Tichys Einblick
Talbrücke Rahmede

Der nächste Brückengau in Deutschlands Autobahnnetz: Die Sauerlandlinie ist unterbrochen

Nach der Salzbachtalbrücke in Hessen musste nun die Autobahn-Talbrücke Rahmede für den Verkehr gesperrt werden: Damit ist die sogenannte Sauerlandlinie als wichtige Nord-Süd-Verbindung blockiert – mit fatalen Folgen für den ohnehin belasteten Verkehr im Kölner Raum.

A 45, Talbrücke Rahmede, 6.12.2021

Quelle: Autobahn Westfalen

Den Brückenexperten müssen die Knie geschlottert haben, als sie auf der Autobahn A 45 die Talbrücke Rahmede genauer inspiziert haben: Bei einem Laserscan des Brückenbauwerkes entdeckten sie starke Verformungen im Überbau und sprachen anschließend von einem sehr labilen Zustand. So labil, dass die Tragsicherheit nicht mehr garantiert werden könne. Sie ließen sofort die Brücke in beiden Fahrtrichtungen sperren.

Die Folgen für den Verkehr sind enorm. Denn damit ist die sogenannte Sauerlandlinie, eine der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen in Deutschland, blockiert. Der Verkehr wird derzeit durch das Stadtgebiet von Lüdenscheid umgeleitet: Auf den Abfahrten von der Autobahn A 45 stehen Pkw und Lkw in langen Staus. In der Folge kommt es auf einer Reihe von Autobahnen in Nordrhein-Westfalen zu chaotischen Verhältnissen. Alternative Routen gibt es im engeren Umkreis nicht, der Verkehr muss weiträumig umgeleitet werden.

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Diese Vollsperrung der A 45 wird sich vor allem im Kölner Raum verheerend auswirken. Dort ist bereits der Autobahnring stark belastet und muss den schweren Lkw-Verkehr ebenfalls baufälliger Rheinbrücken aufnehmen. Ein Teil des umgeleiteten Verkehrs weicht großräumig über A3 und A1 aus und verstopft zusätzlich den Kölner Ring. Abhilfe kommt so schnell nicht. So soll ein Neubau der Leverkusener Rheinbrücke voraussichtlich 2027 in Betrieb genommen werden können. Ebenso kann die Rheinbrücke Neuenkamp bei Duisburg kein Lkw mit mehr als 11,5 Tonnen Achslast befahren. Hier soll der Neubau 2026 fertig sein.

Als Meisterwerk der Brückenbaukunst wurde die Leverkusener Brücke gepriesen, als sie 1965 eröffnet wurde. Mittlerweile hat der Verkehr stark zugenommen, vor allem Lkw sind immer schwerer geworden, allein in Nordrhein-Westfalen müssen 300 Brücken ersetzt werden. Das ist seit Langem bekannt. Geschehen ist lange nichts.

Die Direktorin der Niederlassung Westfalen der bundeseigenen Autobahngesellschaft stellt angesichts des Desasters auf der A 45 schulterzuckend lapidar fest: „Das ist der Super-Gau.“ Probleme mit dieser Brücke, die in den 1960er Jahren gebaut wurde, habe es schon seit einigen Jahren gegeben. Doch sei man davon ausgegangen, dass die Brücke noch ein wenig länger halten würde, habe deshalb den Neubau anderer Brücken vorgezogen und den Verkehr auf der Brücke von Rahmede auf eine Fahrspur in jede Richtung beschränkt. „Aus heutiger Sicht war das nicht richtig“, meinte sie.

Unter der Brücke werden derzeit unter anderem mit Hilfe einer sogenannten Magnetpulverprüfung Schweißnähte auf Risse überprüft. Für das aufwändige Verfahren muss zunächst der Korrosionsschutz über der Schweißnaht entfernt werden. Dann wird eine weiße Grundierung aufgesprüht, um anschließend das schwarze Magnetpulver, das sich durch ein elektromagnetisches Feld an einem möglichen Riss sammeln würde, gut sehen zu können. Auch wird der Brückenscan fortgesetzt, um das Bauwerk auf weitere mögliche Verformungen zu untersuchen. Bis Mittwoch wollen die Ingenieure sagen können, wie stark die Brücke geschädigt ist. Ein Neubau dauert in der Regel acht bis zehn Jahre.

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Besonders haarsträubend ist die Verkehrssituation in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden. Dort musste die Salzbachtalbrücke der A 66 von Frankfurt nach Wiesbaden ebenso Hals über Kopf gesperrt werden. Schwarze und grüne Verkehrspolitik sah solange zu, bis erschrockene Bauarbeiter bemerkten, wie sich im Juni von der Autobahnbrücke Betonteile lösten, herunterfielen und sich die Fahrbahn absenkte. Die Brücke musste sofort gesperrt werden. Sogar ein auf der Brücke stehender Lkw durfte sich nicht mehr bewegen, so kritisch war die Situation.

Besonders peinlich: Unter der Brücke verlaufen die Gleise zum Wiesbadener Hauptbahnhof. Seitdem ist die Landeshauptstadt vom Eisenbahnverkehr abgehängt, kein Zug kann mehr in den Hauptbahnhof fahren. Immerhin wurde die Brücke vor vier Wochen gesprengt, nachdem Oberleitungen abgebaut und Gleise mit einem dicken Sandbett geschützt wurden. Der Schutt wird weggeräumt und Gleise und Oberleitungen sowie die Signaltechnik werden wiederhergestellt, sodass zumindest die Züge wieder vor Weihnachten in den Wiesbadener Hauptbahnhof fahren können. Der Brückenneubau selbst dauert.

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