Tichys Einblick
Cancel Culture

Verlag schreibt Agatha Christies „Miss Marple“ um

Agatha Christie ist nicht mehr politisch korrekt genug. Deshalb hat ihr englischer Verlag ihre Werke umgeschrieben. Darunter auch die Reihe um die schrullige Hobbydetektivin Miss Marple.

Kriminalromane von Agatha Christie im Torquay Museum, Großbritannien (Symbolfoto)

IMAGO / imagebroker

Mehrere deutsche Medien, darunter T-Online und NTV, berichten darüber, dass ihr englischer Verlag die Werke von Agatha Christie umgeschrieben hat. Sie benutzen dafür den gleichen Text. Offensichtlich stammt der von einer Agentur. Bemerkenswert ist, wie der geschrieben ist: „Mehrere Romane der britischen Schriftstellerin Agatha Christie (1890–1976) sind offenbar überarbeitet worden“ oder „Ziel sei es demnach gewesen, die Werke von Sprache und Beschreibungen zu befreien, die das moderne Publikum als anstößig empfinde“.

Passiv. Jeder Journalist lernt, er solle aktive Sätze bilden. Die lesen sich flüssiger. Vor allem aber benennen sie den, der etwas tut. Wer hat überarbeitet? Wessen Ziel war es? Im Text, den NTV und T-Online veröffentlichen, bleiben die Antworten auf diese Fragen ausgespart: Woke Bilderstürmer haben Druck gemacht, weil sie Literatur nur tolerieren, wenn die nach ihren Regeln spielt. Im Verlag haben dies Lektoren befördert. Denn unter kaum einer Berufsgruppe ist der Wokismus so ausgebrochen wie unter Verlagslektoren. Die Geschäftsführung hat diesem Treiben nachgegeben. Aus Gewinnstreben oder aus Feigheit. Aktive Sätze statt passive Sätze – so wichtig, so Erkenntnis bringend.

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Der deutsche Bericht bezieht sich auf ein englisches Original, das „The Telegraph“ veröffentlicht hat. Demnach gehörten zu den überarbeiteten Büchern auch Werke der beliebten Reihen Poirot und Miss Marple. Die entfernten Sätze seien anstößig gewesen und die woke Leserschaft offensichtlich nicht mehr bereit, sich beim Lesen die Augen zuzuhalten. Auch gilt es als nicht mehr zumutbar, dass die Autorin die Zähne und den Körperbau ihrer Figuren beschrieben hat. Gegenüber dem Hinweis auf körperliche Nachteile ist die woke Leserschaft naturgemäß besonders empfindlich.

Die Renaissance und die Aufklärung waren die Zeitalter, in denen kunstinteressierte Menschen viel Zeit darauf aufwendeten, verschollene Werke von Autoren wiederzuentdecken oder in ihre ursprüngliche Form zu bringen. Wir leben in der Gegen-Renaissance und in der Gegen-Aufklärung: Kunstinteressierte Menschen verbringen ihre Zeit damit, die Werke von Autoren unkenntlich zu machen und in ihrem Sinn zu verstellen.

Das Argument dabei lautet, die Werke seien nicht mehr zeitgemäß. Nun kann man das auch schlecht von Autorinnen erwarten, die altersbedingt vor über 50 Jahren aufgehört haben zu schreiben. Es sind die gegenwärtigen Autoren, die zeitgemäß schreiben sollten. Gerne auch die Autorinnen. Doch da liegt genau das Problem der woken Bewegung: Sie bringt keine eigene nennenswerte Kunst hervor. Ihre Filme haben mehr Subventionen als Zuschauer. Ihre bildende Kunst ist nicht existent. Und ihre Literatur liest kein Mensch. Wer der Welt seine Sicht der Dinge aufdrängen will, ist engstirnig, intolerant und letztlich auf Konformität ausgelegt – so jemand schafft keine große Kunst. Keine, die zum Mythos wird. So jemand muss sich an fremden Mythen zu schaffen machen und sie in seinem Sinne ummodeln.

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