Tichys Einblick
Holocaust im Bundestag?

Verharmlost die Berliner Staatsekretärin Sawsan Chebli den Holocaust?

Der Regierende Bürgermeister und die SPD stehen nach der jüngsten, den Holocaust trivialisierenden Fehlleistung vor einer Entscheidung. Keine Entscheidung in diesem Fall wäre auch eine Entscheidung.

© Sean Gallup/Getty Images

„Vor 77 Jahren treffen sich Nazis, um zu besprechen, wie man noch effizienter Juden töten kann. Erschreckend, dass heute eine Partei im Bundestag sitzt, die offen gegen Juden, Muslime und andere Minderheiten hetzt und Nazis in ihren Reihen duldet. #Wannsee“

Dieser Tweet ist nicht nur eine Entgleisung einer für Ihre Twitter-Unfälle bekannten Berliner Staatsekretärin, sondern er stellt die SPD vor eine Entscheidung, die sie jetzt treffen muss. Entweder entlässt der Regierende Bürgermeister von Berlin die Staatssekretärin Sawsan Chebli und die SPD leitet ein Parteiauschlussverfahren ein, weil ihre Genossin offensichtlich unfähig ist, die fürchterliche und jegliche Grenzen der Menschlichkeit sprengende Dimension des Holocausts einzuschätzen, der aus den tagespolitischen und parteitaktischen Auseinandersetzungen herauszuhalten ist, oder sie bekennt sich stillschweigend zur Verharmlosung der Verbrechen der Nationalsozialisten. Allein die Formulierung „Juden, Muslime und andere Minderheiten“ legt textanalytisch die Schlussfolgerung nahe, dass es sich für Chebli bei „Juden, Muslime und andere Minderheiten“ lediglich um einen Textbaustein handelt.

Die Wannseekonferenz gehört jedoch zu den Tiefpunkten der deutschen Geschichte. Sie zeigt, wohin eine verbrecherische, inhumane Ideologie, die Überheblichkeit und Verantwortungslosigkeit von Macht und ein sich mit gesinnungsethischen Postulaten panzernder Opportunismus führen und wie ihr Zusammenspiel jedes Gebot der Menschlichkeit mit Füßen tritt.

Es ist vollkommen legitim, die AfD mit demokratischen Mitteln zu bekämpfen, weil man ihre politischen Ziele für inakzeptabel oder schädlich hält, aber man kann dieser Partei nicht unterstellen, dass sie dafür eintritt, dass „man noch effizienter Juden töten kann“, wie Sawsan Chebli das in ihrem Tweet insinuiert.

Wer Auschwitz missbraucht, um den politischen Gegner zu diskreditieren, der instrumentalisiert den Holocaust und macht ihn zur Waffe im tagespolitischen Streit. In ihrem Tweet hat Sawsan Chebli nicht einmal der ermordeten Juden gedacht.
Wer eine Fraktion des Deutschen Bundestags mit den Nationalsozialisten gleichsetzt, wer den Jahrestag der Wannsee-Konferenz benutzt, um den politischen Gegner zu stigmatisieren, der verhöhnt letztlich auch das Grundgesetz und den Bundestag.

Antisemitismus ist ein Verbrechen, ganz gleich von wem und von welcher Seite er kommt, von links oder von rechts. Es verbietet sich für jeden Demokraten, ihn zur parteipolitischen Propaganda zu missbrauchen.

Wäre es an diesem Tag nicht angemessener gewesen, jede Form von Antisemitismus zu verurteilen, jeder Form, das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen, konsequent entgegenzutreten, ganz gleich, ob das durch „Rechtsextreme”, durch „Linksextreme” oder durch Islamisten geschieht?

Der Regierende Bürgermeister und die SPD stehen vor einer Entscheidung. Keine Entscheidung in diesem Fall wäre auch eine Entscheidung.