Tichys Einblick
Ein Augenzeugenbericht

Tellkamp – Im Namen der Wahrheit

Tellkamp brauchte Mut, um sie auszusprechen. Obwohl der ja eigentlich nicht nötig wäre: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.

Screenprint: Youtube

Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht. Mit diesem Satz ist Uwe Tellkamp groß geworden. In dem Staat, in dem man schon verurteilt werden konnte, wenn man nur einen Witz erzählte. Zum Beispiel: Das Staatswappen der DDR wird ausgewechselt. Statt Hammer und Zirkel eine Ziege und ein Stuhl. Wer meckert, sitzt. Die besten Witze sind immer die, die stimmen, und der stimmte. Aber das war in einer Diktatur. In der ist das wichtigste Menschenrecht auf Erden immer das erste, was abgeschafft wird. Damit nicht ausgesprochen werden kann, was nicht ausgesprochen werden darf. Aber in einer Demokratie? Ist das Recht auf Meckern, also seine Meinung sagen, eine Selbstverständlichkeit. Ohne jede Angst vor dem, der eine andere hat. Sonst wäre sie ja schon die nächste Diktatur. Um das zu verhindern, steht im Grundgesetz:

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. So hätte Uwe Tellkamp eigentlich keine Bedenken haben müssen, als er am Donnerstag in den Kulturpalast von Dresden fuhr, um an einer Diskussion zum Thema Meinungsfreiheit teilzunehmen. Die sollte im Foyer des Hauses stattfinden. Aber das Interesse war so groß, dass das Orchester der Dresdner Philharmonie extra seine Probe halbierte und den Konzertsaal für die Veranstaltung freimachte. Thema: „Streitbar. Wie frei sind wir mit unseren Meinungen?“

Der Anlass dafür waren die Angriffe von „Linken“ auf „rechte“ Verlage bei der letzten Buchmesse in Frankfurt und die Angst, diese könnten sich auf der kommenden in Leipzig wiederholen. Dagegen hatten in Dresden bekannte und unbekannte Autoren die Charta2017 verfasst, in der das Recht auf freie Meinungsäußerung eingefordert wird. Moderiert wurde der Abend von der Chefreporterin der Sächsischen Zeitung, Karin Großmann.

Autoren-Auszug?
Erste Konsequenzen für Suhrkamp nach Tellkamp-Distanzierung
Tellkamps Gegenüber auf der Bühne war der Dichter und Lyriker Durs Grünbein. Wie er, ein Kind der DDR. Beide sind in Dresden groß geworden, und so ist der Kulturpalast auch eine Erinnerung an die Zeit, in der man sich jedes Wort genau überlegen musste. Das war auch am Donnerstag nicht anders. Allerdings nur, um vom Publikum auch verstanden zu werden. Den Anfang machte Durs Grünbein. Der heute in Berlin und Rom lebt und viel um die Welt reist. So war seine Einleitung auch eher eine mit dem Blick von außen.

Anders als Uwe Tellkamp. Der war von Anfang an mittendrin. In den Problemen, die Deutschland heute hat. Damit ihm niemand vorwerfen kann, dass er die nur erfinde, hatte er sich Tagelang auf das Gespräch vorbereitet. Oder Wochen? Oder Monate? Er sieht fast jede Talk-Show, liest fast jede Zeitung. Immer auf der Suche, nach den Sätzen und Meldungen. die zeigen, in welchem Zustand Deutschland heute ist. Politisch, wie medial. Als er dran war, nahm er dafür all seinen Mut zusammen. Um die Wahrheiten auszusprechen, für die man heute in Deutschland schon wieder welchen braucht. Obwohl sie weder zu übersehen noch zu überhören sind, in „dem Land, in dem wir gut und gerne leben. Dieses Land hat ein Problem mit dem Islam.“

So fängt er an. Und weiter: „Merkel Islam. GroKo Islam. Seehofer Islam.“, zitiert er einen Kommentar auf einer Internetseite. Das Wort fällt ja mittlerweile jeden Tag. Es vergeht derzeit kaum ein Tag, an dem wir nicht daran erinnert werden, dass der Islam jetzt zu Deutschland gehört. Koste es, was es wolle. Das hat in Deutschland auch die stark gemacht, die eben das nicht wollen. In einer Demokratie dürfte das eigentlich kein Grund zur Aufregung sein. Wenn Menschen dafür plädieren, einen anderen Weg zu gehen. Aber?

