Tichys Einblick
Erasmus-Stiftung

Weiter im AfD-Richtungskampf

Eine Mehrheit der AfD-Wähler unterstützt Parteichef Meuthen – nicht den Rechtsaußen Höcke. In der AfD-nahen Erasmus-Stiftung musste soeben ein Höcke-Anhänger seinen Hut nehmen.

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Im AfD-internen Machtkampf verschieben sich weiter die Gewichte. Der Rauswurf des Brandenburger Ex-Landeschefs Andreas Kalbitz, dem das Verschweigen seiner Vergangenheit in der rechtsextremen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) vorgeworfen wurde, könnte eine Wegscheide für die Partei sein. Die Position des Rechtsaußen-Flügels um Björn Höcke ist deutlich geschwächt. Parteichef Jörg Meuthen hat sich – vorerst – durchgesetzt. Die Gräben in der Partei sind aber tief.

Eine Umfrage im Auftrag von RTL und N-TV ergab, dass die AfD-Anhänger mehrheitlich hinter Meuthen stünden. „62 Prozent des AfD-Wählerlagers sind der Auffassung, dass Meuthen am ehesten ‚für die Werte und Ziele der AfD steht‘“, schreibt N-TV über die Umfrageergebnisse. „Vom Kalbitz-Verbündeten Björn Höcke denken das nur 22 Prozent. Dementsprechend sind 57 Prozent der AfD-Anhänger überzeugt, dass Jörg Meuthen den Machtkampf am Ende gewinnen wird. Dem ‚Flügel‘ um Björn Höcke trauen 24 Prozent der AfD-Anhänger einen Sieg zu.“ Mehrheitlich – mit 51 gegen 40 Prozent – billigten die AfD-Wähler laut dieser Umfrage auch den Parteiausschluss von Kalbitz, wobei im Osten Ablehnung überwiegt, im Westen die Zustimmung.

Eine weitere Niederlage muss der Rechtsaußenflügel aktuell auch in der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) einstecken. Diese hat beschlossen, den bisherigen Vorstandsbeisitzer Erik Lehnert abzuwählen und auszuschließen. Lehnert ist enger Mitarbeiter des Höcke-Einflüsterers Götz Kubitschek in dessen „Institut für Staatspolitik“ im sachsen-anhaltinischen Schnellroda. Erst vor knapp einem Jahr war er in die Erasmus-Stiftung und sogar in den Vorstand aufgenommen worden.

Nachdem aber der Verfassungsschutz Kubitscheks Schnellrodaer Institut vor kurzem offiziell zum rechtsextremen Verdachtsfall erklärt hat und beobachtet, wollte die DES-Vorsitzende Erika Steinbach ihn wieder loswerden – denn sie fürchtet, dass auch die parteinahe Stiftung in Mitleidenschaft gezogen wird. Sie warnte, dass auch die DES ihren Status der Gemeinnützigkeit verlieren könnte.

Dabei geht es auch um viel Geld. Die DES dürfte, wenn die AfD zum zweiten Mal in den Bundestag einzieht, an der Finanzierung der parteinahen Stiftungen beteiligt werden. Ihr stehen dann Millionenbeträge zu, die die AfD-nahe Stiftung dann für politische Bildungsarbeit, Kongresse, Publikationen und Stipendien einsetzen kann. Diese Chance sollte nicht durch eine Verfassungsschutzbeobachtung zerstört werden, fand die DES-Spitze. Der zehnköpfige Vorstand votierte mit großer Mehrheit für Lehnerts Ausschluss, die Mitglieder der Stiftung folgten dem mehrheitlich, wie am Dienstagabend bekannt wurde.

Umso größer war die Wut in Rechtsaußenkreisen, die sich auf Twitter gegen die ehemalige CDU-Politikerin Steinbach ergoss, die aus Protest gegen Merkels Politik in der Flüchtlingspolitik aus der CDU ausgetreten war und seitdem die AfD unterstützt. Der Freiburger AfD-Kommunalpolitiker Dubravko Mandic etwa kübelte seinen Frust heraus. Mandic ist indes aufgefallen durch Aussagen, dass die AfD sich von der NPD nur durch ihr Erscheinungsbild, nicht inhaltlich unterscheide.

Wie die Wochenzeitung Junge Freiheit berichtet hat, sollen „Flügel“-Vertreter darauf hinarbeiten, aus Rache der Erasmus-Stiftung den Status als parteinahe Stiftung wieder abzuerkennen. Ob ihnen das gelingt, ist aber fraglich. Beim Parteitag in Augsburg 2018 hatten nach jahrelangem Tauziehen fast 65 Prozent (323 der 500 Delegierten) dafür gestimmt, dass die von Steinbach geführte Erasmus-Stiftung die parteinahe Stiftung sein soll. Mit der Erasmus-Stiftung sollte ein Thinktank entstehen. Jetzt scheint der Rechtsflügel die jahrelange Aufbauarbeit und die Chance auf viel staatliches Geld lieber zerstören zu wollen, weil er die Stiftung nicht selbst kontrollieren kann.

Das „Institut für Staatspolitik“ (IfS) von Kubitschek hat seit seiner Gründung vor zwanzig Jahren eine unglückliche Entwicklung genommen. Anfangs war der Historiker und Gymnasiallehrer Karlheinz Weißmann der Spiritus Rector, ein Intellektueller, der zwar scharf rechte, aber keine rechtsextremen Ansichten vertritt. Vor sechs Jahren trennten sich Weißmanns und Kubitscheks Wege. Weißmann begründete den Bruch mit unterschiedlichen strategischen Ansichten. Über Kubitschek, der eine Strategie der Provokationen plädiert, sagte Weißmann, dieser sei „letztlich kein politischer Kopf“.

Inzwischen hat Kubitschek den Juristen und Publizisten Thor von Waldstein aus Mannheim als neuen Chefideologen ins Boot geholt. Thor von Waldstein war langjähriger NPD-Aktivist und zeitweilig Chef des NPD-Hochschulbundes. In einer vom IfS herausgegebenen Studie „zum politischen Widerstandsrecht der Deutschen“ vertritt er die Ansicht, dass Sabotageakte gegen Asylbewerberheime – etwa die Unterbrechung der Stromversorgung – „verhältnismäßig“ sein. Solche „Widerstandshandlungen“ nennt Waldstein „wohl gerechtfertigt“.

Es ist klar, dass solche Auffassungen zu politisch motivierten Sabotageakten und Sachbeschädigungen außerhalb eines bürgerlichen Politikverständnisses stehen und der AfD schaden, wenn sie ihr zugerechnet werden können. Für den Verfassungsschutz sind solche Aussagen ein gefundenes Fressen. Kurios ist die teils am IfS vertretene Querfront-Politik. Einige der Wortführer plädieren für eine rechte Politik mit linken Versatzstücken. Sie lesen und preisen Karl Marx, dokumentiert in dem Buch „Marx von rechts“, und sehen wirtschaftspolitisch mehr Gemeinsamkeiten mit Sozialisten als mit Konservativ-Liberalen.

Der Historiker Karlheinz Weißmann, der als Vizevorsitzender des Kuratoriums der Erasmus-Stiftung wirkt, hat sich von seinem ehemaligen Mitstreiter Kubitschek distanziert. Auch in der AfD wird genau beobachtet, dass die Erasmus-Stiftung nun eine klare Trennungslinie zu dem Institut in Schnellroda zieht.

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