Tichys Einblick
Wohlstand und Demokratie waren gestern

Sassoli und die Herrschaft der Brüsseler Bürokratie

Wolfgang Schäuble hat Recht, die Corona-Pandemie eignet sich hervorragend, alles durchzusetzen, was man so möchte, die Bürger sind beschäftigt mit der Angst, die Bundesregierung und Medien schüren, und mit den wirtschaftlichen und sozialen Folgen, die Merkels Lockdown Politik verursacht.

Angela Merkel beim EU-Gipfel in Brüssel

imago images / Xinhua

Wolfgang Schäuble brachte den Umgang der Regierung mit der Corona-Pandemie auf den Punkt: „Die Corona-Krise ist eine große Chance. Der Widerstand gegen Veränderung wird in der Krise geringer. Wir können die Wirtschafts- und Finanzunion, die wir politisch bisher nicht zustande gebracht haben, jetzt hinbekommen..“ Man kann die Grundgesetzverletzung, die Einschränkung der Freiheits- und Bürgerrechte durch die sogenannte Änderung im Infektionsschutzgesetz auch in diesem Zusammenhang lesen. 

Was Wolfgang Schäuble konkret gemeint hat, erläutert indes der EU- Parlamentspräsident David Sassoli im Interview mit der WELT. Wenn der Italiener den italienischen EU-Währungskommissar Paolo Gentiloni dafür lobt, dass der zum Nachteile Deutschlands italienische Interessen unter einer deutschen Kommissionspräsidentin, die Deutschland bereits ausgezeichnet als Verteidigungsministerin gedient hat, durchboxt, stellt nur ein zusätzliches Argument für die Abschaffung des Euros dar. Der Euro wird immer mehr zum Instrument der Ausplünderung Deutschlands. 

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Gentiloni hat unter Verweis auf die Krise verhindert, dass der Stabilitätspakt, also die Haushaltsregeln der EU wieder in Kraft treten. Italien hatte ohnehin Gelder aus dem ESM abgelehnt, weil die an Bedingungen geknüpft waren. Stattdessen wurden die Corona-Bonds durchgesetzt, die eine bedingungsfreie Versorgung Italiens durch Gelder, die zu einem großen Teil aus Deutschland kommen oder über Schulden generiert werden, für die Deutschland zu einem hohen Anteil mithaftet, ermöglicht. Die Corona-Bonds oder wie sie euphemistisch heißen Corona-Wiederaufbaubonds haben ein Volumen von 750 Milliarden Euro. Vierhundert Milliarden Euro an Zuschüssen, die in der Hauptsache an die Südländer gehen, müssen nicht zurückgezahlt werden. Stellen Sie sich vor, Ihr Nachbar nimmt Schulden auf, um sich ein paar Wünsche zu erfüllen, für die sie haften und die sie letztlich für ihren Nachbarn zu begleichen haben. Der neue Fernseher, den Sie sich nicht leisten können, den Sie aber abbezahlen, steht in seinem Wohnzimmer.

Natürlich wollen Sassoli und Gentiloni zu den Haushaltsregeln des ESM nie wieder zurückehren. Die sogenannten Wiederaufbau-Bonds sollen im Grunde den ESM ersetzen, Wiederaufbau ist schließlich immer, und, wie bereits die EZB-Präsidentin Christine Lagarde vorgeschlagen hat, sollen diese Bonds deshalb zu einer dauerhaften Einrichtung gemacht werden. Man wird den ESM nicht abschaffen, sondern einfach veröden lassen. 

Die EU-Administration ist inzwischen mit ihren Plänen soweit vorangekommen, dass Sassoli klar und deutlich sagen kann, was demnächst dank Corona durchgesetzt wird – natürlich über den Willen der Bürger der Mitgliedsländer hinweg, die nicht gefragt werden: „Wir müssen dauerhaft gemeinsame Anleihen einführen und ein europäisches Finanzministerium aufbauen. Die Ausgabe der Anleihen im Rahmen des EU-Kurzarbeitsprogramms SURE waren ein großer Erfolg und auch beim Corona-Wiederaufbaufonds wird das so sein.“ Es lohnt, einen genauen Blick darauf zu werfen, worin der Erfolg für wen im EU-Kurzarbeitsprogramm SURE besteht. 

