Tichys Einblick
Ohne Perspektive

Trump in Arabien: Weder halal, noch haram

Auch dieser amerikanische Präsident verfügt über keine durchdachte, auf festen Grundüberzeugungen beruhende Vorstellung vom Problem des islamischen Extremismus, des Islam und des Nahen Ostens.

U.S. President Donald Trump joins Saudi Arabia's King Salman bin Abdulaziz al-Saud and other Arab leaders at a summit meeting May 21, 2017 in Riyadh, Saudi Arabia.

© Thaer Ghanaim/PPO via Getty Images

Donald Trumps mit Spannung erwartete Botschaft aus der saudi-arabischen Hauptstadt Riad an die islamische Welt läutete weder den radikalen Neustart der US-amerikanischen Nahostpolitik ein, noch erfüllte sie alle Hoffnungen auf einen staatsmännisch gewandelten US-Präsidenten. Trump wählte einen Mittelweg aus rhetorischer Abgrenzung von seinem Vorgänger und unspektakulärer Kontinuität in der praktischen Politik. Damit sorgt er nirgends für große Verärgerung, noch für große Freude.

Zur Erinnerung: 2009 hatte Barack Obama an der Universität Kairo eine Rede mit dem Titel „A New Beginning“ gehalten. Diese ebenfalls an die islamische Welt gerichtete Rede vereinte die bekannten apologetischen Täuschungen, Verdrehungen und Halbwahrheiten in sich: Der Islam habe eine lange Tradition der religiösen Toleranz, der westliche Kolonialismus habe der muslimischen Welt Rechte und Möglichkeiten vorenthalten, Hass und Fanatismus seien nur das Problem einer kleinen Minderheit, der Islam sei im Kampf gegen gewalttätigen Extremismus nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung und der Koran entziehe dem Töten von Menschen die Legitimation.

Auch als sieben Jahre später feststand, dass die islamische Welt nicht viel von Obamas Idee hielt, einfach mal nett und tolerant zueinander zu sein, verteidigte der damalige Präsident noch im Herbst 2016 seinen Entschluss, nie von „islamistischem“ Terrorismus zu sprechen: Es gäbe keine religiöse Rechtfertigung für den IS und Al Kaida, weshalb er es vermeiden wolle, sie zusammen mit den friedlichen Muslimen in einen Topf zu werfen.

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Es ist daher nicht verwunderlich, sondern vielmehr eine feine Ironie, dass sich die vielen apologetischen Elemente aus Obamas Rede und Amtszeit ausgerechnet in der Ansprache wiederfanden, mit der der saudische König Salman gestern in Riad Donald Trump ankündigte. So erklärte der König, seines Zeichens einer der schlimmsten Verächter der Menschenrechte, dass seine Religion ihren Zweck durch Verbreitung von toleranten Werten basierend auf Frieden und Mäßigung erfülle. Obama hat den liberalen Kräften im Nahen Osten auf Jahre hinaus einen Bärendienst erwiesen, indem er die Rhetorik der autoritären und religiösen Unterdrücker salonfähig gemacht und gleichzeitig das Schreckgespenst der Islamophobie aufgebaut hat.

Präsident Trump sagte im Verlauf seiner Rede überraschend vieles, was auch ein Präsident Obama unterschrieben hätte: Jedes Mal, wenn ein Terrorist eine unschuldige Person ermorde und sich dabei fälschlicherweise auf Gott berufe, solle dies eine Beleidigung für alle gläubigen Menschen darstellen. Terroristen würden nicht Gott verehren, sondern den Tod. Die gegenwärtigen Konflikte seien weder das Resultat von einem Zusammenprall der Religionen, noch der Zivilisationen.

Trump wusste aber auch genau, wo er sich hörbar von Obama angrenzen musste, denn dessen vermeidende Wortwahl bezüglich der religiösen Komponente des Terrorismus hatte Trump im Wahlkampf scharf kritisiert. An seine Anhänger gerichtet hatte Trump daher bereits in seiner Amtseinführungsrede angekündigt, den „radikalen islamischen Terrorismus“ von der Erde zu tilgen, während er jetzt ebenfalls öffentlichkeitswirksam an die islamischen Staatschefs appellierte, „der Krise des islamischen Extremismus“ entgegenzutreten.

