Tichys Einblick
Rückblick in einen Wende-Monat

Untersuchungsausschuss zur Grenzöffnung: Der Sommer des Unrechts

Nach langem Zögern will jetzt die FDP einen Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen der Grenzöffnung 2015 beantragen. Gleichzeitig läuft eine neue Klage der AfD beim Bundesverfassungsgericht. Wir dokumentieren dazu zwei Vorgänge.

© Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Im März letzten Jahres stellte FDP-Chef Christian Lindner, damals noch Vorsitzender einer Partei in der außerparlamentarischen Opposition, das Buch „Die Getriebenen“ des WELT-Chefreporters Robin Alexander vor. Das schnell zum Bestseller aufgestiegene Buch enthüllte „die systematische Täuschung der Öffentlichkeit“ durch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Regierung in der Flüchtlingspolitik. Es ersetze „fast einen Untersuchungsausschuss“, so Lindner damals.

Der Untersuchungsausschuss im Parlament

Mittlerweile ist die FDP im Bundestag und viele warten auf Lindner Vollzug. Jetzt, 14 Monate später, ist es so weit und der Anlass sind die offenkundigen Missstände beim Bundesamt für Migration. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann dazu: „Für die Fraktion der Freien Demokraten führt nun kein Weg mehr an einem Untersuchungsausschuss vorbei. Offenbar ist nur so eine schonungslose Aufarbeitung möglich.“

Für einen Untersuchungsausschuss zur Flüchtlingspolitik von Angela Merkel braucht es 25 Prozent der Abgeordneten-Stimmen. Zum Zünglein an der Waage kann die CSU werden – wenn sie es will.

Die AfD hat zeitgleich Klage wegen einer „Herrschaft des Unrechts“ in der besagten Phase beim Bundesverfassungsgericht (BVG) eingereicht, eine Aktion, die nicht unumstritten ist. Der Europäische Gerichtshof hat dem BVG diese Entscheidung schon 2017 abgenommen, als er Merkels „Flüchtlingspolitik” in einem Grundsatzurteil indirekt für rechtmäßig erklärte.

Aber ein Untersuchungsausschuss ist trotzdem notwendig. Er schafft Klarheit über einen Vorgang, der Deutschland massiv verändert hat – ohne Parlamentbeschluss und ohne politische Beteiligung der Bevölkerung. Damit ist der Untersuchungsausschuss ein politisches Gebot: Nur so ist es möglich, Licht in die dunkle Einsamkeit der einsamen Entscheidung und ihrer Hintergründe zu bringen.   Nur so ist Vertrauen wieder herstellbar – in einer Demokratie ist die Ausschaltung des Parlaments und die schmallippige Begründung der Kanzlerin nicht ausreichend, um das Land wieder zusammenzuführen. Zu viel blieb unklar. Zu viel Raum für Spekulation, Verdächtigungen, zu viele vertane Chancen.

Wir dokumentieren die Hintergründe mit zwei Beiträgen:
Der erste stammt von Heiko Frischmann; er hat als Bürger von seinem Recht Gebrauch gemacht und versuchte ein Verfahren gegen  Angela Merkel wegen „bandenmäßiger Einschleusung” von Ausländern nach § 95 und Thomas de Maiziere wegen Beihilfe hierzu nach § 96 des Aufenthaltsgesetzes in Gang zu setzen. Wie es ihm dabei erging, ist ein Beispiel dafür, warum der Untersuchungsausschuss notwendig ist: Sein Verfahren wurde grandios abgeschmettert als Lehrstück über den Umgang des Staates mit einem Bürger, der freche Fragen stellt.

Von Ulrich Vosgerau übernehmen wir ein Kapitel seines Buches „die Herrschaft des Unrechts“. Vosgerau hat diesen Begriff geprägt, um den seiner Meinung nach unrechtmäßigen Zustand seit Sommer 2015 zu beschreiben. Horst Seehofer hat diesen Begriff übernommen – und Vosgerau beschreibt in seinem Buch dann auch die Folgen, die er durch Medien zu erleiden hatte – es ist ebenfalls ein Lehrstück, wie koordiniert Kritiker zum Schweigen gebracht werden. (Hier zu bestellen: https://www.bod.de/buchshop/die-herrschaft-des-unrechts-ulrich-vosgerau-9783746074955

Vosgerau hat die Klage der AfD formuliert.

 

Heiko Frischmann:

„Asyl ohne Vorbedingungen“

Wenn ein Land wirklich jeden ohne Vorbedingungen einreisen lässt, um einen Asylantrag zu stellen, so muss dies zwangsläufig zu Problemen führen. Es bedarf keiner übernatürlichen Fähigkeiten um dies vorab zu erkennen. Da wären zum Beispiel die Personen, die aus den unterschiedlichsten Gründen ihren Pass verloren haben oder nicht vorlegen können. Oft ist also gar nicht klar, wer da eigentlich Asyl beantragen möchte.

Nun stellt sich auch die Frage der Zuständigkeit der Bundesrepublik. Denn gemäß der Dublin Verordnungen ist ein Asylantrag gewöhnlich in dem Land zu stellen, in dem das Gebiet der Europäischen Union erstmals betreten wurde, sofern Deutschland nicht durch den so genannten „Selbsteintritt“ das Verfahren übernimmt oder die Ausweisungsverfügung in das nach dem EU-Recht zuständige EU-Land nicht binnen 6 Monaten erfolgt.

Eine Abschiebung nach Italien

Nun hat der Fall eines 23 Jährigen Mann, der mutmaßlich aus Togo stammen soll, für mediale Aufregung gesorgt: In der Nacht zum 30.04 brach die Polizei in einer Flüchtlingsunterkunft eine geplante Ingewahrsamnahme zur Abschiebung ab, da sich ihr ein Mob von etwa 150 bis 200 gewaltbereiten Schwarzafrikanern entgegenstellte. Die Polizei reagierte dann am 03.05 mit einem Großeinsatz mehrerer hundert Beamter, auch mit Spezialeinheiten, bei dem sie den mutmaßlichen Togolesen festnehmen konnte.

Nun ist die Rückführung nach Italien geplant, über das die Einreise nach Europa erfolgt ist. Während der Anwalt des Betroffenen, Engin Sanli, mit Klagen und Eilanträgen „drohte“ und so ziemlich alles unternahm, um den Rechtsstaat auf der Zielgeraden doch noch zu sabotieren, der interessanterweise aber seine Rechnung erhalten wird, schaltete sich Alexander Dobrindt von der CSU ein und löste eine Debatte über die „Anti-Abschiebeindustrie“ aus.

Doch plötzlich, am Sonntag den 10.05, nahm diese Geschichte eine scheinbar ganz neue Wendung. Da berichtete die Rheinische Post, dass an der Deutschen Grenze immer noch eine, „mündliche Anordnung von Ex-Bundesinnenminister Thomas de Maizière vom September 2015“, gelte wonach, „von einer Einreiseverweigerung aus humanitären Gründen bis auf weiteres abzusehen“ sei. „Jeder Drittstaatler ohne Papiere aber mit Asylbegehren ist danach an die zuständige Aufnahmeeinrichtung weiterzuleiten.“ Was dann so viel heisst wie, dass jeder sofort aus Italien zurückkommen kann, wenn er denn nur an der Grenze das Zauberwort „Asyl“ spricht. Vielleicht würde man diesen Mann also nach seiner Abschiebung als Syrer oder Afghane wiedersehen.

Nun ist natürlich was los in den Kommentarspalten der Online-Zeitungen, versteht doch kaum einer, warum der neue Innenminister Horst Seehofer, CSU, der bis vor gar nicht allzu langer Zeit im Rahmen der komplementären Wahlkampfstrategie der CDU/CSU vom „Unrecht an der Grenze“ sprach, jetzt aber nicht zu entscheiden vermag, jene „mündliche Anordnung“ seines Vorgängers in gleicher Form aus der Welt zu schaffen. Welchen Sinn würde der ganze Aufwand am Ende also haben?

Das langsam aufgeweichte Gesetz

Bis zum Sommer 2015 gab es solche Probleme in ihrer heutigen Ausprägung gar nicht. Da beantragten zwar auch viele Asyl in Deutschland, die offensichtlich über ein oder mehrere EU-Länder eingereist waren und Deutschland bearbeitete trotzdem diese Anträge. Doch die Zahlen waren vergleichsweise niedrig. Formal konnte fast jedem Asylbegehrenden mit Verweis auf die bestehenden Gesetze der Antrag verweigert werden. Deutschland schaut zurück auf eine Tradition von etwa 25 Jahren, in denen die Anträge für die man eigentlich nach EU-Recht gar nicht zuständig war, dennoch bearbeitet wurden, so lange es denn nicht so viele waren.

