Tichys Einblick
"Strukturelle Stärkung des Journalismus"

Wie man mit Millionen an Steuergeld genehme Meinungen fördert

Claudia Roth geht es in ihrer Förderpolitik um Gesinnungs- und Haltungsjournalismus, nicht um kritische Berichterstattung durch unabhängigen Journalismus. Klar: Denn die ist für Regierungen unangenehm, vor allem wenn man bei eigenen Zuständigkeiten so sehr versagt wie Roth im Antisemitismus-Skandal der Documenta.

IMAGO / Panama Pictures

Claudia Roth lässt derzeit selbstbewusst verkünden, dass die finanziellen Mittel, also Steuergelder, zur strukturellen Stärkung des Journalismus „wegen des hohen Bedarfs“ „kurzfristig erhöht“ wurden, um noch „stärker unterstützen zu können“. In der Presserklärung heißt es: „Die Bundesregierung unterstützt mit rund 2,3 Millionen Euro aus dem Etat für Kultur und Medien zehn Projekte zum Schutz und zur strukturellen Stärkung des Journalismus.“

Union und SPD
Auf dem Weg zur Staats-Presse
Wovor muss Journalismus geschützt werden? Vor der Wahrheit? Vor der Objektivität? Vor der Wirklichkeit? Wer Journalismus strukturell stärken will, will keine freien und kritischen Medien, sondern Gesinnungsapparate. Zumindest Staatsnähe oder Nähe zur grünen Partei, was inzwischen dasselbe ist. Weiter heißt es: „Die Projekte stärken unter anderem die Rechte von Journalistinnen und Journalisten oder die Vielfalt in der journalistischen Landschaft, zeigen die Bedeutung des Qualitätsjournalismus für den gesamtgesellschaftlichen Diskurs auf oder unterstützen Medienschaffende im Exil.“ ARD und ZDF, aber auch SPDGRÜNELINKECDUCSU und seit kurzem auch die FDP haben weder Kosten noch Mühen gescheut, um den Begriff „Qualitätsjournalismus“ zum Synonym für Agitation und Propaganda zu machen.

Der aktuelle Skandal in der ARD, der bei Lichte besehen keine Causa Schlesinger, sondern eine Causa öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist, die Framing-Skandale, die selektive Berichterstattung, die Umerziehungsorgien, der schnarrende Unterton in den Kommentaren, die Missachtung des Neutralitätsgebotes – das alles muss man inzwischen unter „Qualitätsjournalismus“ verstehen. Wirft man einen Blick auf die ausgewählten Projekte kann von Vielfalt keine Rede sein, aber ganz im Orwellschen Sinne wird eben aus Vielfalt Einfalt und aus Einfalt Vielfalt.

Claudia Roth geht es in ihrer Förderpolitik auch nicht um eine kritische Berichterstattung, sondern um Gesinnungs- oder Haltungsjournalismus. Das kann man verstehen, denn kritische Berichterstattung, also Journalismus, ist für Regierungen oft unangenehm, vor allem, wenn man in zentralen Bereichen des eigenen Zuständigkeitsbereiches so sehr versagt wie Roth im Antisemitismus-Skandal der Documenta. Eigentlich hätte sie zurücktreten müssen. Möglich, dass Roth den Antisemitismus in dem antisemitischen Wimmelbild des Künstlerkollektivs Taring Padi übersehen hatte, doch als sie von verschiedenen Seiten darauf aufmerksam gemacht wurde, schien sie den Antisemitismus nicht sehen zu wollen, denn tapfer verteidigte sie die Künstlerkollektivisten mit dem denkwürdigen Satz: „Die Herkunft aus einem bestimmten Land sollte nicht vorab zu Verdächtigungen führen, möglicherweise antisemitisch zu sein.“ Das hatte zwar niemand getan, aber Roth unterstellte das, um die Diskussion aufs Abstellgleis zu schieben, sie zu delegitimieren.