„In Sachsen hat die AfD 27 Prozent erreicht. Der hiesige CDU-Generalsekretär Kretschmer rief vor der Wahl dazu auf, lieber nicht zu wählen, als AfD zu wählen.“
Das hat mit Demokratie genau so wenig zu tun, wie das Beispiel: „Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sollte an der Goethe-Universität in Frankfurt über die Probleme im Polizeialltag der Zuwanderungsgesellschaft sprechen. Kritiker warfen ihm dafür Rassismus vor. Linke Krawallmacher und 60 Dozenten schafften es, seinen Auftritt zu verhindern. Aus Angst vor Protesten, sagte die Professorin die Veranstaltung ab.“

Dabei sind das Probleme, die noch unsere Nachfahren in Zeiten beschäftigen werden, die Uwe Tellkamp so beschreibt: „Vortrag des sächsischen Justizministers Sebastian Gemkow im Restaurant Trompeter: Es seien ca. 10.000 sogenannte Hauptsacheverfahren, die das Asylrecht betreffen, bei den Verwaltungsgerichten anhängig. Im Durchschnitt dauert die Bearbeitung eines Hauptsacheverfahrens 7,1 Monate. Die Abarbeitung aller Hauptsacheverfahren würde also bei derzeitigem Stand 71.000 Monate dauern. Durch 12 macht das 5.916 Jahre.“

Ein Raunen und Staunen geht durchs Publikum. Soweit hatten die meisten gar nicht gedacht. Nur, wie es dann in Deutschland, in ganz Europa sogar, zugehen könnte, davon haben auch sie eine erste Ahnung. Weil diese Zukunft schon Gegenwart ist: „Obwohl Bigamie in Deutschland und weiteren EU-Ländern verboten ist, wird im Sinne des Kindeswohls der Nachzug von Zweitfrauen hierlebender Zuwanderer erlaubt.“ Und wer keine Erlaubnis bekommt, kommt so: „An deutschen Grenzen werden pro Tag 500 bis 1.000 illegale Einreisen gezählt. Viele Grenzübergänge werden eben nicht kontrolliert.“

Weil unsere Grenzen weiterhin offen sind. Auch für die, die ganz andere Gründe haben, ins gelobte Deutschland zu kommen: „Die meisten fliehen nicht vor Krieg und Verfolgung. Sondern kommen her, um in die Sozialsysteme einzuwandern.“

Ohne jede rechtliche Grundlage: „Der Bundestag ist bis heute nicht gefragt wurden. Das Grundprinzip der Gewaltenteilung, der auch eine Kanzlerin Merkel unterliegt, ist bis heute verletzt. Weil Frau Merkel bis heute den Bundestag nicht darüber entscheiden ließ. Man weiß bis jetzt nicht, auf welcher Rechtsgrundlage Merkel eigentlich gehandelt hat“

Auch das hat mit Demokratie nichts zu tun. Aber? Medialen Protest gab es dagegen kaum. Im Gegenteil. Die Medien fuhren einen „Regierungskurs“, der Merkels Politik unterstützte: „Die Otto Brenner-Stiftung kommt nach der Studie von 30.000 Medien zu dem Schluss, dass über die Flüchtlingsfrage tendenziös berichtet wurde.“

Bittere Worte
Uwe Tellkamp im Original-Ton
Genauso, wie über die, die sie schon von Anfang an kritisieren: „Die werden dafür ständig in eine bestimmte Richtung gedrängt.“ Auch das ist leider wahr geworden in unserem Land. Weil Deutschland auf dem linken Auge immer noch stark seheingeschränkt ist. Während es auf dem rechten überproportional sieht. Obwohl die braunen Verbrechen in Deutschland länger her sind als die roten, wird jedes Mal wieder an sie erinnert, wenn es um das Deutschland von heute und das unserer Zukunft geht. Mit dem bekannten Ergebnis, dass jeder, der sich ohne jedes schlechte Gewissen als Deutscher sieht und fühlt, sofort ein „Nazi“ ist. Auch das hat mit Demokratie schon lange nichts mehr zu tun und auch daran erinnert Uwe Tellkamp in ihrem Namen: „Die Bürger wollen ja nichts weiter, außer Kritik äußern und sagen, hier läuft was schief.“

Also meckern. Wie es sich in einer Demokratie, die noch eine ist, gehört. Nur so bleibt sie ja am Leben. Aber: „In diesem Land wird immer noch mit zweierlei Maß gemessen. Beispiel: Gauland: ‚Wir werden sie jagen.‘ Johannes Kahrs, von der SPD, sagt das gleiche, aber niemand regt sich auf. Siegmar Gabriel: ‚Wir werden die Regierung rückstandsfrei entsorgen‘. Kein Aufschrei. Wo ist da kein zweierlei Maß?“
Auch auf den Buchmessen kann das jeder beobachten: „Über linksradikale Verlage regt sich niemand auf.“ So entsteht eine Stimmung in unserem Land, die immer hasserfüllter wird. Angetrieben von den wahren Antidemokraten. Die mit ihren medialen wie politischen Beschimpfungen von jedem, der anders denkt und redet als die veröffentlichte Meinung, weiter dafür sorgen: „Zum Beispiel Thilo Sarrazin. Wie ist mit diesem Mann umgegangen. Was hat der sich anhören müssen. Und das ist nicht fair. Denn zur Meinungsfreiheit gehört essenziell der Respekt vor der anderen Meinung.“ Zumal auch Sarrazin, wie die meisten anderen Kritiker unserer heutigen Verhältnisse, schon von Anfang an recht hatte. Das meiste davon ist längst eingetreten. Das haben mittlerweile sogar diejenigen gemerkt, die es solange nicht wahrhaben wollten. Weil es nicht in ihr Weltbild passte.