Da sich nach Artikel 16 a Absatz 2 jedoch niemand auf das Asylrecht in Deutschland berufen kann, „wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist“, stellt sich schon länger die Frage warum der Deutsche Staat überhaupt Asylverfahren annimmt für all jene Personen, die nicht über Flughäfen über Langstreckenflüge einreisen. Hier liegt das erste große Problem.

Im Ergebnis wird am Ende der wenigsten Asylverfahren politisches Asyl gewährt, sondern lediglich die so genannte Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz zuerkannt. Während politisch Verfolgte ganz persönliche Verfolgung darlegen, genügt für die Flüchtlingseigenschaft die allgemein gehalten begründete „Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“. Beim subsidiäre Schutz genügt es, wenn der Antragssteller „stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht“, wie etwa wenn dem Antragssteller die Todesstrafe oder eine andere unmenschliche Bestrafung droht, wie auch „willkürliche Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts“.

Das Aufenthaltsgesetz sieht in § 18 vor, beim Versuch eines Ausländers zur Stellung eines Asylantrags diesem an der Grenze die Einreise zu verweigern, wenn diese „aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a)“ erfolgt. Wenn „er von der Grenzbehörde im grenznahen Raum in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit einer unerlaubten Einreise angetroffen wird“ ist er zurückzuschieben.

Die Essenz dieses kleinen Exkurses in die Gesetzbücher ist die Tatsache, dass Deutschland für die meisten Personen, die hier einen Asylantrag stellen wollen, gar nicht zuständig ist. Wer nicht mit dem Schiff oder dem Flugzeug einreist, dürfte im Prinzip nie einen Antrag stellen dürfen. Es wäre zu erwarten, dass unter vollständiger Durchsetzung der Rechtslage weniger als 10.000 Asylanträge pro Jahr in Deutschland gestellt würden. Eine überschaubare Zahl.

Merkels humanitäre Eskalation

Als im Laufe des Jahres 2015 immer mehr Personen ohne gültigen Aufenthaltstitel nach Deutschland einreisten und anstandslos ihren Asylantrag stellen konnten, entwickelte die Situation eine verhängnisvolle Eigendynamik. Da Deutschland nur noch seine Grenze zur Schweiz kontrollierte, strömten die Antragssteller ungebremst ins Land.

Zwar ist die „Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet“ nach § 14 des Aufenthaltsgesetzes „unerlaubt, wenn er einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt“. Trotzdem hatten nach Presseberichten die Mehrheit der Asylsuchenden im Jahre 2015 und danach, nach eigener Darstellung, keinerlei Ausweisdokumente. Den Sicherheitsbehörden war natürlich sofort klar, dass mit dem unkontrollierte Einströmen von Terroristen zu rechnen sein würde.

Spätestens im August 2015 waren dann die Zahlen an sich zum Problem geworden.
Da half auch Merkels missmutiges „Wir schaffen das!“ nicht. Ein Satz der seit dem 31. August 2015 durch die Welt geisterte und den Realitätsverlust ihrer Rednerin
unumkehrbar, alternativlos und historisch unabstreitbar dokumentiert. Das
BAMF sorgte selbst dafür, dass die Zugangszahlen immer weiter stiegen, als bekannt wurde dass „das Dublinverfahren“ für Syrer ganz offiziell ausgesetzt wird. Merkel erteilte am 04. September 2015 in einer einsamen Entscheidung die Erlaubnis zur Einreise Asylbegehrender aus Ungarn, wohlgemerkt über Österreich. Spätestens da konnte jeder erahnen, dass die Umsetzung der bestehenden Gesetze für die Kanzlerin nicht die oberste Priorität hat. Anfang September 2015 drohte die Stimmung im Land zu kippen. Merkel ließ den Alptraum der konservativen Wähler wahr werden.

Die Bundesregierung versuchte nun medial gegenzusteuern gegen den Eindruck, dass sie offensichtlich gänzlich die Kontrolle verloren hatte. Das konnte nur gelingen mit dem was einige schon seit langem immer wieder forderten: Grenzkontrollen! Auch wenn man sie im Rausch der Wilkommenskultur kaum zu Wort kommen ließ,
es gab sie auch damals schon, die „Bedenkenträger“, die, sagen wir es so, Zweifel an der Rechtmäßigkeit hatten, was da grade an der Deutschen Grenze passierte.

De Maizieres „Grenzkontröllchen“

Wer am 13.09.2015 die Tagesschau und den anschließenden „ARD Brennpunkt“ geschaut hat, der konnte denken, dass der Spuk an Deutschen Grenzen nun ein Ende nimmt. Deutschland kontrolliert die Grenze zu Österreich wieder, der humanitäre Exzess scheint in geregelte Bahnen überzugehen. Doch was der damalige Innenminister an diesem Tag veranstaltet, ist nichts anderes als dreisteste mediale Täuschung.

Zwar begründete Thomas De Maiziere in der ARD Sendung seinen Schritt, die Grenze wieder kontrollieren zu wollen, ganz konkret mit den Flüchtlingszahlen, doch die Kontrollen waren nie dazu gedacht, auch nur einen Asylbegehrenden an der Grenze abzuweisen. So findet sich auf der Internetseite des BMI immernoch eine Erklärung von jenem Tag. Hier zwei scheinbar eindeutige Zitate:

„Ziel dieser Maßnahme ist es, den derzeitigen Zustrom nach Deutschland zu begrenzen und wieder zu einem geordneten Verfahren bei der Einreise zurückzukehren. Das ist auch aus Sicherheitsgründen erforderlich. Und so sieht es der Schengener Grenzkodex vor.“

oder

„Nach dem geltenden europäischen Recht ist Deutschland für den allergrößten Teil der Schutzsuchenden nicht zuständig.“

Und während Sie nun damals vielleicht ersthaft gedacht haben, an der Grenze würden nun sämtliche Personen abgewiesen, für deren Asylantrag Deutschland nicht zuständig ist, passierte insgeheim genau das Gegenteil! Warum eigentlich?

„Herr Minister Dr. de Maizière hat am 13. September 2015 entschieden und dem Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums mündlich mitgeteilt, dass Maßnahmen der Zurückweisung an der Grenze mit Bezug auf um Schutz nachsuchende Drittstaatsangehörige derzeit nicht zur Anwendung kommen. Eine schriftliche Anordnung des BMI gibt es nicht. Die Entscheidung wurde im Rahmen der bestehenden Zuständigkeiten innerhalb der Bundesregierung getroffen. Die bisherige Verfahrensweise kommt weiterhin zur Anwendung und ist zeitlich nicht befristet.“

Quelle: Email des BMI an Herr Dr. Frank W. Haubold

Eiskalt wie de Maiziere seine Täuschungskampange durchgezogen hat! Ich habe mir nach langer Zeit nochmals den schon erwähnten ARD Brennpunkt angesehen und
stellte nun erstaunt fest, dass tatsächlich mit keinem Wort erwähnt wurde, dass irgendwer an der Grenze abgelehnt werden würde. Mit allem was er sagt, suggeriert er es dennoch so stark, dass es doch jeder so verstehen musste. Welchen Sinn würde es sonst machen, von nun an die Grenze zu kontrollieren? Interessanterweise wird er von Tina Hassel auch gar explizit danach gefragt!

Während die Bundesregierung mit seinem treuesten Erfüllungsgehilfen für die allgemeine Meinungsbildung, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ein ganzes Land desinformiert, hat de Maiziere formal in keiner Form gelogen. Ein Glanzstück des modernen Fernsehjournalismus!

Dass es auch anders geht zeigte zum Beispiel die FAZ. Die schrieb einen Tag nach der vorgetäuschten Grenzschließung alle wesentlich Fakten zu den neuerlichen Grenzkontrollen auf. Auch die Tatsache dass niemand, selbst ohne Pass, abgewiesen werden würde, sofern er denn das Zauberwort „Asyl“ vortragen würde, wurde ganz klar kommuniziert. Interessanterweise wird de Maiziere in diesem Artikel gar nicht erwähnt. Gerade weil die FAZ in den letzten Jahren sehr regierungsunkritisch geworden ist, musste jeder ins Staunen kommen, wie weit die ARD offensichtlich vom seriösen Faktenjournalismus abgekommen war. Es wird wohl einige geben, die der ARD damals auf den Leim gegangen sind und erst einmal dachten, dass sich mit den Grenzkontrollen etwas substanziell geändert hätte. Der 14.September 2015 war daher der Tag, an dem mein Vertrauen für die Berichterstattung der Tagesschau, bzw. des NDR, restlos erschöpft war.