Philipp Peymann Engel von der Jüdischen Allgemeinen fragte zurecht: „Wie konnte es so weit kommen, dass die in Handlungen und Zielen antisemitische BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions) ihren Hass auf Israel und Juden bei der Documenta ungehindert verbreiten konnte?“, und erklärt: „Kuratiert wird die Documenta von dem indonesischen Kollektiv ruangrupa, dessen Mitglieder zum Teil offene Unterstützer des BDS sind oder sich nicht von der Boykottbewegung distanzieren mochten. Für ruangrupa-Mitglieder und einige von ihnen für die Ausstellung verpflichtete Künstler repräsentiert der jüdische Staat ein koloniales System »weißer Menschen«; Israel erfülle die Merkmale einer Apartheid, es praktiziere wie seinerzeit Südafrika die Trennung der einzelnen ethnischen Bevölkerungsgruppen, deshalb sei Israel allumfassend zu ächten.“

Nach Antisemitismus-Ausstellung:
„Jüdische Allgemeine“ fordert Rücktritt von Claudia Roth
Eine Antwort, weshalb Roth vor dem Skandal die Augen verschloss, findet sich vielleicht in einer Abstimmung im Mai 2019. Als der Deutsche Bundestag einen Antrag unter dem Titel „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“ verabschiedete, verweigerten Abgeordnete der Grünen, unter ihnen die heutige Familienministerin Lisa Paus und die heutige Kulturstaatsministerin Claudia Roth, dem Antrag die Zustimmung mit der Feststellung: Mit dem Antrag „werden weite Teile der palästinensischen Zivilbevölkerung, aber auch vereinzelte israelische Initiativen, die sich gewaltfrei für ein Ende der völkerrechtswidrigen Besetzung einsetzen und vor diesem Hintergrund BDS unterstützen, in die antisemitische Ecke gestellt“. Am aller Verwerflichsten stellte sich in den Augen der grünen Abgeordneten die Forderung dar, „keine Projekte mehr finanziell zu fördern, die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen. Damit drohen diverse entwicklungspolitische Projekte in Palästina, aber auch die Zusammenarbeit politischer Stiftungen mit zahlreichen Akteur*innen der israelischen und palästinensischen Zivilbevölkerung in Frage gestellt zu werden“. Die Gefahr konnte auch dank Claudia Roth gebannt werden, denn die Bundesregierung förderte mit Beträgen in Millionenhöhe eine Veranstaltung, auf der antisemitische Hetze ausgestellt werden konnte.

Der Skandal zum Skandal ist, dass Claudia Roth versucht hat, die Kritik zu ignorieren und die Kuratoren zu decken. Dafür nahm sie wieder im Orwellschen Sinne die Freiheit der Kunst in Anspruch: „Ich werde nicht als Kulturpolizistin den Daumen heben oder senken.“ Jedenfalls nicht im linken und linksliberalen Spektrum. Es führt also ein Weg von der Ablehnung des Antrages gegen eine Organisation, zu der Antisemitismus gehört, wie Roth, Paus und andere selbst einräumen, bis zur Ausstellung von antisemitischer Hetze im Stürmer-Stil auf der zuvor noch renommierten Documenta. Inzwischen bedauert Claudia Roth, dass sie sich nicht früher zu Wort gemeldet hat: „Mir ist bewusst, dass es nicht reicht, wenn ich sage: Ich konnte nicht mehr tun. Auch wenn es objektiv stimmt. Vielleicht hätte ich bei den Diskussionen im Vorfeld der Documenta-Eröffnung lauter und deutlicher sein sollen, sein müssen“, wie sie dem Stern gegenüber klagte.

In der Tat, mehr hätte sie anfangs wirklich nicht tun können, um die Kritik an dem antisemitischen Wimmelbild abzuwürgen. Erst als sie spürte, dass sie mit dieser Haltung in der Öffentlichkeit nicht durchkam, wechselte sie die Seiten, aber auch nur, wie sich jetzt herausstellt, damit sie mehr Einflussmöglichkeiten auf die Documenta erhält: „Es kann nicht sein, dass in diesem Kunstföderalismus manchmal gerne Fördermittel entgegengenommen werden, aber konkrete Mitsprache zurückgewiesen wird. Wenn ich für etwas tatsächlich verantwortlich bin, habe ich auch kein Problem damit, verkloppt zu werden, wenn etwas schiefläuft.“ Es liest sich wie ein Stück aus dem Tollhaus oder aus „1984“: Diejenige, die ihren Einfluss gelten machte, um den Skandal zu vertuschen, will nun noch mehr Einfluss nehmen. Das dürfte das Ende der Documenta als wichtige Kunstschau sein, das Ende von Vielfalt, Kunst und Qualität. Aus der Documenta wird eine Ideologiebude. Kulturschaffende wird man dort unter Roths Ägide antreffen, aber keine Künstler.

