Tichys Einblick
Nach der Großkampagne "gegen Rechts"

Wirklichkeit und Wahn – Was die neuesten Wahlumfragen verdeutlichen

Die Umfragen interessieren besonders, weil sie die ersten sind nach Correctiv-Affäre und Parteigründung von Sahra Wagenknecht. Sie zeigen, dass die Aufmärsche gegen Rechts nicht die erwünschte Wirkung erzielen. Und die CDU hat immer noch nicht begriffen, dass sich die Aufmärsche demnächst gegen sie richten könnten.

IMAGO / Middle East Images

Man hat den Eindruck, dass man den 18. Brumaire der Ampel-Leute erlebt. Napoleons Neffe, Charles-Louis-Napoléon Bonaparte, kurz Louis Bonaparte, gewann im November 1848 die Parlamentswahlen in Frankreich und wurde am 20. Dezember 1848 Präsident. Schrittweise besetzte er die Ministerien mit ihm ergebenen Leuten. Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit und mit Blick auf den möglichen Verlust der Macht führte er mithilfe seiner Leute in den Ministerien und an der Spitze der Armee am 2. Dezember 1851 einen Staatsstreich durch, ironischerweise an dem Tag, an dem sich fast ein halbes Jahrhundert zuvor Napoleon 1804 zum Kaiser der Franzosen krönen ließ.

Am 2. Dezember 1852 ließ sich nun Louis Bonaparte zum Kaiser Napoleon III. ausrufen. Karl Marx spottete in der lesenswerten Schrift „Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte“: „Die fixe Idee des Neffen verwirklichte sich, weil sie mit der fixen Idee der zahlreichsten Klasse der Franzosen zusammenfiel.“

Auf diese Idee könnte man kommen, wenn an den Regierungsaufmärschen wirklich die fixe Idee von Correctiv mit der fixen Idee der zahlreichsten Klasse der Deutschen zusammenfiele. So sagen es die regierungstreuen Medien, doch so ist es nicht, wie selbst die WELT ungewollt berichtet. Oder es geht zu wie in der Polit-Operette „Orpheus in der Unterwelt“, die am 21. Oktober 1858 im Théâtre des Bouffes-Parisiens in Paris uraufgeführt wurde und in der sich Jacques Offenbach über die doppelte Moral und die Mediokrität der Helden des Zweiten Kaiserreichs lustig machte.

Friedrich Merz: keine Zusammenarbeit mit der AfD, mit den Grünen aber schon

Obwohl Mediokrität angesichts der Ampel schon genieverdächtig wäre, denn die Qualitäten der Ampel-Leute – der „dümmsten Regierung Europas“, wie Sahra Wagenknecht spottete – reduzieren sich auf banalste Propaganda, auf Schuldumkehr, auf die Umfunktionierung des Verfassungsschutzes zum Machterhalt sowie die Organisation von Aufmärschen, um die Opposition einzuschüchtern und zu delegitimieren. Denn die Aufmärsche, die mithilfe eines Wahnbildes entfacht werden, richten sich in Wahrheit nicht gegen Rechts, sie richten sich gegen die Demokratie, gegen die Meinungsfreiheit, gegen die Wirklichkeit. Die Potsdamer Affäre wird immer mehr zu dem, was sie auch ist, zu einer Affäre Correctiv – und, wie es jetzt den Anschein hat, möglicherweise auch zu einer Verfassungsschutz-Affäre.

Soeben wird übrigens bekannt, dass der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, ein Merkelianer, weder die AfD, noch das Bündnis Sahra Wagenknecht, noch die Werteunion zur Sicherheitskonferenz einlädt.

Die neue Aristokratie will unter sich bleiben. Die CDU darf wahrscheinlich auch nur noch so lange teilnehmen, solange der ehemalige Schreibtischoberst Roderich Kiesewetter wie weiland Dr. Seltsam auf einer Taurus-Rakete nach Moskau reiten will.

In der CDU haben sie noch nicht begriffen, dass demnächst die Aufmärsche, die sie mitbejubeln, sich gegen sie richten könnten. Für Daniel Günther aus Schleswig-Holstein wäre das allerdings kein Problem, denn dem hat jüngst zum Karneval Annalena Baerbock bescheinigt, dass er ein Grüner sei. Aber bevor sich die Aufmärsche auch gegen die CDU richten, wird die CDU der Grünen Front beitreten und sich den Grünen vollständig unterordnen wie 1950 die CDU der SED in der Nationalen Front. Friedrich Merz hat eben noch einmal darauf hingewiesen, dass die CDU mit der AfD nie und nimmer zusammenarbeiten wird, mit den Grünen ganz sicher. Noch Fragen an die CDU? Keine mehr.

Erste Wahlumfragen nach Correctiv-Kampagne und Gründung BSW

Die neuesten Wahlumfragen interessieren deshalb besonders, weil sie die ersten sind, nachdem die Mediengroßkampagne gegen alle, die sich nicht auf die Ampel-Linie begeben haben, sowie die Parteigründung von Sahra Wagenknecht ihre Wirkungen entfaltet haben. Sie zeigen, dass der große Aufwand, der mit den Aufmärschen und den Medienkampagnen im Sinne der Regierung und von Haldenwangs Verfassungsschutz betrieben wird, nicht die erwünschte Wirkung erzielt. Die Aufmärsche sollen einschüchtern, doch sie vergiften das Klima in Deutschland völlig.