Merkel legt nach und schickt Züge

Die allgemeine Erwartung war, die Bundesregierung würde wohl nichts mehr unternehmen, was den Zustrom begünstigt. Zumindest wollte sich niemand vorstellen, dass die Bundesregierungen, die nun mit der Bundespolizei an der Grenze Jagd auf Schleuser machte, selbst zum Schleuser werden würde. Kurioserweise ist genau dies eingetreten.

Denn während es so aussah, als hätte die Kanzlerin die Sicherheitsbedenken im Ansatz verstanden, die aus der Einreise unzähliger Asylsuchender ohne Pass und ohne Einreisekontrolle entstanden waren, schaffte sie, von der breiten Öffentlichkeit praktisch unbemerkt einen neuen Weg, vollkommen unkontrolliert nach Deutschland
einzureisen. Damit die Einreise der Migranten möglichst geräuschlos vonstatten ging,
ließen Merkel und ihr Planungsstab aus den Innenministerien der Bundesländer diese mit Zügen von Österreich nach Deutschland fahren. In einem gewöhnlichen Zug saßen etwa 400 gänzlich unregistrierte Flüchtlinge, die grob auf die Großregionen in Deutschland verteilt wurden.

Wer sich nur mit deutschen Medien informierte, hatte keine Chance auch nur ansatzweise zu erahnen, welche Dimensionen diese Zugfahrten hatten. Bis November 2015 reisten auf diesem Weg etwa 200.000 Personen gänzlich unregistriert mit Sonderzügen von Österreich nach Deutschland ein, weitere 100.000 kamen bis dahin mit regulären Zügen.

Nun werden sich einige schon fragen, warum es meist sehr genaue Statistiken gibt, die aufschlüsseln, aus welchen Ursprungsländern die Asylantragssteller darlegen, ihre Flucht nach Europa begonnen zu haben, es allerdings in der medialen Berichterstattung in Deutschland keine Rolle gespielt hat, wie die Einreise genau erfolgt ist. Die traurige Wahrheit ist, dass die wenigen Journalisten, die damals Bescheid wussten, kein Interesse hatten, dass aus der Sache ein Thema wird.

Ich selbst wandte mich diesem Thema zu, als ich mich wunderte, wo die ganzen Züge denn eigentlichen losfuhren, die die „Flüchtlinge“ im ganzen Land verteilten. Interessanterweise half mir die Videotext Redaktion des SWR in Mainz, dieses Rätsel zu lüften. Als ich bezüglich eines Fernsehbeitrags, der nur ein einziges Mal in der 17:00 Sendung vom 16.09.2015 der SWR Landesschau Aktuell RP ausgestrahlt wurde und der Videotextseite 118 nachfragte, wo ein Flüchtlingszug nach Dortmund der Gegenstand der Berichterstattung war, denn nun eigentlich losgefahren war, änderte der SWR, nachdem ich dort angerufen hatte, tatsächlich seine Videotextseite. Nun war dort zu lesen das er aus Salzburg kam.

Mit dem Suchbegriff „Salzburg Sonderzüge“ konnte ich nun auf den Internetseiten österreichischer Zeitungen erahnen, wie umfangreich dieser Transportweg war,
von dem man in den Deutschen Medien nichts substanzielles erfahren konnte.

Die größte Schleuserin Deutschlands

Schnell stellte sich heraus, dass Angela Merkel unbemerkt zur größten Schleusermanagerin Deutschlands aufgestiegen war. Also recherchierte ich selbst weiter an diesem Thema und als ich das Gefühl hatte, alle Fakten beisammen zu haben, begab ich mich in die Onlinewache, dies ist der Internetauftritt der Polizei, und machte von der dortigen Möglichkeit Gebrauch, ohne Geld für eine Briefmarke zahlen zu müssen, Angela Merkel wegen „bandenmäßiger Einschleusung” von
Ausländern nach § 95 und Thomas de Maiziere wegen Beihilfe hierzu nach § 96 des Aufenthaltsgesetzes anzuzeigen.

Da bekannt war, dass damals auf diesem Weg täglich 2.000 bis 3.000 Personen ohne Visum, Aufenthaltstitel oder nur eine Identitätsfeststellung einreisten, damit zwangsläufig das Deutsche und das Europäische Recht verletzt wurden, schien doch alles klar. Wenn alles mit rechten Dingen läuft, würde Angela Merkel wohl jetzt ein ziemliches Problem bekommen. Denn vor dem Gesetz sind wir eben alle gleich, dachte ich.

Mediales Interesse

Nachdem der hessische Rundfunk mich mit meiner Anzeige gegen Merkel in die Hessenschau nahm und ich auch im HR Info mal kurz zu hören war, wartete ich sehnsüchtig auf Post von der Staatsanwaltschaft Berlin, was sie denn von meiner preisgünstigen Anzeige gegen die Regierungschefin so halten. Ich hatte das Gefühl, etwas ins Rollen gebracht zu haben, das jetzt nicht mehr zu stoppen sei. Eigentlich hatte ich ja nur den Gesetzestext kopiert und darauf verwiesen, dass Frau Merkel genau das getan hat. Aber weil sich der Staatsanwalt so lange Zeit ließ, war das mediale Interesse auch schnell wieder weg. Journalisten verlieren einfach das Interesse an Themen, bei denen sich nichts tut.

Der verständnisvolle Staatsanwalt

Als ich dann im Februar 2016 den Schriftsatz vom 09.02.2016 eines gewissen Dr. Brocke im Briefkasten fand, fühlte ich mich wie im falschen Film. Denn der Staatsanwalt aus Berlin wollte meine Version, mit diesen Zügen wäre irgendwer unerlaubt und ohne Aufenthaltstitel eingereist, einfach nicht akzeptieren. Die Einreise auch ohne Pass sei öffentlich rechtlich legalisiert, denn sie sei aus humanitären Gründen gewährt worden, so der Fachmann für Strafrecht. Nachdem Brocke noch ein Weile mit Begriffen wie „nationalem Interesse“ rumhantiert oder aus dem Regelwerk der Dublin III Verordnung den einen Aspekt des Selbsteintritts erwähnt, der seiner Meinung nach für die Rechtmäßigkeit der Handlungen von Frau Merkel spreche, frage ich mich ernsthaft, was das alles denn nun mit meiner Anzeige zu tun haben soll, die sich ja auf einer sehr konkreten Sachverhalt bezogen hatte.

Doch Brocke erlaubt sich auf den ingesamt 4 Seiten seiner Einstellungsverfügung noch weitere juristische Verrenkungen. So sei eben durch die öffentlich erklärte „Grenzöffnung“ der Kanzlerin der subjektive Eindruck bei den Betroffenen entstanden, die Einreise sei erlaubt. Und es gebe auch keine Hinweise, dass irgendwer unter den angezeigten Personen von der verwaltungsrechtlichen Rechtswidrigkeit seines Handelns ausgehen musste, wobei Brocke ja wohl noch aus seinem Studium weiss, dass gewöhnlich Unwissenheit nicht vor Strafe schützt. Brocke argumentiert sich in einen Verbotsirrtum nach § 17 StGB, den er vielleicht auch noch aus seinem Studium kennt, den darf er aber nicht so nennen, um die vollständige Sinnlosigkeit seiner Argumentation nicht zu offensichtlich werden zu lassen.Das meiste was er zu schreiben weiß, ist für den Gegenstand der Anzeige ohnehin nicht von Belang. Sein Text ist voll mit Worten wie „humanitäre Gründe“. Bitte beim Thema bleiben!

Liest man sich den ganzen Kram, auf den Brocke als Begründung für seine kanzlerinnenfreundliche Rechtsauslegung verweist, einmal genauer durch, so wird oft genau das entkräftet, worauf er glaubt, sich stützen zu können.

So hat sich Dr. Brocke aus der EG Verordnung 562/206 Artikel 5 Absatz 4 (c), die Rosine rausgepickt, dass es einem EU-Staat möglich sei, eine Einreise auf humanitäre Gründe zu stützen, was auch dann gelten könne, wenn gewöhnlich § 14 Abs. 1 Nr.1 und Nr.2 AufenthG dem entgegenstehen. Doch Artikel 5 Absatz 4 (c) fordert vom aufnehmenden EU-Land eben auch, zu prüfen ob gegen die auf dieser Grundlage aufgenommene Person eine Ausschreibung gemäß „Absatz 1 Buchstabe d“ vorliegt. Wie das bloß funktionieren mag, wenn niemand den Versuch wagt rauszufinden, wer da grade mit dem Zug einreist???

