Tichys Einblick
Task Force PCK Schwedt gescheitert?

Zukunft der PCK-Raffinerie: In Potsdam liegen die Nerven blank

Die verantwortlichen Wirtschaftspolitiker in Berlin und auch in der brandenburgischen Hauptstadt Potsdam bekommen es mit den Sorgen der Mitarbeiter der PCK-Raffinerie in Schwedt zu tun. Deren Zukunft ist durch ihre Politik in Gefahr.

Pumpstation für die Erdölleitung Rostock-Schwedt

IMAGO / BildFunkMV

Der einzige Ort, an dem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bisher nicht scheiterte, findet sich in den deutschen Medien. Gern verbreitete man im Januar die Nachricht, dass das PCK Schwedt zu 70 Prozent ausgelastet sei, doch hat man Phantasie und Realität verwechselt, denn das Bundeswirtschaftsministerium hatte eine Auslastung von 70 Prozent lediglich für den Januar versprochen, aber die Zusicherung natürlich nicht halten können. Die Auslastung lag bei ca. 54 bis 56 Prozent. Nach dem die Komödie in Schwedt, in der sich Robert Habeck als Visionär und Retter zu inszenieren versuchte, vollkommen durchgefallen war, scheint Robert Habeck sich nicht mehr ins PCK Schwedt zu trauen. Den größten Bogen, den er um die Uckermark schlagen kann, mochte für ihn die teils in Brandenburg liegende Lausitz zu bieten. Gestern wollte er sich mit den Chefs der LEAG, die zu den großen Stromversorgern der Republik gehört und ihren Sitz in der Lausitz hat, treffen, um dafür zu sorgen, dass die LEAG den Kohleausstieg auf das Jahr 2030 vorzieht. Habeck braucht nach Lützerath vor seinen Parteifreunden diesen Erfolg, die Region dürfte ihm dabei vollkommen egal sein. Das weiß oder ahnt man in der Lausitz, schließlich hat man die Kompetenz dieses Minister in Schwedt beobachten können. So wurde Habeck bereits von Auszubildenden der LEAG erwartet, die sich zu Recht Sorgen um ihre Jobs, um ihre Zukunft machen. Sie hatten Schilder dabei, auf denen stand: „Was ist mit uns?“ und „Nicht auf unserem Rücken!“ und auf einem stand: “Wir sind die letzte Generation“, wobei „letzte“ durchgestrichen und darüber geschrieben war: „nächste“. “Wir sind die nächste Generation“

Hier standen eben nicht die Töchter und Söhne der Bionade-Bourgeoisie, die von ihren Eltern leben, ein bisschen im Tattoo-Studio jobben, ihre mediale Berühmtheit genießen, sich ungeheuer wichtig fühlen, weil sie gerade die Welt retten, und zur Erholung in den Fernen Osten düsen, sondern einige der vielen jungen Menschen, die eine Ausbildung absolvieren, die ihren Lebensunterhalt verdienen, die Familien gründen wollen, die weder gendern, noch den ganzen Tag darüber nachdenken, welchen Geschlechts sie seien. Eine Jugend, die in den öffentlich finanzierten, grünen Medien nicht mehr vorkommt, nicht mehr „sichtbar“ ist. Auf eine Holzwand hatten die Auszubildenden einen Vertrag geklebt, dessen erster Artikel lautete: „Der Kohleausstieg wird nicht vorgezogen.“ Habecks einzige Antwort darauf: „Ich fänd’s cooler, wenn wir im Gespräch bleiben.“ Unterschreiben wollte er selbstredend nicht, was gehen ihn diese jungen Leute in der Lausitz an, mit denen er nicht die geringste biographische Erfahrung teilt?