Anders als in anderen europäischen Staaten wurde in Deutschland das Kurzarbeitergeld und zwar am 1. Januar 1957 durch Artikel II  des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 23. Dezember 1956 eingeführt. Der § 130 legt fest: „Kurzarbeitergeld wird aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung in den Betrieben den Arbeitnehmern gewährt, die in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung stehen.“

Das deutsche Kurzarbeitergeld wird also weder aus dem EU-Haushalt, noch aus EU-Krediten, noch aus dem deutschen Steueraufkommen bestritten, sondern ist Teil der Arbeitslosenversicherung, in die deutsche Arbeitnehmer und deutsche Arbeitgeber einzahlen und gehört zu den umfangreichen Sozialabgaben. Obwohl also die deutschen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für das Kurzarbeitergeld zahlen, sollen sie nun auch für die Einführung eines europäischen Kurzarbeitergeldes, für das auf den Finanzmarkt bis zu 100 Milliarden Euro aufgenommen werden dürfen, ein Viertel der Garantielasten von  25 Milliarden Euro, also 6 383 882 000 Euro bereitstellen.

Über die Rückzahlung der Kredite denken die EU-Kommission und David Sassoli naturgemäß nicht nach, denn die Nordstaaten, allen voran Deutschland werden schon zahlen. Wie sagte doch Sassoli treffend und ehrlich: „Bei der Reform des Stabilitätspakts müssen wir uns auf die mittelfristige Entwicklung der Defizite und der Staatsausgaben unter Krisenbedingungen konzentrieren, und nicht nur obsessiv auf die Schulden selbst blicken.“ Eben, was interessieren uns Schulden, für die Deutschland gerade stehen wird? 

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Durch das vom Bundestag beschlossene SURE-Gewährleistungsgesetz, das von deutscher Seite den Weg freimacht für das EU-Kurzarbeitsprogramm SURE wird ein europäisches Kurzarbeitergeld nicht versicherungs-, sondern kreditbasiert eingeführt, Kredite, die in der Hauptsache von denen abgesichert werden, die ohnehin schon unter zu hohen Steuern und Sozialabgaben leiden und denen durch die Nullzinspolitik zur Staatsfinanzierung durch die Hintertür die Sparguthaben entwertet und die Versicherungsquoten nach oben getrieben werden.

Wenn sich die im Durchschnitt reicheren Italiener einen armen Staat leisten, so ist das völlig legitim und ihr gutes Recht, nur ist es nicht legitim, dass dann die armen Deutschen, die sich einen reichen Staat leisten, den italienischen Staat auch noch zu finanzieren haben. Um es auf den Punkt zu bringen, der Erfolg, den Sassoli im EU-Kurzarbeitsprogramm SURE sieht, besteht darin, dass der deutsche Steuerzahler immer stärker den italienischen Staat und die im Süden engagierten französischen Banken finanziert.

Dass man dieses Arrangement aus der Sicht der Südländer nicht aufgeben, sondern weiter vorantreiben will, ist aus deren Perspektive verständlich. Europäisch ist nach dieser Lesart, was die Südländer finanziert und französischen Banken Profit bringt. Im Übrigen müssen die Staaten, die großzügig mit Darlehen versorgt werden, das Geld nicht einmal für Kurzarbeit ausgeben, sie können es auch benutzen für „vergleichbare Maßnahmen sowie unterstützende Maßnahmen im Gesundheitsbereich insbesondere zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.“ Also für alles.