Auch sonst wird schnell klar, dass Brocke mit seiner vielen Mühe doch gescheitert ist. Denn die EU Verordnung 604/2014 sieht er als scheinbaren Hinweis, dass das angezeigte Verhalten straffrei sei. Blöderweise gilt die aber nur für Personen, die schon einen Asylantrag gestellt haben. Zum Zeitpunkt der Schleusung in Merkels Sonderzügen gab es noch kein Asylbegehren oder einen Antrag. Trotzdem verschwendet Brocke auch zu diesem Thema einige Zeilen, die nichts zur Sache tun. Durch das Einsteigen in einen Zug, der nach Deutschland fährt, wird noch kein Asylantrag gestellt. Hätte Brocke wissen können.

Das zentrale Konzept des Staatsanwalts ist jedoch die schon erwähnte Annahme, mit der „Grenzöffnung“ sei die Einreise für die betroffenen Personen subjektiv erlaubt worden, womit keine Schleusung vorliegen könnte. Dass die Bundeskanzlerin mit ihrem Verhalten je einen allgemeingültigen Verwaltungsakt begründet hätte, der allen die Einreise erlaubt hat, ist natürlich Unsinn. Die Bundeskanzlerin konnte aus ganz praktischen Gründen einen solchen Verwaltungsakt nie legal erbringen.

In der Welt von Brocke schien es also grundsätzlich möglich, für einen unübersehbaren Personenkreis, der nicht einmal unscharf durch geeignete Merkmale abzugrenzen wäre, einen rechtsgültigen Verwaltungsakt zu erlassen, der leider nirgendwo aufgeschrieben steht. Welch ein Tiefpunkt für die Deutsche Justiz!

Die mutmaßlich illegale Strafverfolgung von Schleusern

Wer den Staatsanwalt aus Berlin ernst nimmt, stellt sich zwangsläufig die Frage, warum der Strafttatbestand der Schleusung seit der „Grenzöffnung“ denn eigentlich noch juristisch verfolgt wird. Wache Köpfe werden erkennen, dass die unterstellte
legalisierte Einreise dann wohl für alle gelten müsste.

Wer in einem privaten PKW Ausländer einschleust, könnte sich seitdem also auch nicht mehr strafbar gemacht haben. Die unterstellte öffentlich-rechtlich legalisierte Einreise aller Einreisenden müsste dann wohl auch für alle Einreiseformen gleich gelten.

An der Tatsache, dass Schleusungskriminalität weiterer polizeilich verfolgt und gerichtlich verhandelt wird, zeigt sich die offenkundige Absurdität der ganzen Begründung.

Was draus wurde

Meine Anzeige hat Brocke dann in vorrauseilendem Gehorsam trotzdem zur
Zufriedenheit der Bundesregierung eingestellt. Endlich war diese alberne Sache aus der Welt! Mir war nun klar, dass unsere Justiz doch nicht so gut funktioniert. Dass es eben doch einen großen Unterschied macht, wer eine Straftat begeht, und dass die vom Justizministerium weisungsbefugte Justiz die Regierungspolitiker eher anwaltlich vertritt, als ihnen auf die Finger zu schauen.

Obwohl mir bei der ganzen Aktion klar sein musste, dass ich im Internet angefeindet werden würde, hat es mich doch überrascht, wie heftig die Reaktionen dann waren. Auch sonst hatte ich durch meine Meinungsäußerung nur Nachteile. Ich bin einer dieser Menschen, die nicht davon profitiert haben, ein überfälliges Thema endlich anzusprechen. Einfach weil es sich so richtig angefühlt hat.

Das Fernsehen berichtete noch einmal, dass die Anzeige nun eingestellt sei. Ich hatte offensichtlich einen interessanten Denkanstoß gegeben. Ändern konnte ich aber nichts.

Das Wort dass etwas anderes bedeutet

Es sieht so aus, als ob es von Seiten des Mainstream-Journalismus immer noch keinerlei ernsthaftes Interesse gibt, die beschriebenen Zustände kritisch zu hinterfragen. Wer die Einhaltung von Gesetzen verlangt, hat den Begriff Humanität besser verstanden als jene, die ihr rechtswidriges Verhalten ständig damit rechtfertigen.

Das Recht, einen Asylantrag stellen zu dürfen, muss sich aus ganz praktischen Gründen auf jene Personengruppe begrenzen, für die es vorgesehen ist. Das Deutsche Asylsystem ist längst zu einem unregulierten Einwanderungsweg in den Sozialstaat verkommen. Abgelehnte Antragssteller wird der Staat, nicht nur weil oft schon die Identität unklar ist, meist nicht mehr los. Und falls doch, ist stets mit dem „Drehtüreffekt“ zu rechnen.

Humanität bedeutet nicht, dass sich ein Land international lächerlich machen muss.
Sie bedeutet viel mehr, die Würde und die Rechte anderer Menschen zu achten. Der Staat würde der Humanität viel eher gerecht, wenn er sich einfach an das Gesetz hält. Während die Akzeptanz für die tatsächlich Schutzbedürftigen immer weiter errodiert, verschärft sich die Sicherheitsproblematik im Land zunehmend. Die Interessen der deutschen Bevölkerung scheinen nichts mehr Wert zu sein.

Verstößt es gegen die Menschwürde, wenn mir der Antrag auf einen Zuschuss auf einen Blindenhund vom Staat versagt wird? Nein, denn ich brauche und habe keinen Blindenhund. Es hat also auch nichts mit Menschenwürde zu tun, wenn Personen, die kein Anrecht auf Asyl haben, dieses trotzdem beantragen können und so ins Land gelangen!

Das derzeitige Begriffsverständnis von Humanität in den Medien bezeichnet viel mehr eine anscheinend alles legitimierende subjektive Haltung, wonach alle die die eigenen politischen Ideale nicht teilen, eben nicht human sind. In den allermeisten Fällen wird fremdes Geld verteilt, anstatt selbst eigene Aufwendungen für seine Anliegen zu erbringen. Die Allgemeinheit schaut dem meist etwas ratlos zu und verkneift sich kritische Gedanken.

Die Deutungshoheit und das Parlament

In Zeiten, in denen der wissenschaftliche Dienst des Bundestages längst zu so einer Art Gefälligkeitsgutachter der Bundesregierung geworden ist, sehen die Aussichten duster aus. Auch die neuerlichen Kriminalitätsstatistiken erscheinen beschönigend gestaltet. Die Arbeitslosen-Statistiken sind schon seit längerem wohlwollend, indem nicht nur die eben erwähnten einfach in diversen Maßnahmen oder Minijobs verschwinden. Es sollte hunderte dieser Beispiele geben. Es geht längst nur noch darum, Situationen so zu deuten, wie es die Politik grade braucht. Es geht einfach und alleine um die Deutungshoheit über die Probleme. Die Zeiten, in denen nach Lösungen gesucht wurde, scheinen endgültig vorbei zu sein.

Weil Journalisten sich schon zu sehr an diese politische Faktenoptimierung gewöhnt haben, leisten die wenigsten noch investigativen Widerstand. Der moderne Journalist
skandalisiert zwar gerne, aber doch bitte nicht in der Bundespolitik! Wo kämen wir denn da hin, wenn Lobbyismus, Bankenrettungen, innereuropäische Geldtransfers oder gar Gesetzesverstöße der Bundesregierung zum großen Thema würden? Wer will denn schon ein medialer Querrkopf sein? Das zerstört doch die vertrauensvolle Zusammenarbeit!

Und so gibt es auch keine nennenswerten Stimmen aus der Presse, Merkel müsse ihre andauernde „Grenzöffnung“ endlich mit einem regulären Gesetzgebungsprozess, zumindest nachträglich, rechtlich legitimieren. Dann hätten die Bürger wenigstens gewusst, woran sie sind. Die Abgeordneten des Parlaments unternahmen auch nichts dagegen, dass Merkel über ihre Köpfe supralegale Gesetze erließ. Das stellt zwar bis heute die parlamentarische Demokratie in Frage. Alle Beteiligten von damals sind sich wohl trotzdem einig, dass es so weiter gehen kann.

Das traurige Fazit

Wer in einem Land einschläft, in dem Gesetze plötzlich verhandelbar werden, der könnte bald in einem solchen aufwachen, in dem Gesetze schnell gar nichts mehr gelten. Wenn Sie mögen, glauben Sie an den Osterhasen, oder glauben Sie an den Weihnachtsmann, aber glauben Sie bitte nicht an den Rechtsstaat! Setzen Sie sich auch nicht der Illusion aus, dass von Politikern gewählte Verfassungsrichter ausgerechnet ihre Interessen im Blick hätten. Werden sie endlich mal realistisch! Das Gesetz ist eben nicht für jeden gleich.