In Schwedt jedenfalls sahen sich die Mitarbeiter des PCK gezwungen, weil ihnen der coole Gesprächspartner abhanden gekommen war, ihm einen Brief zu schreiben, in dem steht: „Mit Erstaunen und Befremden haben die Beschäftigten der PCK Raffinerie die Nachricht aufgenommen, dass die Bundesregierung sich gegen einen Neubau einer zweiten Pipeline von Rostock nach Schwedt entschieden hat und dass Polen weiterhin über die Druschba mit russischem Öl versorgt wird.“ Vollkommen richtig weisen sie daraufhin, dass die „PCK-Raffinerie…über viele Jahrzehnte ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen“ war, „das in dieser Region maßgeblich zu einer guten Entwicklung beigetragen hat. Wir lassen uns diese Erfolge nicht wegnehmen und fordern Sie deshalb auf, Ihre Entscheidung zu korrigieren.“

Ungewisse Zukunft der Raffinerie in Schwedt
PCK Schwedt: Eine Pressekonferenz, die beruhigen sollte, beunruhigt zutiefst
Dass weder Robert Habeck, noch Michael Kellner, Habecks Verantwortlicher für das PCK, bereit sind, etwas zu überdenken, noch zu korrigieren, wurde am Montag auf der Pressekonferenz der Task Force PCK in Potsdam deutlich. Die Sondersitzung dürfte wie das Hornberger Schießen ausgegangen sein. PCK Chef Ralf Schairer durfte allen Anschein nach nicht auf das Podium, um womöglich nicht mit Fragen konfrontiert zu werden, die lieber Wirtschaftsminister Steinbach für ihn beantwortete. Der einzige Plan, der im Bundeswirtschaftsministerium für Schwedt zu bestehen scheint, dürfte darin bestehen, dass Schwedt zum Wasserstoff-Paradies wird, wie Habeck in seinen Träumen dichte Wälder in der Lausitz von Windkraftanlagen sieht, ein Koloss neben dem anderen, und Parks voller Sonnenpaneele.

In Potsdam liegen inzwischen die Nerven blank. Im Landtag kündigte gestern der Brandenburger Wirtschaftsminister Steinbach an, dass sich Ministerpräsident Dietmar Woidke direkt an Bundeskanzler Olaf Scholz wenden und um Hilfe bitten würde. „Es wird einen Zeitpunkt geben (…), dass man sagt, diese Task Force an der Stelle ist nicht der ausreichende Hebel.“ Verklausulierter und zugleich klarer kann man das Scheitern der Task Force PCK nicht ausdrücken. Die Angst scheint der Landesregierung im Nacken zu sitzen, dass nach der Revision (Wartung und Kontrolle) der Anlage im Mai nicht genügend Erdöl zur Verarbeitung bereitsteht. Verschafft die Revision eine Atempause, ist sie doch denkbar kurz. Die Landesregierung hat auch allen Grund zur Sorge, trägt sie doch ein gehöriges Maß Mitschuld an dem, was auf Schwedt zukommt. Es ist schwer vorstellbar, dass man in Potsdam wirklich daran glaubte, dass Habecks Pläne aufgehen könnten. Schon im Vorfeld gab es genügend Streit zwischen dem brandenburgischen Finanzministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium. Dietmar Woidke und Jörg Steinbach sind den Habeck-Weg dennoch mitgegangen, warum bleibt ihr Geheimnis. Wenn Woidke mühsam Zuversicht verbreitet, stellt das im Lichte seiner skeptischen Bemerkungen ein ziemlich klägliches Pfeifen im Wald dar. Zudem kann man sich Woidkes Zorn darüber vorstellen, dass freiwillig das PCK kein russisches Erdöl mehr bezieht, Polen aber munter weiter russisches Erdöl durch die Drushba importiert. Es mag sein, dass Habeck sich von den Polen hat über den Tisch ziehen lassen, doch war es Woidkes Tisch, ist es der Schwedter Tisch, über den Habeck gezogen wurde.

