Tichys Einblick
Lockdown schickt eine Branche in den Tod

Über ein Viertel der Reisebüros pleite: Verzweiflung bis in den Suizid

Die Reisebranche ist mit am schwersten von den Lockdownmaßnahmen betroffen. Während die Großen auf Konzernrettung pochen können, ist das Sterben der Kleinen schon im vollen Gange - leise und schnell. Eine Unternehmerin erzählt von zahlreichen Suiziden von Kollegen. Von Max Zimmermann.

IMAGO / Seeliger

Der Lockdown trifft die Selbständigen und den Mittelstand besonders heftig. Auch die Tourismusbranche ist durch die staatlichen Maßnahmen unter extremen Druck geraten – mit fatalen Folgen für kleine Reisebüros. Die waren in den letzten Jahren durch Onlinebuchungsportale ohnehin schon in der Krise – der Lockdown und die Reiseverbote für viele zentrale Urlaubsziele gibt der Branche, an der zehntausende Arbeitsplätze hängen, jetzt vielerorts den Rest. Über ein Viertel der Reisebüros in Deutschland sind jetzt schon pleite, 70% sind akut gefährdet.

Die Reiseunternehmerin Kerstin Wirsing aus Segnitz hat vor 18 Jahren ein Reiseunternehmen gegründet. Heute steht sie vor dem Ruin. Aufgrund der Corona-Maßnahmen liegt der Betrieb seit elf Monaten brach, erzählt sie der fränkischen Regionalzeitung Der Kitzinger – es gibt keine Aufträge mehr. Normalerweise buchen bei ihr ortsansässige Stammkunden Reisen; das ist seit März 2020 quasi nicht mehr möglich.
Die ganze Branche leidet. Ersparnisse und Rücklagen sind aufgebraucht, sie selbst lebt von ihren Pensionsrücklagen, wird wohl ihr geerbtes Haus verkaufen müssen.
So wie Wirsing geht es vielen kleinen und mittelständischen Reiseunternehmen.

Stefan Mickisch
Tod eines seitlich Umgeknickten
Sieben Kollegen aus der Reisebranche haben sich bereits das Leben genommen, erzählt Wirsing. Die Lage ist katastrophal. Es hätte zwar Zusagen von Wirtschaftsminister Peter Altmaier gegeben, derartige finanzielle Unterstützungen seitens des Staates sind aber genauso im Sande verlaufen und bis heute nicht angekommen wie die Novemberhilfen, welche von der Bundesregierung bereits vor Monaten versprochen wurden.

Johann Burtz, ebenfalls Reiseunternehmer und aus Marksteft, berichtet ähnliches. Die aktuellen Einnahmen liegen laut Burtz bei fünf bis zehn Prozent des normalen Umsatzes. Beim Reiseunternehmer Rainer Strauss aus Michelstadt befinden sich die Mitarbeiter des Reiseunternehmens in Kurzarbeit, ein Auszubildender hat die Stelle aufgrund der Umstände gewechselt.

Burtz glaubt, dass es primär die Verantwortung der Politik sei, dass so Wenige Reisen buchen. Die Leute wollten zwar raus und seien der Corona Restriktionen überdrüssig, aber die Angst vor Quarantäne schrecke viele ab. Aus Gesprächen mit Geschäftspartnern in Südafrika und Sri Lanka berichtet er Irritationen über die Berichte aus Deutschland – dort würde das Leben nämlich weitesgehend normal von statten gehen, mit offenen Stränden und gefüllten Restaurants.

Die deutsche Politik lässt aber weiterhin die Wirtschaft ausbluten, schließt Lockerungen kategorisch aus und setzt dogmatisch auf den Lockdown-Trott. Und die Betriebe lässt man einfach vor die Hunde gehen. Der Staat enteignet still die wichtigste Säule unserer Wirtschaft: den Mittelstand. Doch statt sie pflichtgemäß vollständig zu entschädigen, beschließt der Staat „Hilfen“ ganz so, als wären die Geschäfte aus dem Nichts pleite gegangen und würden jetzt betteln. Mit den verfassungsmäßig garantierten Eigentumsrechten hat das alles nichts mehr zu tun. Die Folge: Verzweiflung, Pleiten, Armut, zerstörte Lebenswerke und Selbstmorde.


Sollten Sie das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, kontaktieren Sie unbedingt die Telefonseelsorge. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 bekommen Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Hilfe bei den nächsten Schritten anbieten können. Hilfsangebote gibt es außerdem bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Im Netz gibt es – Beispielsweise bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe – auch ein Forum, in dem sich Betroffene austauschen können.

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