Die Wahlumfrage von INSA vom 3. Februar zeigt 30 Prozent für die Union, 20 Prozent für die AfD, 15 Prozent für die SPD, 13 Prozent für die Grünen, 7 Prozent für Sahra Wagenknechts Partei BSW, 4 Prozent für die FDP und 4 Prozent für die Linke. Man kann davon ausgehen, dass die Verluste der Linken noch einigermaßen die Grünen stabilisieren, denn als postmoderne, woke Partei, als knallrot lackierte grüne Partei hat sich die Linke selbst überflüssig gemacht.

Verglichen mit den Bundestagswahlergebnissen vom 26. September 2021 hat die Union 5,9 Prozent hinzugewonnen. Nach wie vor ist der große Gewinner die AfD mit +9,7 Prozent. Fast im Umfang der Gewinne der AfD liegen die Verluste der SPD mit -10,7 Prozent. Die FDP muss Verluste von -7,5 Prozent hinnehmen, doch wird es dabei nicht bleiben. Die Grünen verlieren -1,8 Prozent. Man darf sich nicht täuschen, weil sie zwischenzeitlich von den regierungstreuen Medien zum Scheinriesen hochgeschrieben worden waren. Die Linke verliert von ihrem schlechten Wahlergebnis noch einmal -0,9 Prozent. Haben Kipping und Riexinger die Partei heruntergewirtschaftet, erreichen Wissler und Schirdewan nur noch ein paar Innenstadt-Wokis. Mit Sahra Wagenknecht und ihren Leuten, deren Ansichten man wahrlich nicht teilen muss, ist die Substanz aus der Partei ausgezogen. Alles was, wenn man links ist, an der Partei wählenswert wäre, ist nun im BSW.

Im Vergleich zur letzten Umfrage stagniert die Union, die AfD hat trotz Medienterror nur 1 Prozent verloren, die SPD und die Grünen ein halbes Prozent dazugewonnen, dafür hat die FDP ein weiteres Prozent verloren. Damit wäre sie in der neuen Regierung nicht mehr vertreten. Lindner und andere führende FDP-Leute dürften schon nach Anschlussverwendungen suchen. Die Ampel würde jedenfalls mit dem Ausscheiden der FDP mit 28 Prozent weiter weg von der Mehrheit denn je sein. Nach diesen Zahlen würde die Union eine Koalition mit der SPD und den Grünen eingehen –und zwar mit Vergnügen. Merz hat es schon gehorsam vermeldet.

Rote und Grüne haben das Momentum für Neuwahlen verpasst

Für die neue Aristokratie bestünde also keine Gefahr, es würde alles so weiterlaufen wie bisher. Eigentlich haben Rote und Grüne das Momentum für Neuwahlen verpasst. Sie hätten ihre Herrschaft zementieren können, indem sie die handzahme FDP mit der womöglich noch handzahmeren Union ausgetauscht hätten. Denn die deutsche Parteienlandschaft ist in Bewegung, genauer auf Treibsand geraten. Von Links drängt das BSW, von der Mitte ab Ende Februar wahrscheinlich die Werteunion, gegen die das CDU-Mitglied Haldenwang bereits seinen „Verfassungsschutz“ aktiviert. Nach wie vor fehlt eine Partei, die den vielen CDU-Wählern, die nicht mehr CDU, aber auch nicht AfD wählen wollen, eine demokratische Vertretung anbietet. Diese Lücke kann die Werteunion füllen. Tritt die Werteunion zur Bundestagswahl an, könnte sie entscheidend das Kräfteverhältnis verändern.

Je nachdem, wie sich die Wählerwanderung auswirkt, könnte eine schwarz-grün-rote-Koalition entweder knapp noch oder eben knapp nicht mehr zustande kommen. Deshalb die Correctiv-Affäre, an der Haldenwangs Amt auf noch nicht vollständig aufgeklärte Art und Weise mitgewirkt zu haben scheint, deshalb die Gegen-Rechts-Aufmärsche auf den Straßen. Es soll hier auch ein reger Demonstrations-Tourismus herrschen. Die WELT vergoss gerade dicke Tränen darüber, dass „in mehreren Städten, darunter Bautzen oder Finsterwalde, … sich Demonstranten mit Gegenwehr konfrontiert“ sahen. So etwas aber auch! „In Waldheim, einer sächsischen Kleinstadt mit rund 8.500 Einwohnern, gerieten Teilnehmer einer Kundgebung gegen Rechtsextremismus am vergangenen Montag sogar in die Unterzahl.“