Damit ergab sich natürlich ein Widerspruch in Trumps eigener Argumentation – denn wenn auch islamische Terroristen den Tod statt den Gott des Islam verehren, welchen Sinn hat es dann noch, von explizit islamischem Terrorismus zu sprechen?
Dessen ungeachtet sprach Trump außerdem noch das aus, was während Obamas zweiter Amtszeit bereits die ungesagte Richtlinie der US-amerikanischen Außenpolitik im Nahen Osten geworden war: Dass die arabischen Staaten, wenn sie ihr Terrorismusproblem in den Griff kriegen wollen, den Großteil der Arbeit selbst zu leisten hätten.

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Trumps Appell an die islamische Welt klang einfach, markig und unmissverständlich: „Drive them out!“ – Jagt sie hinaus! Echt Trump. Aber auf den zweiten Blick ergibt sich eine Fülle an Fragen dahingehend, wie diese Aufforderung zu verstehen ist. Sollen Familien ihre Kinder hinausjagen, wenn letztere extremistischen Predigern verfallen sind? Sollen insbesondere die arabischen Staaten ein noch bedrohlicheres Netz der Überwachung und Bespitzelung über ihre Bürger spannen, um die Extremisten ausfindig zu machen? Hat nicht Mubarak in Ägypten jahrzehntelang versucht, die Muslimbruderschaft durch Einkerkerung von der Gesellschaft fernzuhalten und ist sie nicht trotzdem schneller gewachsen, als er sie einsperren konnte? Ist das nicht ein Freibrief für die saudi-arabische Praxis, Atheisten zu Terroristen zu erklären und gnadenlos zu verfolgen, während der Großmufti des Landes erst vergangenes Jahr die Iraner zu Ungläubigen und Feinden der Muslime erklärt hat? Mit den anscheinend eindeutigen Worten Trumps können also anscheinend sehr vielfältige Konsequenzen verbunden sein, von denen nicht wenige sehr kritisch zu bewerten wären.

Trumps Worte resonieren womöglich mit seinen Anhängern zuhause und sie sind besser als das meiste, was Obama zu dem Thema zu sagen hatte. Aber sie legen keinen Grundstein für ein vielversprechendes Handeln gegen den Extremismus. Der ehemalige britische Premierminister David Cameron hat dagegen bereits im Jahr 2015 als Konservativer demonstriert, dass allein schon aus der Anerkennung unbestreitbarer Tatsachen sinnvolle und logische Handlungsempfehlungen für die Politik abgeleitet werden können. In einer Rede vor der UN-Vollversammlung stimmte Cameron zunächst Barack Obama dahingehend zu, dass jede Religion ihre Extremisten habe. Er legte aber sogleich nach und wies darauf hin, dass das größte Problem der Gegenwart zweifellos vom islamistischen Extremismus ausgehe. Er machte außerdem die nüchterne Feststellung, dass es bereits zu spät sei, sich über Extremismusbekämpfung Gedanken zu machen, wenn ein Junge sich bereits die Bombe für ein Selbstmordattentat um den Leib binde. Der gewalttätige Extremist habe vielmehr bereits zahlreiche Vorstufen des gewaltlosen Extremisten durchlaufen.

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Zu diesen zählten laut Cameron so alltäglich gewordene Vorkommnisse wie die Ablehnung von Freundschaften zwischen Muslimen und Christen, das ständige Beschwören der muslimischen Opferrolle, sowie der Glaube an antisemitische Verschwörungstheorien, gefolgt von der schleichenden Relativierung und Rechtfertigung von Anschlägen gegen Israel. Folglich müsse dieser Prozess an seinem Anfang und nicht erst an seinem Ende gestoppt werden – indem der Extremismus nicht nur militärisch bekämpft und politisch isoliert wird, sondern auch, indem seine Weltsicht schon überall dort herausgefordert wird, wo sie Macht noch zu erlangen sucht.

Wahrscheinlich ist ein Saal voller islamischer Staatsoberhäupter nicht der einfachste Ort, um laut auszusprechen, dass die Korruption und Despotie der Anwesenden seit Jahrzehnten ihren Teil dazu beitragen, religiösen Fanatismus und Terrorismus zu stärken. Dies wäre sowohl gemäß diplomatischer Gepflogenheiten, als auch nach arabischen Gastsitten äußert heikel gewesen. Insofern hat Trump sich durchaus etwas getraut. Das, was er gesagt hat, legt jedoch eine Schlussfolgerung nahe, die einige erhofft und andere befürchtet hatten: Dass der amerikanische Präsident über keine durchdachte, auf festen Grundüberzeugungen beruhende Vorstellung vom Problem des islamischen Extremismus verfügt – und dass es sich mit vielen weiteren Problemfeldern, denen er sich bald widmen wird, genauso verhält.