Tichys Einblick
Spitzenglättung ist "Freiheitsglättung"

Wenn der grüne Staat den Bürgern den Stromverbrauch vorschreibt

Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass sogenannte Spitzenglättung dauerhaft nötig sein wird. Mit „dynamischer Steuerung“ will der Staat dem Bürger künftig vorschreiben, wie viel Energie er zum Heizen oder zum Fahren verbrauchen darf, indem der Strom nach Belieben gedrosselt oder abgeschaltet wird.

IMAGO / blickwinkel
Unbemerkt von der Öffentlichkeit ist das Problem der Spitzenglättung wieder in die Diskussion geraten, das streiflichtartig die Absurdität von Habecks All-Electric-Träumen offenbart. Unter Spitzenglättung versteht man die Zwangsabschaltung oder Reduktion von Stromverbrauchern, eine Leistungsverringerung, wenn die Überlastung des Stromnetzes droht. Dystopien kommen plötzlich in den Bereich nicht nur des Möglichen, sondern des Wahrscheinlichen.

Am 18. Januar 2021 schrieb ich über die Pläne von Habecks Vorgänger Peter Altmaier zur Spitzenglättung. Altmaier hatte einsehen müssen, dass die Netzkapazitäten für die steigende E-Mobilität und für die Förderung der Wärmepumpen nicht ausreichen wird. Deshalb wollte er das Energiewirtschaftsgesetz dahingehend ändern, dass der neue Paragraf 14 a der Energiewirtschaft bei drohender Überlastung des Netzes erlaubt, über Fernsteuerung Ladestationen für E-Autos und Wärmepumpen für zwei Stunden pro Tag vom Netz zu nehmen. Die Spitzenglättung soll die Kosten für den Netzausbau senken – und das, obwohl die Deutschen die höchsten Strompreise in der Welt zahlen. Über die Hälfte der Summe fließt in die Staatsquote, in Steuern, Abgaben und Umlagen.

Altmaier musste seine Pläne in der Schublade verschwinden lassen, doch die Probleme, auf die Altmaier reagieren wollte, waren damit mitnichten gelöst. Altmaiers Nachfolger Robert Habeck hat wieder einmal in der Disziplin, die er ausgezeichnet beherrscht, sich einen schlanken Fuß zu machen, brilliert, als er die Frage der Spitzenglättung, also der temporären Abschaltung von Ladestationen für E-Autos und Wärmepumpen, seinem Parteifreund Klaus Müller und der Bundesnetzagentur zugeschoben hatte.

Müller hat dann auch eine forsche, typisch für Grüne für alle teure Lösung gefunden. Nach seinem Willen sollen bei Gefahr, dass die Netze überlastet werden, Netzbetreiber die steuerbaren Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen und Ladestationen für E-Autos auf 3,7 Kilowatt herunterregeln dürfen. Wenn der E-Autobesitzer an der Landestation steht, wird sie zwar weiter die Batterie aufladen, aber es wird nun 3 Stunden dauern, um eine Reichweite für 50 km zu laden. So will man „Stromausfälle aufgrund von Betriebsmittelüberlastungen“ vermeiden.

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Als Kompensation für die eventuellen Drosselungen von Wärmepumpen, hat sich Klaus Müller gedacht, könnten die Wärmepumpenbesitzer einen geringeren Strompreis bekommen, einen Rabatt, so hat sich das Klaus Müller auch gedacht, den dann alle Stromkunden bezahlen. So ganz nebenbei hätte er alle Stromverbraucher zur Subvention der Wärmepumpen gezwungen. Die Regierung wünscht zwar innig, dass immer mehr Wärmepumpen zum Heizen der Häuser und Wohnungen zum Einsatz kommen, doch kann sie nicht die Stromversorgung sicherstellen, deshalb sollen für die Möglichkeit der Drosselungen die Wärmepumpenbesitzer einen Stromrabatt bekommen, den alle Stromkunden zu bezahlen haben. Das ist ein Musterbeispiel grüner Wirtschafts- und Wohlstandsvernichtung.

Auch den Besitzern von E-Autos wird man irgendwie entgegenkommen müssen, wie, weiß man zwar noch nicht, nur eins dürfte klar sein, dass auch das zum Nachteil aller und auf Kosten aller geschehen wird. Da die Grünen es nicht für alle gut machen können, müssen sie es für alle schlecht machen.

Vor dem Hintergrund, dass über Spitzenglättung nachgedacht werden muss, die alle zu finanzieren haben, klingt die Stellungnahme des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) dreist: „Wir wollen gemeinsam schnellstmöglich Wallboxen, Wärmepumpen und Speicher an das Stromnetz anschließen.“ Und weil man mehr anschließen möchte, obwohl die Versorgungssicherheit jetzt schon nicht gewährleistet ist, fordert der Verband: „Dazu gehören aufgrund der hohen Bezugsleistungen klare Regelungen, die eine Steuerbarkeit und damit einen sichereren und effizienten Netzbetrieb sicherstellen.“ Heißt: Wir wollen mit dem schnellstmöglichen Anschließen von Wallboxen, Wärmepumpen und Speicher an das Stromnetz schnellstmöglich viel Geld verdienen, die Folgen interessieren uns nicht, die müsst ihr klären. Lasst euch was einfallen.

Aufhorchen lässt jedoch folgendes Detail – und das ist gravierend. Da es für ein „dynamisches Steuern“ an der notwendigen Messtechnik fehlt, soll für eine Übergangsfrist noch bis 2029 statisch gesteuert werden. Das bedeutet, dass die Bundesnetzagentur nicht davon ausgeht, dass die Frage der Überlastung der Netze bis 2029 gelöst sein wird, sondern Spitzenglättung zum Teil unseres Lebens wird. Doch noch etwas Zweites, etwas viel Wichtigeres wird deutlich. Mit der dynamischen Steuerung kann der Staat dem Bürger vorschreiben, wie viel Strom der Bürger zum Heizen oder zum Fahren verbrauchen darf. Er kann dem Bürger den Strom abschalten oder drosseln, je nach Belieben. Er besitzt dank der unauffälligen Spitzenglättung die dynamische Steuerung zur Steuerung der Bürger.

So, wie die Grünen den Bürgern vorschreiben wollen, wie sie zu reden, was sie zu denken, wie sie zu träumen, was sie zu essen und was sie zu trinken, wie und wen sie zu lieben und zu hassen haben, so wollen sie den Bürgern auch vorschreiben, wie weit sie am Tag fahren und wie warm ihre Wohnung sein darf. An dem kleinen Detail der dynamischen Steuerung des Stroms zeigt sich der Diktaturwillen der Grünen. Die All-Electric-Utopie bedeutet All-Electric-Diktatur. Spitzenglättung ist in Wahrheit Freiheitsglättung, die Glättung der Individualität.