Tichys Einblick
Wahltaktische Manöver

Vermeintliche Asylwende: Wenn die größten Böcke sich plötzlich zu Gärtnern erklären

Die Ampelregierung verspricht den Bürgern eine Reduzierung der irregulären Asylzuwanderung, ergreift aber Maßnahmen, die das Gegenteil bewirken. Immer mehr von ihnen durchschauen inzwischen derlei wahltaktische Manöver.

IMAGO / Chris Emil Janßen

Wer seit den Landtagswahlen in Bayern und Hessen die hektischen, medial inszenierten Aktivitäten der Ampelregierung in der Asylpolitik verfolgt, kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. Maßnahmen, die von den Führungsspitzen der Grünen und der SPD über Jahre als inhuman oder nicht machbar gebrandmarkt und deswegen kategorisch abgelehnt worden sind, werden von ihnen plötzlich Lösung zur Beendigung des herrschenden Asylchaos’ angepriesen. Asylzentren an den europäischen Außengrenzen, Abkommen mit sicheren Drittstaaten, Durchführung von Grenzkontrollen an den deutschen Außengrenzen, Rückführungen abgelehnter Asylbewerber, Absenkung von Leistungsstandards und anderes mehr werden den Bürgern als Signale einer Abkehr von einer Refugee-Welcome-Politik verkauft, die diese offenkundig nicht mehr mitzutragen bereit sind. Ohne selbst von einer Wende in der Asylpolitik zu sprechen, soll bei den Bürgern der Eindruck entstehen, eine solche werde von der Ampelregierung nun zügig angegangen.

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Damit sollen mit einer Klappe zwei Fliegen gleichzeitig geschlagen werden: die eigene Refugee-Welcome-Klientel bei der Stange halten und gleichzeitig verhindern, dass noch mehr Wähler bei Parteien ihr Kreuz machen, die eine solche Wende mit Nachdruck fordern. Entsprechend halbherzig klingen daher auch all die Ankündigungen eines restriktiveren asylpolitischen Vorgehens eines Olaf Scholz, einer Nancy Faeser, eines Winfried Kretschmann, einer Annalena Baerbock und vieler anderer Ampel-Politiker. Sie bringen die fraglichen Maßnahmen nicht aus Überzeugung, sondern aus purer wahlstrategischer Not ins Spiel. Nachdem sie jahrelang ein heilloses Durcheinander in der Asylpolitik im Bund wie in den Ländern nicht nur zugelassen, sondern sehenden Auges erzeugt haben, gerieren sich die neben Altkanzlerin Angela Merkel größten asylpolitischen Böcke Deutschlands nun plötzlich wie Gärtner, indem sie versprechen, die irreguläre Einwanderung nach Deutschland durch ein restriktiveres Vorgehen eindämmen zu wollen.

Selbst wenn das so wäre, spricht wenig bis gar nichts dafür, dass dies auch tatsächlich geschieht. Alle bestehenden rechtlichen und verfahrenstechnischen Vorkehrungen, um Asyleinwanderung in geordneten Bahnen zu steuern, sind in Deutschland inzwischen soweit durchlöchert oder faktisch schon außer Kraft gesetzt, dass kurz- und mittelfristig wenig Aussicht besteht, mit Maßnahmen wie Asylzentren an den europäischen Außengrenzen oder Abkommen mit Tunesien und Marokko den anhaltenden Zustrom nach Deutschland nennenswert zu verringern. Nicht nur Migrationsforscher wie Ruud Koopmanns, Daniel Thym und Stefan Luft warnen daher vor zu hohen Erwartungen, die die führenden Ampelpolitiker diesbezüglich schüren, sondern auch Landespolitiker wie etwa der niedersächsiche Ministerpräsident Stefan Weil.

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Das Kind einer grundfalschen Asylpolitik ist schon längst in den Brunnen gefallen, aus dem es, wenn überhaupt, nur noch mit größter Mühe wieder zu befreien ist. Sinnbildlich stehen dafür insbesondere die rund 250.000 abgelehnten Asylbewerber, die mittlerweile in Deutschland leben, ohne abgeschoben werden zu können. Schon die Große Koalition (GroKo) hat davor kapituliert, das geltende Asylrecht umzusetzen, als sie beschloss, abgelehnten Asylbewerbern ein Bleiberecht zu erteilen, sofern sie arbeiten und vor 2019 nach Deutschland eingereist sind. Die Ampel weitet die Anspruchsberechtigung nun faktisch auf alle Ausreisepflichtigen aus, indem sie die Frist bis ins Jahr 2022 verlängert. Damit sie sich wie durch ein Wunder in anerkannte Asylbewerber mit Bleiberecht verwandeln können, will Arbeitsminister Hubertus Heil zudem einen „Integrationsturbo“ am Arbeitsmarkt anwerfen, indem auch dort die formalen Zugangshürden deutlich abgesenkt werden.

Mit derlei Maßnahmen wird das geltende Asylrecht nicht mehr nur in Hinblick auf die illegalen Einreisen aus sicheren Drittstaaten, sondern zusätzlich in Hinblick auf die Ausreisepflicht im Falle einer Ablehnung faktisch aufgehoben. Deutschland wird so noch mehr als bislang schon zu einem Magneten für irreguläre Migration, wenn jeder Migrationswillige aus den zahlreichen sicheren Herkunftsstaaten dieser Welt davon ausgehen kann, dass es ihm nur gelingen muss, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen, um dort dauerhaft bleiben zu können, auch wenn keinerlei Aussicht auf Anerkennung besteht. Die illegalen Einreisen über den Asylweg nach Deutschland werden daher, anders als von der Ampelregierung versprochen, weiter zu- und nicht abnehmen.

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Der vermeintliche Gärtner betätigt sich also weiterhin als Bock im schon weitgehend verwüsteten Asyl-Garten, dessen Zustand sich auf diese Weise aller Voraussicht nach noch mehr verschlechtern wird. Ob sich dies, wie angekündigt, dadurch verhindern lässt, dass ein Teil der Asylverfahren an den europäischen Außengrenzen durchgeführt werden, an den deutschen Außengrenzen mehr kontrolliert wird, muss bezweifelt werden. Dasselbe gilt für die angestrebten Migrationsabkommen mit nordafrikanischen Ländern, nachdem schon das Türkeiabkommen keineswegs dazu geführt hat, dass zum Beispiel die illegalen Einreisen von Syrern und Afghanen in die EU zwar eingedämmt, aber keineswegs gestoppt wurden.

Wer wie die Ampelregierung durch die faktische Aufhebung der Ausreisepflicht für abgelehnte Asylbewerber noch mehr Anreize für den Missbrauch des Asylrechts zur Einwanderung schafft, ohne auch nur annähernd sicherstellen zu können, dass die illegalen Einreisen von Armutsmigranten durch die avisierten Eindämmungsmaßnahmen signifikant zurückgehen, weiß entweder nicht, was er tut, oder versucht, die Bürger bewusst hinters Licht zu führen. Immer mehr von ihnen durchschauen inzwischen aber derlei wahltaktische Manöver. Ob dies für den CDU-Fraktionschef Friedrich Merz und den CSU-Fraktionschef Alexander Dobrindt auch gilt, die derzeit mit Kanzler Scholz über einen „Deutschlandpakt“ zur Eindämmung der irregulären Einwanderung beraten, wird man bald wissen.

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