designierte „Antidiskriminierungsbeauftragte“
Autorin, Aktivistin, Spalterin: Wer ist Ferda Ataman? – Ein Portrait
Umso erfreulicher nun für Claudia Roth, wenn sie als Förderin des Journalismus an die Öffentlichkeit treten kann; problematisch wird es aber, wenn sich Jury und Auserwählte wie ein Happening guter Bekannter ausnimmt, die alles sein mögen, nur nicht Grünen- oder Claudia-Roth-kritisch. Wird hier versucht, mit Steuergeldern eine Struktur zu erhärten, die statt kritischem Journalismus aktivistischen Journalismus betreibt?

So saß die frühere Vorsitzende der NGO „Neue Deutsche Medienmacher“ Ferda Ataman in der Jury und – wen wundert es – natürlich werden die Neuen Deutschen Medienmacher gefördert mit ihrem Projekt: „Stark für Vielfalt. Nachhaltige Strukturen für Diversität im Journalismus schaffen“. Um Vielfalt geht es jedenfalls nicht, jedenfalls dann nicht mehr, wenn nicht mehr die journalistische Qualität entscheidend ist, sondern die Hautfarbe, wenn entscheidende Kriterien Herkunft, Ethnie, Sexualität und Geschlecht sind. So sagt die NGO Neue Deutsche Medienmacher über sich: „Wir setzen uns für gute Berichterstattung und für vielfältiges Medienpersonal ein: Vor und hinter den Kameras und Mikrofonen. An den Redaktionstischen. Und auch in den Planungsstäben, Führungsetagen und Aufsichtsgremien.“ Man will also Macht erlangen. Nicht um objektive Berichterstattung geht es, sondern um gute, gut im Sinne der „Antikartoffelbeauftragten“ Ferda Ataman.

Über sich sagt der Verein: „Wir verstehen uns als Interessenvertretung für Journalist:innen of Color und Medienschaffende mit Einwanderungsgeschichte.“ Von welcher Vorstellung, von welchem ideologischen Konstrukt diese „Interessen“ ausgehen, brachte die Autorin Fatma Aydemir in dem Sammelband „Deine Heimat ist mein Alptraum“ so auf den Punkt: „Dass eine weitere weiße deutsche Volontärin nicht unbedingt einen Mehrwert bietet. Und vielleicht ist das Wort Migrantenbonus auch gar nicht so falsch. Nur dass es kein Bonus ist, den wir erhalten, sondern einer, den wir vergeben: Vielleicht wissen aufmerksame Arbeitgeber_innen inzwischen einfach, dass sie von uns für das gleiche Geld mehr bekommen.“ Wieso? Weil sie nicht „weiß“ sind? Man könnte fragen, wieso die 1986 in Karlsruhe geborene Fatma Aydemir mehr wert ist als eine zur gleichen Zeit in Karlsruhe geborene junge Frau ohne Migrationshintergrund? Es geht hier auch nicht um Gerechtigkeit, sondern um Herrschaft und Gesellschaftsumbau.

Konkurrenz unerwünscht
Wie grüne Kandidatinnen auf Posten kommen – trotz Zweifeln an der Qualifikation
Die stellvertretende Vorsitzende der Jury ist Henriette Löwisch, die Leiterin der Deutschen Journalistenschule – und natürlich wird auch ein Projekt der Deutschen Journalistenschule gefördert, und natürlich kann es nur ein Projekt sein, das den Titel trägt: „Vertrauen durch Vielfalt“.