Finden Sie sich endlich damit ab! Für Kanzlerinnen gelten Gesetze eben nicht!

 

Von Ulrich Vosgerau übernehmen wir ein Kapitel seines Buches „die Herrschaft des Unrechts“. Vosgerau hat diesen Begriff geprägt, um den seiner Meinung nach unrechtmäßigen Zustand seit Sommer 2015 zu beschreiben.

 

Ulrich Vosgerau:
„Die Herrschaft des Unrechts“

Totalitäre Regime neigen nicht selten dazu, ausgerechnet die Eliten zu vertreiben, und hiervon profitieren dann oft andere Länder geistig, kulturell und wirtschaftlich – etwa Preußen durch die Hugenotten oder die USA durch die deutsche, v.a. jüdische Emigration nach 1933. Staatspolitisch gesehen, wäre es nachgerade das Beste, wenn man eine Art Austausch vornehmen könnte: Repatriierung der hier zwar eingesessenen, aber ebenso bildungsfernen wie illoyalen Erdoğantürken – etwa der 40.000, die im Juli 2016 in Köln für Erdoğan demonstriert haben – gegen zügige Integration ebenso vieler türkischer Professoren und Wissenschaftler. Rechtlich würde das allerdings auf größte Schwierigkeiten treffen. Und was eben nicht geht, wäre die Umsiedlung nennenswerter Anteile der kurdischen Minderheit in der Türkei ins deutsche Sozialsystem, auch wenn diese Leute allerdings in der Türkei verfolgt werden.

Wer einmal hier ist, wird normalerweise bleiben

Dass es in absehbarer Zeit zu visafreier Einreise aus der Türkei kommt, erscheint aus heutiger Sicht inzwischen zwar als ausgeschlossen. Dennoch bleibt die Eröffnung eines subjektiv-rechtlichen, also durch mehrere Instanzen einklagbaren Anspruches auf Asyl, der prinzipiell jedem zusteht, der direkt und mit dem Flugzeug nach Deutschland einreist, problematisch. Einwanderungsländer kennen solche Ansprüche nicht. Die USA, Kanada, Australien oder Neuseeland suchen sich vorab sorgfältig aus, wer überhaupt das Land betreten darf, wer hingegen illegal und eigeninitiativ einreist, hat deswegen keine Folgeansprüche (eben: auf Durchführung eines mehrstufigen Asylverfahrens), sondern wird ohne Diskussion ausgeschafft, schon um den rechtlich geschuldeten Zustand wiederherzustellen. Rein rechtlich gesehen, ist dies logisch und die deutsche Abweichung davon schwer zu erklären. Denn die illegale Einreise bzw. der illegale Aufenthalt, d.h. Einreise und Aufenthalt ohne Pass und Visum durch Bürger von Staaten, die der Visumspflicht unterliegen, ist auch in Deutschland eine Straftat (§ 95 Aufenthaltsgesetz). Daher ist es rechtslogisch kaum zu begründen, dass gerade und nur die Begehung dieser Straftat zu wertvollen Folgeansprüchen, eben auf Durchführung eines mehrstufigen Asylverfahrens und, bei Nichtbestehen eines Asylanspruches, weiterhin auf Gewährleistung von subsidiärem Schutz führt, Ansprüche, die anders und „legal“ gar nicht erworben werden könnten. Denn ein Botschaftsasyl gibt es nicht, man muss also, wenn man Asyl will, schon rechtswidrig in die Bundesrepublik einreisen, und dann schmälert die Illegalität der Einreise jedenfalls nicht die Erfolgschancen im Asylverfahren, denn das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Das eigentliche Problem ist aber eher ein rechtspraktisches und nicht ein rechtstheoretisches. Nur politisch Verfolgte genießen Asylrecht, sonstige Einwanderer nicht. Der Anspruch eines jeden nicht aus einem sicheren Drittstaat Eingereisten richtet sich also nur auf die ordnungsgemäße Durchführung eines Asylverfahrens, führt dieses nicht zum Erfolg, muss der Antragsteller sofort ausreisen: „abgelehnte Asylbewerber sind abzuschieben“ (§§ 34 und 34a Asylgesetz sowie §§ 59 und 60 Absatz 10 Aufenthaltsgesetz). Aber auch hier haben wir wieder den Fall, der seit Jahren immer öfter begegnet: Rechtsnormen, deren klarer Wortlaut nichts mehr mit der Wirklichkeit und der Behörden- und Gerichtspraxis zu tun hat.[1] Hier wäre es allerdings allzu einfach, wollte man behaupten, dass die Behörden und Verwaltungsgerichte die Rechtsvorschriften einfach ignorieren würden, weil sie ihren politischen Zielen entgegenstehen (so wie die Bundesregierung dies im Rahmen der Politik der Grenzöffnung und auch schon bei der Euro-Rettung allerdings getan hat). Nein, hier liegt es eher so, dass eine unübersehbare Fülle von einander widersprechenden deutschen und europäischen  Rechtsnormen, viele davon eben aus dem grund- und menschenrechtlichen Bereich, zugleich auf den Rechtsfall einwirken und miteinander in eine rechtliche Gesamtabwägung bzw. in eine Hierarchie gebracht werden müssen, wobei im Rahmen einer Hierarchisierung natürlich die Grundrechte und Menschenrechte dem reinen Verwaltungsverfahrensrecht vorgehen und im übrigen das EU-Recht einschließlich des Richterrechts dem deutschen Recht. Außerdem scheitert die Umsetzung des Abschiebegebots an völkerrechtlichen Gegebenheiten.

Für den dauernden Aufenthaltsstatus eines Migranten – den wir uns ja eben nicht ausgesucht haben, sondern der sich uns ausgesucht hat – ist der Ausgang des Asylverfahrens heute weithin irrelevant.[2] Man muß realistischerweise davon ausgehen, daß fast jeder, den wir seit 2015 über faktisch offene Grenzen ins Land gelassen haben, wohl bleiben wird, und daß zwangsweise Abschiebungen jedenfalls eine Ausnahme bleiben werden. Im gesamten Jahr 2015 wurden nur 20.000 Abschiebungen durchgeführt, obwohl in diesem Jahr 91.514 Asylanträge abgelehnt worden sind und insgesamt – aufgestaut von früher her – rund 200.000 Personen ausreisepflichtig waren. 2016 sollen insgesamt 745.545 Asylanträge (Erst- und Folgeanträge) neu gestellt worden sein (viele davon natürlich von Personen, die bereits 2015 eingereist waren) [3], dem standen 25.375 Abschiebungen gegenüber[4]. In 2017 wurden in Deutschland 222.683 neue Asylanträge gestellt[5], aber auch nur noch 23.966 Personen abgeschoben.[6]

Es gibt zahlreiche rechtliche Abschiebehindernisse, so etwa:

  • der Duldungsanspruch aufgrund eines verfestigten Aufenthalts allein infolge der Dauer des Asylverfahrens,
  • die konkrete Gefahr von Folter oder erniedrigender Behandlung,
  • die Gefahr der Todesstrafe im Heimatland,
  • erhebliche Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit ebendort,
  • Beeinträchtigung des Ehe- oder Familienlebens, d.h., wer als Asylbewerber in Deutschland geheiratet und/oder ein Kind gezeugt hat, darf auf jeden Fall bleiben,
  • Reiseunfähigkeit wegen Krankheit[7],
  • Notwendigkeit einer dringenden medizinischen Behandlung (auch wenn dadurch nicht unmittelbar Reiseunfähigkeit impliziert wird), die im Heimatland nicht möglich wäre,
  • der Asylbewerber befindet sich in Ausbildung,
  • oder einfach: der Asylbewerber randaliert im Flugzeug, dann muß der Pilot die Beförderung ablehnen (safety first) und die Abschiebung ist gescheitert[8],
  • bei Familien fehlt auf einmal ein minderjähriges Kind.