Der Präsident des Unternehmerverbandes Berlin und Brandenburg, Burkhardt Greiff, schrieb: „Was nun Herr Kellner? Wie sieht es denn im PCK Schwedt und mit der Versorgungssicherheit für die ostdeutsche Industrie und die privaten Endverbraucher hinsichtlich Diesel, Benzin und weiteren Verarbeitungsprodukten aus?Die heile PCK-Welt nach dem Pipilotta- bzw. Kellner-Prinzip (Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium) – ich bau mir die Welt, wie sie mir gefällt – funktioniert nicht. Das Misstrauen der Brandenburger Landesregierung und vieler Unternehmen gegenüber dem Bund, das PCK zu retten, ist eher größer geworden. Kellner-Zusagen mit Lieferverträgen die Situation zu heilen, harren noch ihrer Umsetzung. Angebliche Zugeständnisse aus Polen und Kasachstan sind nicht vertragsreif, obwohl Berlin seit Sommer letzten Jahres mit Kasachstan verhandelt. Informationen zur Kapazitätsauslastung schwanken zwischen 60% (PCK) und 70% (Bund). Die überschaubaren Probelieferungen aus Polen, Kasachstan und weiteren Herkunftsländern ändern lt. Expertenmeinungen kaum den Druck in den Leitungen. Polen bezieht derweil noch Erdöl aus Russland, da die EU bisher keine Sanktionen gegen Pipelinelieferungen beschlossen hat. (….) Die Hoffnung stirbt bekannterweise zuletzt. Da Russland in den letzten Jahren eine eigene sog. Schattenflotte aufbaute und über diesen Weg sanktioniertes Öl auf dem Weltmarkt und über Drittländer an Deutschland und die Welt bzw. Abnehmer in Deutschland verkaufte und verkauft, können wir uns beruhigt zurücklehnen und ein Tässchen Tschai trinken und hoffen, dass die Preise an den Tankstellen stabil bleiben.“

Habeck und Kellner, Deutsche Meister in der Disziplin, sich einen schlanken Fuß zu machen, haben schon erklärt, dass sie zwar gern helfen wollen bei der Beschaffung von Rohöl, doch verantwortlich dafür seien die Gesellschafter. Sie haben dabei nur vergessen, dass damit die Bundenetzagentur als Treuhänder nach Habecks Willen verantwortlich ist. Ohne jemanden zu nahe treten zu wollen, dürfte wohl kaum jemand in der Bundesnetzagentur ein Fachmann für den äußerst komplizierten und fallenreichen Ölhandel zu sein, niemand, der über unternehmerische Erfahrung in der Branche verfügt.

Woidke hat zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass ein großes Problem in der Gesellschafterstruktur besteht. Passend dazu tönt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium, wie erfreut man darüber sei, dass großes Interesse für den Einstieg in das PCK vorläge. Fakt ist zur Stunde, dass Rosneft unter Treuhand gestellt ist und der zweitgrößte Gesellschafter, Shell, sich aus Schwedt zurückziehen will. Fakt ist auch, dass am 22. Februar in Leipzig vor dem Bundesverwaltungsgericht der Antrag der Bundesregierung auf Abweisung des Verfahrens, dass Ronseft gegen die Treuhand seiner Anteile erhoben hat, abgewiesen wurde, d.h. es wird zum Prozess kommen. Die Beweisaufnahme ist für den 7. und möglicherweise für den 8. März geplant. Mit einem Urteil kann frühestens in 14 Tage gerechnet werden. Im Mai will Habeck eine Veränderung des Energiescherungsgesetz durch den Bundestag bringen, der die Enteignung von Rosneft erlauben würde. Selbst, wenn die Bundesregierung sich in Leipzig durchsetzen würde, wofür ihre Karten in der allgemeinen politischen Situation so schlecht nicht stehen, dürfte Rosneft gegen die Enteignung klagen und möglicherweise ein internationales Schiedsgericht anrufen. Die Gesellschafterfrage wird immer mehr zu einem Problem.

Rosneft argumentiert laut einem Bericht der Märkischen Oderzeitung interessanterweise damit, dass Rosneft Deutschland schon im Sommer 2022 sich auf das Embargo vorbereitet habe und eine Lieferung von kasachischem Öl im Februar von 20 000 Tonnen vereinbart und für den März weitere 100 000 Tonnen geordert hätte.