Immerhin gelobte die Frau von der Zeitung Besserung. Sogar für die ganze Zunft: „Ich möchte mal eine Lanze brechen für meine Kollegen. Wir Journalisten haben auch einen eigenen Kopf zum Denken. Ich denke, dass man Kommentare, die man vor einem Jahr geschrieben hat, inzwischen anderes sind, weil man selbst seine Auffassung mit der Wirklichkeit verändert.“

Das klingt vielversprechend, auch für Uwe Tellkamp: „Auch ich gestehe jedem Journalisten zu, sich zu ändern.“ Aber? „Sie können sich hier nicht einfach vom Angelhaken lassen und sagen, die Meinungen ändern sich und wir denken jetzt ganz anders. Da gibt es auch Ursache und Wirkung. Denn, dass sie anders denken hat auch mit Druck zu tun. Auch von der Straße. Mit dieser Ausrede sagen sie im Prinzip was geht mich mein Geschreibe von Gestern an? Ich bin heute ganz anderer Meinung.“

Wenn das wirklich so wäre, müssten sich die Journalisten eigentlich bei all denjenigen entschuldigen, die sie noch bis gestern „herabgewürdigt und beleidigt haben.“ Soweit geht die mediale Einsicht aber nicht. Stattdessen fragt sie Uwe Tellkamp nach dem „Kitt, der unsere Gesellschaft wieder zusammenbringen könnte.“

Eine Frage, die einfacher zu beantworten ist, als sie klingt: „Endlich alle Fakten ehrlich auf den Tisch bringen und dann sachlich eine Sachdebatte darüber führen.“
Um zu verhindern, was viele, nicht nur im Saal, sondern im ganzen Saal heute umtreibt: „Dass wir uns mit dem Islam eine Religion als Politik importieren, die mit unseren Werten speziell unserem Rechtssystem nicht viel am Hut hat. Aber wer das ausspricht bekommt Hass und Häme dafür und wird weiter in die rechte Ecke abgeschoben.“

Sogar mit Gewalt, wie das Auftreten der extremistischen Linken, bekannt als „Antifa“, nicht nur in Hamburg deutlich gezeigt hat: „Das sind alles Kriminelle. Stattdessen werden sie in den Medien als ‚Aktivisten‘ verharmlost.“ Auch das macht ihm Angst:
„Wenn man das weiter treibt, dann entstehen die Nazis erst, die wir vorher gar nicht hatten.“ Nach dem Motto: Wer Hass sät, wird Hass ernten. Auch das ist wahr.

Autorenverfolgung
Suhrkamp distanziert sich von Uwe Tellkamp
Und trotzdem braucht auch diese Wahrheit Mut, um sie auszusprechen. Obwohl der ja eigentlich nicht nötig wäre: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Ohne jede Angst vor dem, der eine andere hat. Das ist sein gutes Recht und dass hat er wahrgenommen. Wie schwierig ihm das fiel, konnte man schon den ganzen Abend an seiner Stimmlage erkennen. Einmal musste das alles raus. Das ist nun geschehen. Innerlich erschöpft sucht er den Weg zur Garderobe. Ansprechen kann ihn keiner mehr. 90 Minuten Wahrheiten sagen, braucht nicht nur Mut. Auch Kraft. Die hat er bewiesen. Nicht nur dem Publikum. Auch sich. Dann taucht er ab. Wohin, weiß keiner.

Erst am nächsten Morgen taucht er wieder auf. Nicht als Mensch, sondern als Schlagzeile: „Als Reaktion auf umstrittene Äußerungen des Schriftstellers Uwe Tellkamp hat sich der Suhrkamp-Verlag von seinem Autor distanziert. Tellkamp hatte am Donnerstag in Dresden bei einer Diskussion Positionen der AfD und der islam- und ausländerfeindlichen Pegida-Bewegung vertreten.“

Obwohl er weder im Namen von Pegida noch der AfD oder sonst einer Vereinigung oder Partei gesprochen hat. Höchstens im Namen Deutschlands. Und wie Recht er dabei hatte, zeigen die Reaktionen darauf. Statt dafür gelobt zu werden, wird auch er dafür gestraft. Auch wenn es nicht so weit kommt wie damals, als er schon mal Angst haben musste, seine Meinung öffentlich zu vertreten. Da hieß es noch: Wer meckert, sitzt. Heute heißt es: Wer meckert, fliegt. Rausgeworfen von den Antidemokraten in unserem Land, die unser Land wirklich gefährden.

Aber aufgeben will er nicht. Denn jeder Widerstand fängt mit Widerspruch an. Und je größer der wird, umso größer wird die Chance, dass die Wahrheit in Deutschland keinen Mutigen mehr braucht, um sie auszusprechen. Damit wir auch weiterhin ein Land sind, in dem wir „gut und gerne leben“. Schön wäre es ja.


Der Dresdner Journalist und Schriftsteller Torsten Preuß war bei dem Gespräch dabei. Das ist seine Version des Abends.