Bereits am Ende Juni 2016 hielten sich 549.209 Personen mit dem Status „Asylantrag rechtskräftig abgelehnt“ in der Bundesrepublik Deutschland auf, die große Mehrheit jedoch legal, d.h., sie haben – aus einem der eben aufgezählten Gründe – mindestens Duldungsstatus.[9]

Nach der Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte (die sich allerdings an Entscheidungen des Europäischen Gerichthofs für Menschenrechte in Straßburg, also des EGMR, und des EuGH in Luxemburg anlehnen) fanden geraume Zeit keine Abschiebungen nach Griechenland und normalerweise auch nicht nach Ungarn sowie nicht immer nach Italien statt – also alles EU-Staaten, die überdies für fast alle Asylfälle der derzeit in Deutschland sich aufhaltenden Asylbewerber nach der Dublin-III-Verordnung als Ersteinreisestaaten zuständig wären (!) – weil dort nach Ansicht der Gerichte keine im Sinne der Menschenwürdegarantie zumutbaren Unterbringungsbedingungen für die Asylbewerber herrschen.[9] Dies ist, nebenher bemerkt, ja auch die Auffassung der Asylbewerber selber – deswegen bevorzugten sie es ja, nach Deutschland durchzureisen. Im ersten Halbjahr 2016 sollen jetzt aber nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge immerhin 165 Flüchtlinge nach Ungarn überstellt worden sein. Für Griechenland hingegen hat Deutschland die Asylfälle geraume Zeit auf unklarer Rechtsgrundlage stellvertretend mit übernommen und ließ sich zu diesem Zweck sogar Asylbewerber aus anderen Schengen-Ländern, die ursprünglich über Griechenland eingereist waren, überstellen. Seit August 2017 sollen neue Asylbewerber nun – vom Grundsatz her – aber auch wieder nach Griechenland zurückgeführt werden können.[10] Nach Italien wurden jedenfalls Familien mit Kindern regelmäßig nicht mehr abgeschoben, teils mit der – sehr weitgehenden – Erwägung, dass dies schon deswegen nicht in Frage kommen sollte, weil in Italien die Kinder der Migranten meist nicht unmittelbar staatliche Schulen besuchen durften, was im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit süditalienischer Schulen zur ordnungsgemäßen Beschulung der Landeskinder keine ganz unbegreifliche Einschränkung sein dürfte. Seit Mitte 2017 sollen Rückführungen auch nach Italien, außer bei Familien mit kleinen Kindern, trotz fortbestehender Defizite im italienischen Asylsystem, rechtlich wieder möglich sein. Ob dies jeweils auch geschieht, bleibt aber allemal eine Frage des jeweiligen Einzelfalles.

Die meisten Abschiebungen scheitern indessen schon einfach an der Tatsache, daß die abzuschiebenden Asylbewerber keine Ausweispapiere bei sich hatten. Etwa 80% der in Deutschland angekommenen Flüchtlinge haben zwar nie ihr Mobiltelefon, wohl aber ihre Ausweispapiere in den Wirren der Flucht verloren, etliche hatten sie allerdings vorher mit dem besagten Mobiltelefon noch abfotografiert und so konnte man dann in manchen Fällen immerhin ihre Identität feststellen – auch wenn dies noch nicht die fehlenden Ausweispapiere ersetzt. Ohne Ausweispapiere kann nämlich schlechterdings keine Abschiebung durchgeführt werden, notfalls muß der Herkunftsstaat dazu entsprechende Ersatzdokumente ausstellen, und das tun eben nicht alle Herkunftsstaaten, und man kann sie letztlich auch nicht dazu zwingen. Auch muß vor dem Versuch der Abschiebung jedenfalls die Identität erst einmal geklärt sein, und das ist ohne Ausweispapiere eben normalerweise nicht möglich. Das wissen die Asylbewerber natürlich – und können sich über die sozialen Netzwerke darüber informieren – und vernichten ihre Pässe. Dann wird eine Ausschaffung ohne ihren Willen nicht mehr möglich sein, das wiederum hat die Bundesregierung gewußt und auch die Bundespolizei, und trotzdem wurde, offensichtlich rechtswidrig, niemand zurückgewiesen. Selbst bei Vorhandensein sämtlicher Papiere und Dokumente setzt eine Abschiebung aber immer auch die Kooperation des Herkunftsstaates voraus, der eben des Willens sein muß, seine eigenen Staatsbürger überhaupt zurückzunehmen.[13] Dies ist etwa bei Staaten wie Afghanistan, Pakistan und mehreren nordafrikanischen Staaten vielfach nicht der Fall. Insgesamt 17 Staaten, v.a. in Afrika, verweigern weithin die Zusammenarbeit, bislang gehören dazu auch Marokko und Algerien (die gleichwohl ja jetzt zu „sicheren Herkunftsländern“ erklärt werden sollten).

Seit dem Jahr 2012 und jedenfalls bis zum deutsch-afghanischen Rücknahmeübereinkommen vom 2. Oktober 2016 hat es daher in keinem Jahr mehr als zehn Abschiebungen nach Afghanistan gegeben, obwohl nur die Hälfte der afghanischen Asylbewerber den „subsidiären Schutz“ zuerkannt bekommt (die übrigen stammen aus mehr oder weniger friedlichen, nicht von den Taliban beherrschten Landesteilen). Im Jahre 2014 hatte es 9.673, im Jahr 2015 bereits 31.908 Asylanträge aus Afghanistan gegeben. Von Rechts wegen und realistisch muß man sagen: sie sind gekommen, um zu bleiben, wie ihre Asylverfahren ausgehen, ist eigentlich egal.

Bereits zum 30. Juni 2016 hielten sich insgesamt etwa 1,5 Millionen Ausländer in Deutschland auf, die entweder Asyl beantragt haben (bei derzeit offenem Verfahrensausgang) oder die subsidiär schutzberechtigt sind oder aber aus anderen Gründen geduldet werden müssen. Aber auch seit der Schließung der Balkan-Route reisen weiterhin etwa 15.000 Asylbewerber über faktisch offene Grenzen nach Deutschland ein, also knapp 200.000 im Jahr.[14] Wie viele Personen darüber hinaus in Deutschland einfach untergetaucht sind, ist naturgemäß völlig unbekannt. Viele Bürger fragen sich natürlich (oder mich), worin denn – einmal abgesehen von der unmittelbaren Begehung von Straftaten bzw. terroristischen Handlungen – eigentlich der Sinn des „Untertauchens“ in Deutschland bestehen könne, da der Migrant ja auf diese Weise weder zu einer legalen Unterkunft noch zu den basalen Sozialleistungen gemäß Asylbewerberleistungsgesetz kommen könne (geschweige denn zu Sprach- oder Integrationskursen oder medizinischer Behandlung, deren kostenlose Verfügbarkeit in Deutschland einen vielfach unterschätzten Fluchtgrund bildet).

Rein rechtlich gesehen, kann ein Asylbewerber, für den nach der Dublin-III-Verordnung eigentlich ein anderer EU-Staat zuständig wäre, in den er durch die deutschen Behörden im Zuge des Asylverfahrens unter Umständen zurückgeschoben werden würde, eine formelle Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland erzeugen bzw. erzwingen. Denn nach Artikel 29 Absatz 2 Satz 2 der Dublin-III-Verordnung geht die Zuständigkeit für das Asylverfahren selbst im Falle illegalen Untertauchens (!) nach 18 Monaten auf die Bundesrepublik Deutschland über, eine Rückschiebung ist dann ausgeschlossen. Dies dürfte vielfach der Hintergrund des Untertauchens unter einstweiligem Verzicht auf Unterbringung und Versorgungsansprüche sein; jedenfalls solche Migranten, die sich auf Englisch oder Französisch verständigen können, sind ja durch ehrenamtliche Asylantenhilfsorganisationen im Umfeld der linken Szene oft asylrechtlich bestens beraten.[15]

Die Lösung: kontrollierte Einwanderung statt Recht auf Asyl

Das Problem, dass bei Aufrechterhaltung eines subjektiven Grundrechts auf Asyl zahlreiche ungebetene und ökonomisch unbrauchbare Einwanderer ins Land kommen, hat der Politik schon vor dem Durchbruch der jetzigen Migrationskrise Sorgen bereitet. Die bisherigen Lösungsversuche krankten freilich daran, dass sie alle unter der Prämisse erfolgten, das individuell-subjektiv klagbare Recht auf Asyl des Grundgesetzes müsse aus Prinzip unbedingt erhalten bleiben und trotzdem sollten viel weniger Leute kommen oder viel schneller wieder gehen (am besten beides).

Einen der in diesem Zusammenhang beschrittenen Wege könnte man die „sozialpolitische Lösung“ nennen, und sie bestand darin, im Zusammenhang mit dem seinerzeitigen Asylkompromiß und als dessen „leistungsrechtlicher Annex“ auch den Sozialhilfeanspruch der Asylbewerber gründlich zu reformieren und ihnen nur noch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zur gewähren und nicht mehr, wie inländischen (und keineswegs nur deutschen) Langzeitarbeitslosen nach dem Sozialgesetzbuch XII. Das bedeutete, sie bekamen fast kein Geld mehr, nur noch Sachleistungen; und dass weiterhin deutsche Asylbewerberheime, wo ganze Familien in einem Zimmer zusammenleben und sämtliche sanitäre Einrichtungen kollektiv zu nutzen sind, weit hinter den Ansprüchen zurückbleiben, die ein inländischer Hartz-IV-Empfänger geltend machen kann, dürfte hinlänglich bekannt sein.