Mit Steuergeldern wird auch das Netzwerk Recherche bedacht, dessen Schatzmeister der Correctiv-Journalist Frederick Richter ist. Zweite Vorsitzende des Netzwerkes ist die Professorin für Datenjournalismus an der TU Dortmund Christina Elmer. Von der TU Dortmund kommt übrigens der Professor für Journalistik mit dem Schwerpunkt Medienökonomie Frank Lobigs, der in Roths Jury sitzt. Aber auch das Recherchekollektiv Correctiv geht nicht leer aus, zu deren Förderern Georges Soros Open Society und die Mercator Stiftung zählen, denn auch ein Projekt von Correctiv wird gefördert. Die üblichen Verdächtigen also, die sich immer einfinden, wenn es Steuergelder gibt. Bemerkenswert ist jedenfalls der Eifer, mit dem Correctiv in der Vergangenheit gegen falsche Zitate von Claudia Roth vorgegangen ist. Die Neue Zürcher Zeitung kommt zu der Feststellung: „Von den Auserkorenen ist bisher niemand durch kritische Distanz zu ihrer Partei aufgefallen.“

Gefördert wird auch „Journalismus macht Schule – Verein zur Förderung von Informations- und Nachrichtenkompetenz e.V.“ mit einem Projekt. Der Verein „will helfen, Erfahrungen und Unterrichtsmaterialien zu bündeln und Unterrichtsbesuche von JournalistInnen zu vermitteln“. Es dürfte kein Zweifel bestehen, an welche Journalisten da gedacht wird und an welche nicht. Weiter heißt es nämlich in der Selbstdarstellung: „Deshalb haben sich JournalistInnen der Süddeutschen Zeitung, der ZEIT, von ARD-Anstalten, des ZDF, von Correctiv, der Reporterfabrik, der Lie Detectors, des Netzwerks Recherche, von Journalistenschulen und Universitäten, mit Akteuren der Lehrerfortbildung und Medienpädagogen, Medienanstalten und Institutionen der politischen Bildung zusammengetan, um diese Aufgabe zu erfüllen.“ Auch hier wird ein Netzwerk deutlich: Correctiv, Netzwerk Recherche, die Öffentlich-Grünenfreundlichen.

Fake-News von Faktencheckern
Sieben Ohrfeigen für Correctiv
Vorsitzende der Jury ist übrigens Renate Schroeder (Direktorin der Europäischen Journalisten Föderation, einer Journalistengewerkschaft). Man geht wohl nicht fehl, wenn man die Jury dem linksliberalen Spektrum zurechnen darf – einseitig ist es auf alle Fälle.

Nachdem die Regierung des Niedergangs, gemeinhin Ampel genannt, ihre Verachtung für die Freiheit von Kunst und Kultur durch die Ernennung von Claudia Roth zur Kulturstaatsministerin dokumentiert hat, hatte ich unter der Überschrift „Cancel Culture oder Aufklärung“ geschrieben, dass die Frau, deren politisches Geschäftsmodell bislang auch darauf beruhte, kritischen Medien die Verbreitung von Hetze zu unterstellen, jetzt für Kultur und Medien zuständig sein (wird). Sie kann die im Koalitionsvertrag genannte Aufgabe, „für eine vielfältige Kultur und freie Medien“ zu sorgen, annehmen oder ablehnen … Sie hat es in der Hand, diese Fragen zu beantworten: Aufklärung oder Ideologie? Toleranz oder Cancel Culture als Culture cancel? Ernst Jünger und Marieluise Fleißer oder nur Marieluise Fleißer? Martin Heidegger und Judith Butler oder nur Judith Butler? Ernst Nolte und Jürgen Habermas oder nur Jürgen Habermas? Thilo Sarrazin und Naika Foroutan oder nur Naika Foroutan? Hic rhodus, hic salta, Claudia Roth!“

Claudia Roth hat sich nicht für die Aufklärung entschieden, nicht für Voltaire, der gesagt haben soll: Ich bin zwar nicht ihrer Meinung, aber ich will alles tun, damit sie ihre Meinung frei äußern können. Frau Roth fördert strukturell die Guten in ihrem Sinne.

Anzeige