie verlängern Corona trotz aller sichtbaren Entspannung – und zerstören unsere Gesellschaft.

Wie kann man da fröhlich sein, optimistisch? Es kommt eben auf den Vergleich an, auf den Maßstab. Und längst ist diese bisherige Kurzzeit-Regierung nur noch mit märchenhaften Vergleichen zu fassen.

Greifen wir auf die Literatur zurück. Nachdem sie beim Bau des Rathauses die Fenster vergessen hatten, trugen die Schildbürger das Licht in Säcken und Fässern hinein. Das erinnert mich an unseren Energieminister Robert Habeck, übrigens in Literaturwissenschaften promoviert, der mehr Windräder zur Lösung der Energieknappheit bauen lässt, obwohl sie sich statistisch gesehen nur jeden fünften Tag drehen. Mehr Windräder, die sich nicht drehen, bringen mehr Licht ins Rathaus.

Im Schwäbischen nennt man ihn den Entenklemmer. Der klemmt und drückt der Ente in den Po, um festzustellen, ob die Ente in nächster Zeit ein Ei legen wird. Ist dies der Fall, darf die Ente nicht aus dem Stall heraus, damit das Ei nicht draußen im Freien verloren gehen kann. Erinnert Sie das nicht an Karl Lauterbach? Er drückt auf jeder Statistik herum, ob er nicht irgendwie eine steigende Inzidenz herauspressen kann. Denn ohne Corona wäre er in keiner Talkshow gelandet, kein Minister geworden – und nach Corona ist er so bedeutungslos wie vorher.

Oder der kluge Christian. Christian besucht Gretel, sie schenkt ihm eine Nadel, die er im Heuwagen heim bringt. Seine Mutter sagt, er hätte die Nadel an den Ärmel stecken sollen. Das tut er dann mit dem nächsten Geschenk, einem Messer. Er hätte es besser in die Tasche stecken sollen. So steckt er dann die Ziege in die Tasche. Dann zieht er ein Speckstück am Seil nach, wobei es die Hunde fressen, trägt ein Kalb auf dem Kopf, wobei es ihm das Gesicht zertritt. Was immer Christian Lindner anstellt – er macht es falsch auf seinem unvermeidbaren Weg an die Regierung; große Worte und Versprechungen, die daneben gehen.

So haben wir einen Kanzler, der deklamiert in seiner Weihnachtsansprache: „Wir brechen auf in eine neue Zeit.“ Man wäre schon zufrieden, wenn die Verwaltung der Gegenwart halbwegs funktionieren würde und die Brücken wieder befahren, der Strom wieder billiger und die Menschen wieder ihrer Arbeit und ihrem Leben nachgehen könnten. Er ist unauffällig an die Macht gekommen und geht damit um wie Hans im Glück mit seinem Klumpen Gold, der so drückt auf der Schulter und so schwer ist. Da tauscht er ihn gegen ein Pferd, das in eine Kuh, die Kuh für ein Schwein, das Schwein für eine Gans und die zuletzt für einen Stein – der ihm auf die Füße fällt. Olaf im Glück ist dabei, den Wohlstand des Landes einzutauschen; am Ende des Märchens ist Hans übrigens glücklich, denn er ist frei von jeder Last.

Merke: Manches Märchen und manche Literatur endet ja tröstlich. Wie Gottfried Kellers „Kleider machen Leute“. Der Schneider hochstapelt sich durch, fliegt auf, heiratet sich hoch und wird am Ende reich mit seinem Kleider-Atelier. Ähnlichkeiten mit einer Ministerin, als deren herausragendste Qualität ihr plissierter Rock von der FAZ gerühmt wird, sind historisch nicht verbürgt.

Und so erzählt sich auch die Geschichte der Bremer Stadtmusikanten. Der alte Esel soll geschlachtet werden. Deshalb flieht er und will Stadtmusikant in Bremen werden. Unterwegs trifft er nacheinander auf den Hund, die Katze und den Hahn. Sie alle sind alt, und es soll sich ihrer entledigt werden. Gemeinsam beschließen sie, sich als Stadtmusikanten durchzubringen. Auf ihrem Weg kommen sie in einen Wald und beschließen, dort zu übernachten. Sie entdecken ein Räuberhaus. Indem sie sich vor dem Fenster aufeinanderstellen und mit lautem „Gesang“ einbrechen, erschrecken und vertreiben sie die Räuber. Die Tiere setzen sich an die Tafel und übernehmen das Haus als Nachtlager, und der Räuber geht ihnen aus dem Weg.

Wo ist der Bezug zur Wirklichkeit? Wer ist der Räuber, wer sind Esel, Hund, Katze und Hahn? In Bremen ersetzen die Vier das Ampelmännchen. Und wenn Sie die richtige Antwort finden hinsichtlich des Wirklichkeitsbezugs, flüstern Sie diese bitte nur leise. Es könnte sein, dass Sie sonst als Verfassungsfeind gelten.

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