Fürchterlich, das grüne monochrome Buntland ist in Gefahr. 180 Teilnehmer hatten sich nach Polizeiangaben unter dem Motto „Waldheim bleibt bunt“ versammelt, als der seit Monaten stattfindende „Montagsspaziergang“ mit rund 200 Menschen an ihnen vorbeizog – an diesem Tag unter der Prämisse „Gemeinsam gegen Rot-Grüne-Hetze“. Empört berichtet die WELT: „Aufgebracht zeigt sich nach der Versammlung Aktivist Ocean Hale Meißner. Meißner war aus dem Nachbarort Döbeln nach Waldheim gekommen, wo er zuvor mit Hunderten Gleichgesinnten gegen Rechtsextremismus protestiert hatte.“ Zwei Demos schafft der „Aktivist“ Ocean Hale Meißner von „Queeres Waldheim“ an einem Tag – Respekt! Von den Gegendemonstrationen, von dem Protest der Bauern, die um ihre Existenz kämpfen, der weiterläuft, berichten die regierungstreuen Medien nicht mehr.

Der Erfolg von Wagenknechts BSW wird davon abhängen, ob die Westpartei mit der Ostfrau an der Spitze es schafft, den Osten zu bekommen, denn den hat sie noch nicht. Man kann zwar im Osten keine Bundestagswahlen gewinnen, aber man kann sie dort verlieren.

Für die AfD in Ostdeutschland könnte die Werteunion gefährlich werden, nicht aber das BSW

In diesem Zusammenhang sind die jüngsten Zahlen aus Sachsen-Anhalt interessant. Hauchdünn führt in der Umfrage des Instituts Wahlkreisprognose vom 30. Januar 2024 die CDU mit 28,5 Prozent vor der AfD mit 27,5 Prozent. Gefolgt werden beide Parteien vom BSW mit 23 Prozent. Und das war es. Mehr Parteien würden im Landtag in Magdeburg nicht mehr sitzen. Grüne und SPD würden mit jeweils 4,5 Prozent der Stimmen nicht mehr vertreten sein, wie auch die FDP mit 4 Prozent und die Linke mit 3,5 Prozent.

Die Verluste im Vergleich zur letzten Umfrage sprechen eine eigene Sprache. Die CDU verliert -8,5 Prozent, im Vergleich zur letzten Landtagswahl sogar -8,6 Prozent, die SPD -7,5 Prozent, die Grünen haben einen leichten Zugewinn von +0,5 Prozent, aber bleiben mit -1,4 Prozent unter dem Ergebnis der letzten Landtagswahl. Vielleicht schaffen die Grünen es geradeso in den Landtag, wenn die SPD noch tiefer in den Keller rauscht. Die Linke übrigens hat -6,5 Prozent an Verlusten, im Vergleich zur letzten Landtagswahl sogar -7,5 Prozent.

Die Zahlen von Sachsen-Anhalt belegen, obwohl jedes ostdeutsche Land anders ist, meine These, dass das BSW vor allem Wähler von den Linken, von der SPD, von der CDU, auch von der FDP holt. Doch das BSW wird im Osten wohl weniger Wähler von der AfD von sich überzeugen, am meisten wohl noch in Thüringen – weniger jedoch, als diejenigen hoffen, die nur deshalb das BSW nicht angreifen, weil sie darauf spekulieren, dass das BSW die AfD schwächen wird.

Wesentlich gefährlicher wäre in dieser Hinsicht für die AfD die Werteunion als Partei. Es kommt natürlich immer auf das Personal an. Aber würde die Werteunion zur Wahl antreten in Sachsen-Anhalt, würde sie vor allem Stimmen von der CDU, weniger von der AfD und ein paar Stimmen von der SPD holen. Und auch aus dem Bereich der Nichtwähler könnte sie Bürger überzeugen, denn die Werteunion würde nicht wenige von den bürgerlichen Wählern motivieren, sie zu wählen, die CDU nicht mehr und die AfD nicht wählen wollen und deshalb zähneknirschend zuhause bleiben oder ihre Stimme ungültig machen.

Doch die aktuellen Zahlen in Sachsen-Anhalt besagen, dass die CDU dort (eingeschlossen Minderheitsregierung und Tolerierung) entweder mit der AfD oder mit dem BSW ein Bündnis eingehen muss. Allerdings besteht die theoretische Möglichkeit, dass AfD und BSW sich zweckrational verbünden, zumal in einigen Fragen, blickt man über das Image hinweg, Übereinstimmung besteht.

Eines ist sicher, die Regierung wird weitere Kampagnen starten und die Demokratie einschränken – natürlich zum Schutz der Bürger – wie schon in der Pandemie. Sie wird, umso größere Probleme sie schafft und umso stärker sie gegen die Wirklichkeit regiert, diktatorische Möglichkeiten wie damals mit dem Infektionsschutzgesetz erwirken und weiter das politische Klima vergiften, um an der Macht zu bleiben.

Wie lautet doch der berühmte erste Satz vom 18. Brumaire des Louis Bonaparte? „Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce. Caussidière für Danton, Louis Blanc für Robespierre … der Neffe für den Onkel. Und dieselbe Karikatur in den Umständen, unter denen die zweite Auflage des achtzehnten Brumaire herausgegeben wird!“