Entweder ist die Situation so schwierig oder man hat den Überblick verloren, jedenfalls werden Presseanfragen nur unzureichend beantwortet und kursieren verschiedene Varianten. Von dem Shell-Tanker, der im Januar in Danzig entladen worden sein sollte, hört man nichts mehr. Fest scheint indessen zu stehen, dass ein Tanker, den Rosneft geordert hatte, in Danzig abgewiesen wurde, weil er für Rosneft fuhr, ausgerechnet von Polen. Der Tanker, der mit seiner Ladung von 80 000 Tonnen Rohöl zu groß für den Rostocker Hafen war, wurde nach Dänemark umgeleitet, wo die Ladung auf zwei kleinere Tanker aufgeteilt wurde, die dann nach Rostock fuhren. Die Kosten dafür dürften gigantisch sein. Von Rostock wurde das Öl nach Schwedt gepumpt.

Nun starrt die Brandenburger Landesregierung erneut nach Danzig, wie sich Polen bei den 20 000 Tonnen Rohöl diesmal verhalten würde, die nach Danzig transportiert werden sollen. Wieso wird kasachisches Öl mit dem Tanker und nicht durch die Pipeline transportiert? Und weshalb zitiert die MOZ den brandenburgischen Wirtschaftsminister wie folgt: Das Verhalten bei der Lieferung kasachischen Öls mittels Tanker „gibt dann laut Steinbach auch einen Hinweis, wie das Nachbarland auf die angedachten Erdöllieferungen aus dem zentralasiatischen Land über die durch Russland laufende Druschba-Leitung reagieren wird.“ Könnten auch Schwierigkeiten bezüglich des Transfers des Rohöls durch die Pipeline durch Polen entstehen?

An dieser Stelle sei aufgrund der dürftigen und sich widersprechenden Statements und Informationen eine Spekulation gewagt: Verarbeitet werden seit Januar möglicherweise Reserven und Lieferungen, die mittels Tanker nach Rostock geliefert worden sind.

Bedenkt man, dass im PCK im Jahr ca. 11,8 Millionen Tonnen Rohöl verarbeitet wurden und rundet man auf 12 Millionen Tonnen auf, so betrüge eine 100 % Auslastung 1 Million Tonnen pro Monat, eine 54 % eben 540 000 Tonnen. Wie viel Tonnen Rohöl sind also im Januar nach Schwedt gelangt, wie viel gelangen im Februar nach Schwedt? Zur Erinnerung, der Tanker, der in Dänemark für Rostock entladen wurde, hatte 80 000 Tonnen an Bord, selbst wenn der geheimnisvolle Shell Tanker auch 80 000 Tonnen an Bord hatte, wären das keine 540 000, sondern 160 000 Tonnen. Woher kamen also die fehlenden knapp 400 000 Tonnen? Richtig und verständlich wäre es, wenn die Raffinerie vor dem Lieferstopp sich so gut wie möglich eingedeckt hätte. Bedenkt man, dass das in Januar gelieferte Öl im Februar oder im März raffiniert wird, weiß man, wann dieses Rohöl fehlen dürfte und wie hilfreich die Revision im März und April ist.

Sind die Reserven jetzt aufgebraucht? Resultiert daher die Nervosität der Landesregierung, dass im April, Mai große Rohöllieferungen notwendig sind und bis heute nicht zu erkennen ist, wie sie im notwendigen Maße und vom wem sie zu beschaffen sind? Stabile Lieferungen sind auch deshalb wichtig, weil eine Raffinerie nicht im Sekundentakt auf unterschiedliche Ölsorten oder Mischungen umgestellt werden kann.

Die Zukunft, die nächste und die mittlere Zukunft des PCK, ist unsicher, das weiß man in Potsdam. Doch wenn interessiert das in Berlin?