Es war der Versuch, Asylbewerber, wenn man sie eben in aller Regel schon nicht abschieben konnte, zur freiwilligen Ausreise kraft Miserabilität der Lebensbedingungen in Deutschland zu bewegen. Das Bundesverwaltungsgericht[16] hat dies dann auch noch für rechtens gehalten: nur inländische Sozialhilfeempfänger hätten einen soziokulturellen Grundbedarf, der neben dem physischen Sattwerden auch eine bescheidene Teilnahme am sozialen Leben in der Gemeinschaft ermöglichen müsse. Bei Asylbewerbern sei hingegen noch nicht heraus, ob sie sich integrieren sollten, vielleicht müssten sie ja alsbald wieder das Land verlassen, und bis dahin könnten sie ruhig in ihren Asylbewerberunterkünften abwarten und den ihnen dort ausgehändigten Reis essen. Das Bundesverfassungsgericht hat indessen bereits mit Urteil vom 18. Juli 2012 die „sozialpolitische Lösung“ beendet, indem es die pauschale Schlechterstellung der Asylbewerber gegenüber einheimischen Hartz-IV-Empfängern für verfassungswidrig erklärte.[17] (Ein sprunghafter Anstieg der Asylbewerber zumal aus den Balkanstaaten war dann allerding die Folge – dort wird die Rechtsentwicklung in Deutschland stets aufmerksam verfolgt)[18]. Ich finde dieses Urteil vollkommen richtig. Schon rechtstechnisch gesehen, gilt: das Sozialrecht dient nicht der Steuerung von Einwanderungsbewegungen, dazu ist allenfalls das Einwanderungsrecht da. Auch ist es eines Rechtsstaats unwürdig, erst Leute, die man eigentlich nicht haben will, über die Grenze zu lassen, um sie dann so schlecht zu behandeln, dass sie möglichst freiwillig wieder gehen. Es ist doch ganz einfach, und wird eigentlich auf der ganzen Welt so praktiziert: wen der Staat nicht im Land haben will, den darf er nicht hineinlassen; wen er aber hineinlässt, den hat er ordentlich zu behandeln.

Der aktuellere Versuch, bei Aufrechterhaltung des subjektiven Grundrechts auf Asyl die vielen Anspruchsteller trotzdem irgendwie wieder loszuwerden, ist die bereits erwähnte, bei den Grünen zumeist nicht wohlgelittene Initiative der Bundesregierung, Tunesien, Algerien oder Marokko zu sicheren Herkunftsländer zu erklären. (Zur Erinnerung: Marokko und Algerien gehören bislang zu denjenigen afrikanischen Staaten, die durch ihre mangelnde Kooperation mit den deutschen Behörden Abschiebungen ihrer eigenen Staatsbürger aus Deutschland weitgehend sabotieren). Kaum jemand glaubt wirklich, dass diese Länder tatsächlich „sichere Herkunftsländer“ sind, eigentlich müsste jeder in diesem Punkt den Grünen und den Asylhelferorganisationen Recht geben. Es sind alles ziemlich sinnlose und teils etwas unwürdige Verrenkungen, die die Politik parteiübergreifend unternimmt, weil sie am subjektiven Grundrecht auf Asyl nichts ändern will, es aber gleichzeitig, und jeder weiß es eigentlich, faktisch nicht mehr gewährleisten kann.

Seit 1973, dem Jahr des „Anwerbestopps“ unter Willy Brandt, fungiert das Asylrecht als ständiges Einfallstor für staatlich und gesetzlich nicht geregelte Einwanderung nach Deutschland. Was diese Einwanderung ohne den Willen des Staates, ohne den Auftrag des Gesetzgebers, ohne den Wunsch des weit überwiegenden Teils der Bevölkerung, allein aufgrund der privatinitiativen Durchsetzung individueller Rechte durch entschlossene Migranten bewirkt, wurde schlaglichtartig während des Libanon-Krieges im Jahr 2006 deutlich. Hier mussten hunderte von deutschen Staatsbürgern – die zumeist während der 1980er Jahre politisches Asyl in Deutschland erhalten hatten und dann nach acht Jahren regulär eingebürgert worden waren – aus dem Libanon evakuiert werden, die offenbar teils seit geraumer Zeit faktisch gar nicht mehr in Deutschland lebten, sondern ihre zumeist Berliner Wohnungen längst an andere arabische Familien untervermietet hatten und in der alten Heimat, wo die politische Verfolgung inzwischen scheinbar nachgelassen hatte, mit deutschen Sozialleistungen einschließlich Kindergeld und Wohngeld zur finanziellen Oberschicht rechneten.

An dem wenig durchdachten Festhalten am subjektiv-klagbaren Asylrecht des Grundgesetzes scheitert auch seit Jahren eigentlich die Einführung eines echten Einwanderungsgesetzes, mit dem Deutschland den Wettbewerb um die besten wissenschaftlichen und technischen Köpfe, die besten Handwerker, die besten Pflegekräfte der Welt endlich aufnehmen könnte. Solange natürlich das Hauptproblem der Einwanderungspolitik der (vergebliche) Versuch der Minimierung unerwünschter Einwanderung in die Sozialsysteme ist, die eben über das Asylrecht erfolgt, kann man parallel dazu kaum ein Einwanderungsgesetz durchsetzen, das unter Umständen neue, weitere und parallele subjektive Ansprüche und Rechtsschutzmöglichkeiten beinhalten würde für unerwünschte Einwanderer, die aber eben nun einmal hier sind. Ein echtes Einwanderungsgesetz müsste vielmehr den Zweck haben, festzulegen, wer überhaupt herkommen darf. Dann würde also endlich der demokratisch legitimierte Gesetzgeber diejenigen Entscheidungen treffen, die in Deutschland seit Jahrzehnten von den Einwanderern ganz alleine getroffen, durch illegale Einreise und Stellung eines Asylantrages umgesetzt und durch Familienzusammenführung und Eheschließungen im Heimatland vetieft und verewigt werden. Ein echtes Einwanderungsgesetz, z.B. mit einem Punktesystem nach kanadischem Vorbild, hat daher die Abschaffung des subjektiven Grundrechts auf Asyl zur Voraussetzung.

Das Festhalten am bisherigen System ist hingegen gefährlich.[19] Nach derzeitigen Befragungen schätzen Experten, dass gegenwärtig etwa 100 bis 500 Millionen Menschen nach Deutschland und Europa wollen (je nachdem, wie man die Frage formuliert), Tendenz steigend. In Zukunft werden diese Menschen nicht mehr nur aus dem Nahen Osten kommen, sondern v.a. auch aus Afrika. Hier wird der gewaltige, gar nicht zu überschätzende geopolitische Nachteil der Europäer gegenüber den Amerikanern deutlich: eine gefährliche Nähe zum Afrikanischen Kontinent. Der amerikanische Präsident Trump rief bekanntlich bereits als Präsidentschaftskandidat in den deutschen Feuilletons eine unvergleichliche Empörung hervor, als er forderte, an der Grenze der USA zu Mexiko eine Mauer zu errichten. In den USA selber hielt sich die Empörung jedoch in Grenzen, da dort bekannt ist, dass sich an dieser Grenze ja jetzt schon, und aus guten Gründen, ein mit Stacheldraht bewehrter Sicherheitszaun befindet, die von Trump geforderte Maßnahme also nicht eine revolutionäre, sondern allenfalls eine graduelle Veränderung bedeuten würde. Aber was ist schon Mexiko? In Afrika leben derzeit 1,2 Milliarden Menschen. Im Jahr 2100 werden es nach der Prognose der UN bereits 4,4 Milliarden sein.

Die erste Konsequenz, die Deutschland aus diesen Umständen zu ziehen hätte, bestünde in der Fortschreibung der humanitären Asylgewährung als Staatsziel, aber nicht mehr als Grundrecht. Dies würde uns in die Lage versetzen, unerwünschte Einwanderer gar nicht erst ins Land zu lassen – genau wie die echten Einwanderungsländer wie etwa Neuseeland es konsequent tun – weil wir sie zumeist ohnehin nicht mehr abschieben könnten, egal, wie das Asylverfahren ausgeht.

Art. 16a des Grundgesetzes ist daher aufzuheben. An seine Stelle tritt ein neuer Artikel 20b Grundgesetz (aus systematischen Gründen darf er nicht im Grundrechtsteil des Grundgesetzes stehen, wird daher also kein „neuer“ Artikel 16a). Dieser lautet:

„Der Staat gewährt politisch Verfolgten, die im Ausland mit friedlichen Mitteln für die Werte dieses Grundgesetzes eingetreten sind, nach Maßgabe der Gesetze Asyl“.