Um in Deutschland die gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, die einen ersten Schritt zur Öffnung der deutschen Arbeitslosenversicherung für die Brüsseler Bürokratie darstellt, wurde das SURE-Gewährleistungsgesetz ähnlich verschwommen und in gleicher Schnelligkeit durch den Bundestag gepeitscht wie die Änderungen zum Infektionsschutzgesetz. Es mag einem gefallen oder auch nicht, aber Wolfgang Schäuble hat Recht, die Corona-Pandemie eignet sich hervorragend dazu, alles das durchzusetzen, was man so möchte, die Bürger sind ohnehin beschäftigt mit der Angst, die Bundesregierung und Medien schüren, und mit den wirtschaftlichen und sozialen Folgen, die Merkels Lockdown Politik verursacht.

David Sassoli sagt klar im Interview, dass er das, was bis jetzt als Recht und Gesetz galt, verändern will, zuallererst das Prinzip der Einstimmigkeit als letzte Vetomöglichkeit der europäischen Nationen. Schließlich geht es darum, „die Regierungsführung in Europa zu verändern“. Die nicht gewählte EU-Administration in Brüssel wünscht sich ein eigenes Finanzministerium und will eigene, also zusätzliche Steuern in Europa erheben. Nimmt man den Vorschlag aus der SPD ernst, dann bleibt es nicht dabei und die EU-Administration bekommt auch ein eigenes Verteidigungsministerium mit sukzessive einer Armee, die Brüssel unterstellt ist. Da es keine Wehrpflichtigenarmee sein wird, darf man sich auf eine Söldnertruppe einstellen. Die Veränderung „der Regierungsführung“ muss schließlich abgesichert werden. Sassoli strebt die weitere „Übertragung von Kompetenzen und Befugnissen von den Nationalstaaten auf die Europäische Union“ an. 

Demokratisch ist das alles nicht, die Veränderung der Regierungsführung findet quasi durch die Hintertür statt, wie Sassoli nicht einmal mehr verbergen muss: „Die in den letzten Monaten lancierten Maßnahmen dürfen nicht nur vorübergehend sein.“ „Lancierte Maßnahmen“ – das ist die Sprache der Intrigen, nicht die der Demokratie. 

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Auf die Frage der WELT, ob die Regierungen im Norden diese Vorschläge akzeptieren werden, zeigte sich der EU-Parlamentspräsident sicher: „Der Erfolg des Wiederaufbaufonds wird sie dazu bringen, ihre Meinung zu ändern.“ Worin der Erfolg besteht, sieht man bereits beim EU-Kurzarbeitsprogramm SURE. Allerdings kann Sassoli für seine Einschätzung von guten Gründen ausgehen:

Erstens darf er auf die Unterstützung einer Bundeskanzlerin zählen, für die deutsche Interessen ein Fremdwort ist, zweitens unterstützt Frankreich diese Transformation, drittens sind ein großer Teil deutscher Pensionsgelder in Südeuropa angelegt und viertens dienen alle diese Maßnahmen der Finanzierung der Südländer, die auch ohne Corona geschehen müsste, will man nicht den Euro gefährden und damit 1.115,2 Milliarden Euro, die die Bundesbank im „grenzüberschreitende Forderungen gegenüber den anderen am Target2-System teilnehmenden Zentralbanken“ im September 2020 hatte, in den Rauch schreiben. Die von der Bundesregierung ermöglichte Schuldenpolitik hat Deutschland ein wachsendes Problem beschert und engt die deutsche Handlungsfähigkeit immer stärker ein. 

Nun geht jeder Krug solange zu Wasser, bis er bricht. Für Deutschland bedeutet das, dass die Deutschen sich vom Wohlstand verabschieden dürfen. 

Schon einmal in der Geschichte gab Deutschland den Zahlknecht ab. Das führte zur Reformation, eine neue Reformation ist nötig, die in einer Demokratisierung bestehen muss, in der Rückübertragung vom Kompetenzen auf die nationalen Parlamente und Regierungen. Man nennt es im übrigen Subsidiarität, ein Prinzip, das in Sonntagsreden hochgehalten wird, aber längst Brüssels Machthunger zum Opfer fiel.

Lancierte Maßnahmen sind im Interesse der Hinterzimmer, nicht im Interesse der demokratischen Hallen, im Interesse von Bürokraten, nicht im Interesse der Bürger. Letztlich auch nicht im Interesse der Südländer. 

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