Tichys Einblick
Höhenflug der AfD

Die Union steuert mit ihrem derzeitigen Kurs unruhigen Zeiten zu

Die bisherige Strategie der etablierten Parteien, die Bildung einer Mitte-Rechts-Regierung in Deutschland dauerhaft zu verhindern, gerät inzwischen zusehends an ihre Grenzen. Immer mehr Wähler bringen in Umfragen zum Ausdruck, dass sie sich genau eine solche Regierung wünschen.

IMAGO / Political-Moments

Seit Gründung der Alternative für Deutschland (AfD) vor zehn Jahren führen die etablierten Parteien, angeführt von den Grünen und der Linken, unter tatkräftiger Mitwirkung vieler Medien und Netzwerke einen verbissenen „Kampf gegen rechts“. Sein Ziel ist die dauerhafte Sicherstellung politischer Mehrheiten links der Mitte durch Verhinderung politischer Mehrheiten rechts der Mitte, wie es sie innerhalb der Europäischen Union (EU) mittlerweile nicht nur in Polen und Ungarn gibt. Die Wahlerfolge der AfD in den Ländern und im Bund bilden hierfür eine entscheidende Voraussetzung, solange sie in erster Linie zu Lasten der Wahlergebnisse der beiden Unionsparteien gehen und solange diese keine Koalitionen mit dem neuen Konkurrenten von rechts bilden.

Vom Merkelianer zum Ramelowianer
Wer CDU wählt, wählt Ramelow
Folgerichtig stand und steht im Zentrum des „Kampfes gegen rechts“ von vornherein nicht die politische Auseinandersetzung mit den Themen und Inhalten der AfD, sondern ihre systematische Delegitimierung als demokratischer Wettbewerber und Ausgrenzung als möglicher Koalitionspartner. Nachdem entgegen dem Verdikt von Franz Josef Strauß, die Union dürfe programmatisch rechts von ihr keine demokratisch (das heißt von den Wählern) legitimierte Partei entstehen lassen, CDU und CSU unter der Führung von Angela Merkel genau dies unterlassen und so Raum für eine rechte Alternative geschaffen hatten, reihten sich selbst die beiden Unionsparteien in die Phalanx der rot-grün-gelben „Antifaschisten“ ein. Trotz ihrer Wahlerfolge sprechen sie der AfD seitdem jegliche demokratische Legitimation ab und erklären sie zu einem ausgemachten Feind der Demokratie.

Dies gegenüber demokratisch gewählten Parteien zu tun, ist in einer liberalen Demokratie indes ein äußerst schmaler Grat, auf den sich die selbsternannten, vermeintlichen Demokratieschützer begeben. Ihr Angriff richtet sich nämlich zwangsläufig nicht nur gegen die fragliche Partei, sondern auch gegen deren Wähler, und damit gegen einen Teil des in Wahlen manifestierten Volkswillens, auf dem die Demokratie selbst fußt. Der mit dem Aufruf zur Verteidigung der Demokratie geführte Kampf gegen die AfD stand daher von Anbeginn in Gefahr, selbst die Demokratie zu schädigen. Diese lebt nämlich seit jeher davon, dass die gesamte, in Wahlen ermittelte volonté de tous (Volkswille) in Regierung und Opposition seine institutionelle Repräsentation findet.

Die Anerkennung der Repräsentation des demokratischen Willens ihrer Wähler wird der AfD (und damit ihren Wählern) von den etablierten Parteien im Zusammenspiel mit dem medialen Mainstream seit ihrer Gründung verweigert. Ihre vermeintliche oder auch tatsächliche Radikalisierung nach rechts dient dabei nur als Vorwand, geht es doch vorrangig darum, politische Mehrheiten rechts der Mitte, wie es sie in demokratischen Staaten schon immer gab, zu verhindern. Auch Bernd Lucke, Frauke Petry und Jörg Meuthen als Repräsentanten einer noch mehrheitlich als gemäßigt rechts geltenden AfD wurden daher als Feinde der Demokratie gebrandmarkt, mit denen aufrechte Demokraten nicht zusammenarbeiten, weder in der Opposition noch in einer Regierung.

"Überschätzte AfD"
CDU und CSU blinken nach rechts
Bislang schien es so, als ließe sich der weitere Aufstieg der AfD auf diese Weise zumindest so weit begrenzen, dass sich weiterhin in den Ländern wie im Bund Mitte-Links-Regierungen unter Einbindung aller etablierten Parteien bis hin zur Linken bilden lassen. Inzwischen deuten jüngste Umfrageergebnisse wie auch erste Wahlerfolge der AfD auf kommunaler und regionaler Ebene aber darauf hin, dass insbesondere in einigen der neuen Bundesländer selbst dies bald nicht mehr möglich sein könnte, sei es, weil die rechnerischen Mehrheiten für solche Allparteien-Bündnisse fehlen, oder sei es, weil einzelne Parteien sich ihnen verweigern. Es drohen zunehmend Zustände der Unregierbarkeit, wenn eine der größten Parteien von allen Möglichkeiten einer Regierungsbeteiligung ausgeschlossen bleibt.

Die Wähler haben die undemokratische Ausgrenzungsstrategie der etablierten Parteien gegenüber der AfD in Ost und West schon immer allenfalls zum Teil mitgetragen. So konnte sie seit ihrer Gründung bundesweit rund zehn Prozent Stammwähler für sich gewinnen. Mittlerweile bringen immer mehr Wähler in Umfragen aber deutlich zum Ausdruck, dass sie sich angesichts der Geisterfahrt, auf der sich Deutschland mittlerweile nicht nur bei der Asyl- und Migrationspolitik sowie der Energiepolitik befindet, eine Ersetzung der derzeitigen Mitte-Links-Regierung durch eine Mitte-Rechts-Regierung wünschen, wie es sie mittlerweile vermehrt schon in anderen EU-Ländern gibt. Wie stabil dieser Wählerwunsch ist, wird man abwarten müssen. Umfrage- und Wahlergebnisse sind mittlerweile ähnlich volatil und schwer vorhersehbar wie Aktienkurse.

Sollten sich die aktuellen Umfrageergebnisse jedoch stabilisieren und auch in Wahlergebnissen niederschlagen, dann kommen vor allem auf die Union höchst unruhige Zeiten zu. Sie müsste dem Wahlvolk nämlich erklären, warum sie seinem mehrheitlichen Wunsch, von einer Mitte-Rechts-Koalition regiert zu werden, nicht nachkommen will. Ob dabei ihr Argument, sie tue dies zum Schutz der Demokratie, vom Wahlvolk akzeptiert wird, darf bezweifelt werden. Nicht minder dürfte dann in Frage stehen, ob es klug war, eine Partei öffentlich zum politischen Feind zu erklären, deren Wähler sich überwiegend eine rechte Regierung unter Führung der Union wünschen.

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