[1] Vergl. Monika Maron, Wir sind verantwortlich für unser Land, in: FAZ Nr. 11, 11. Januar 2016, S. 8: „Sie [= die Politiker] versprechen, in Zukunft kriminelle Ausländer schneller abzuschieben, wohl wissend, daß auch veränderte Gesetze wenig Erfolg versprechen, weil wir in Kriegsländer nicht abschieben dürfen, viele ihre Pässe vernichtet haben oder die Heimatländer ihre Staatsbürger nicht zurücknehmen und eine Heerschar deutscher Anwälte darauf wartet, jahrelange Prozesse um ein Bleiberecht zu führen.“ Der kurze, sehr lesenswerte Gastbeitrag von Monika Maron ist auch deshalb ein historisch wichtiger Text, weil er belegt, daß auch Bürger ohne juristische Vorbildung, wenn sie sich nur informierten, auch die speziell rechtlichen Konsequenzen der Einwanderungspolitik der Bundesregierung ohne weiteres durchschauen konnten. Es scheint der Bundesregierung, wie seinerzeit schon bei der Einführung des Euro, über die damals aber jedenfalls Bundestag und Bundesrat abgestimmt haben, darum zu gehen, bestimmte Dinge unumkehrbar zu machen und der demokratischen Disposition aller Folgegenerationen ein für alle Mal zu entziehen – und hier geht es eben um die demographische und ethnische Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung.

[2] Vergl. auch Sarrazin, Das Einfallstor schließen, in: FAZ Nr. 195, 22. August 2016, S. 10: „Von 2007 bis Mitte 2016 gab es 1,07 Millionen Entscheidungen über Asylanträge. Lediglich in weniger als 1 Prozent aller Fälle wurde dem Antragsteller das Recht auf politisches Asyl gemäß Artikel 16a GG zugesprochen. Im ersten Halbjahr 2016 waren es sogar nur 0,3 Prozent. Rund 55 Prozent der Antragsteller erhielten ein Bleiberecht als Flüchtling oder einen Aufenthaltsstatus wegen subsidiären Schutzes oder eines Abschiebungsverbots. Bei rund 45 Prozent wurde der Antrag abgelehnt. Nur ein geringer Bruchteil der abgelehnten Bewerber reiste freiwillig wieder aus oder wurde abgeschoben.“

[3] Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/76095/umfrage/ asylantraege-insgesamt-in-deutschland-seit-1995/.

[4] Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Jelpke u.a. (Fraktion Die Linke) vom 7. Februar 2017, https://www. migrationsrecht.net/zahl-der-abschiebungen-2016/dokument-ansehen.html.

[5] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/671759/umfrage/asylantraege-in-deutschland-nach-bundeslaendern/.

[6] Zahl der Abschiebungen 2017 deutlich gesunken, WELT Online vom 28. Januar 2018, https://www.welt.de/politik/deutschland/article172934015/ Ausreisepflichtige-Migranten-Zahl-der-Abschiebungen-2017-deutlich-gesunken.html.

[7] Vergl. Eckart Lohse/Julian Staib, Arzt statt Abschiebung, in: FAZ Nr. 162, 14. Juli 2016, S. 3; Regierung: Ärzte verhindern Abschiebungen, in: FAZ Nr. 223, 23. September 2016, S. 1; Julian Staib, Bürokratie gegen Menschlichkeit, ebda., S. 2.

[8] Vergl. Abschiebungen scheitern oft, FAZ Nr. 193, 19. August 2016, S. 2: „Seit Anfang des Jahres 2015 sind 600 Abschiebungen aus Deutschland per Flugzeug im letzten Moment gestoppt worden, in 330 Fällen allein, weil sich die Betroffenen heftig wehrten. […] Am häufigsten stoppten den Angaben zufolge Migranten aus den afrikanischen Ländern Eritrea und Gambia durch Widerstand ihre bereits laufenden Abschiebungen. Es folgten Somalia, der Irak, Pakistan und Kamerun.“

[9] Vergl. Abschiebungen scheitern oft, FAZ Nr. 193, 19. August 2016, S. 2: „Seit Anfang des Jahres 2015 sind 600 Abschiebungen aus Deutschland per Flugzeug im letzten Moment gestoppt worden, in 330 Fällen allein, weil sich die Betroffenen heftig wehrten. […] Am häufigsten stoppten den Angaben zufolge Migranten aus den afrikanischen Ländern Eritrea und Gambia durch Widerstand ihre bereits laufenden Abschiebungen. Es folgten Somalia, der Irak, Pakistan und Kamerun.“

[10] Vergl. Julian Staib, Bürokratie gegen Menschlichkeit, in: FAZ Nr. 223, 23. September 2016, S. 2.

[11] Vergl. näher Breitenmoser, in: VVDStRL 76 (2017), S. 9 (29 f.) sowie Odendahl, ebda., S. 88 f., jew. m.w.N.

[12] Eckart Lohse, Wieder Rückführungen nach Griechenland geplant, FAZ Online vom 6. August 2017, http://www.faz.net/aktuell/politik/ inland/fluechtlingspolitik-erstmals-wieder-rueckfuehrungen-nach-griechenland-15139682.html

[13] Vergl. Gerd Müller, „Gegenteil des Erwünschten“ (Interview mit Wolf Wiedemann-Schmidt [wow]), in: DER SPIEGEL Nr. 34, 20. August 2016, S. 20. In dem Interview berichtet der Bundesminister für Entwicklungshilfe, daß er derzeit mit nicht kooperativen Staaten über das Problem der Rücknahme abgelehnter Asylbewerber Gespräche geführt habe, „um hier voranzukommen, in Marokko und anderswo“. Das „Vorankommen“ bei der Bereitschaft zur Zurücknahme der eigenen Staatsbürger (!) ist – man denkt es sich bereits – hier natürlich nur durch maßgebliche Geldzahlungen von deutscher Seite zu erreichen. Dies wird dann natürlich – wie alles, was mit Einwanderung und Asyl zu tun hat – für den deutschen Wähler beträchtlich schöngeredet. Minister Müller: „Deshalb unterstützen wir die Rückkehrer mit Ausbildungs- und Beschäftigungsprogrammen in den Maghreb-Staaten, aber auch in Niger und im Senegal. Sonst gehen sie nämlich nach der Abschiebung die Gangway des Flugzeugs herunter und machen sich gleich wieder auf die Flucht.“ Hier wäre natürlich gleich die Frage zu stellen, ob entsprechende deutsche Gelder denn auch wirklich zur „Ausbildung“ abgelehnter Asylbewerber im Heimatland verwendet werden: bei welchem Lehrherrn, bei welchem Unternehmen denn überhaupt, und aufgrund welcher Vorbildung und welcher Schulabschlüsse? Hier tut der Entwicklungshilfeminister so, als ob im Niger, im Senegal oder auch in Marokko das deutsche duale Berufsschul- und Ausbildungssystem gleich einem Münzautomaten bereitstünde, in den man nur deutsche Gelder einwerfen muß, damit er unten afrikanische Handwerksgesellen ausspuckt. Besonders bezeichnend ist auch, daß DER SPIEGEL dem Minister diese einfache Frage gar nicht erst stellt.

[14] „Zum großen Teil wissen wir nicht, wer sie sind“ – Ex-BND-Chef August Hanning hat zwei Jahre nach der Flüchtlingskrise eine ernüchterte Bilanz gezogen, WELT Online vom 31. Dezember 2017, https://www.welt.de/ 172054738

[15] Teils scheint die Vermutung nicht ganz fernliegend, daß Rechtsanwälte, die ihr Fachwissen bei idealistischen Flüchtlingshilfsorganisationen und -netzwerken einbringen, den so durch ihre Hilfe in Deutschland gehaltenen Personen später auch als Strafverteidiger zur Verfügung stehen, wofür im Falle der Pflichtverteidigung dann der Steuerzahler aufkommen muß.

[16] BVerwG, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1999, S. 669.

[17] BVerfGE 132, 134 ff.

[18] Vergl. statt vieler Boris Palmer, Wir können nicht allen helfen, München 2017, S. 117.

[19] Vergl. zu den Hintergründen und dem Ausmaß der künftig zu erwartenden Völkerwanderungsbewegungen etwa Rolf Peter Sieferle, Das Migrationsproblem, Waltrop/Berlin 2017, S. 11 ff. und passim; Schwarz, Die neue Völkerwanderung nach Europa (2017), S. 164 ff. und passim.