Tichys Einblick
Interview

Rainer Wendt: „Die Berliner Polizei diskriminiert nicht“

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Rainer Wendt hält das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz für unnötig und den Regelungsbedarf für "ausgedacht". Der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken wirft er eine Nähe zur kriminellen Antifa vor.

imago images / Christian Ditsch

TE: Nach Ansicht mancher Kritiker stellt das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) Polizeibeamte unter einen Generalverdacht, da die Unschuldsvermutung für Berliner Staatsbedienstete faktisch abgeschafft werde. Was denken Sie über dieses Gesetz?

Rainer Wendt: Die Diskussion um dieses Gesetz begann mit einer handfesten Diskriminierung, als nämlich der Berliner Innensenator Andres Geisel von der SPD ausschließlich mit seiner Lieblingsgewerkschaft aus dem DGB über das Vorhaben gesprochen hatte. Damit stand für mich fest: Diskriminierung kann er.

Die von SPD, Grünen und der Linke behauptete Regelungslücke existiert nicht, im Gegenteil. Rund 2.000 Beschwerdevorgänge hat die Polizei Berlin im Jahr, bei vielen Millionen unbeanstandeten Amtshandlungen der rund 25.000 Beschäftigten. Nur ein kleiner Bruchteil der Beschwerden richteten sich gegen angebliche Diskriminierung, lediglich drei haben sich im Jahr 2017 bestätigt. Mit anderen Worten: Den Regelungsbedarf haben sich die Initiatoren des Gesetzes lediglich ausgedacht, teilweise mit absurden Beispielen jenseits der Lebenswirklichkeit. In Wahrheit ist er nicht vorhanden, die Berliner Polizei diskriminiert nicht. Pikanterweise sagt dies auch der Innensenator selbst, trotzdem unterschreibt er ein solches Gesetz. Andreas Geisel ist eine Geisel der rotrotgrünen Koalition.

Der im Berliner Abgeordnetenhaus vortragende Linke, Carsten Schatz, kritisierte, dass Sie am Tag der Gesetzesdebatte „vor dem Haus“ ein Interview gegeben haben und gegen das LADG der „schlechteste Zeuge“ wären. Möchten Sie sich dazu äußern? 

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Ich weiß ja, dass die meisten Linken eigentlich nur linientreuen Genossen erlauben möchten, Interviews zu geben, dieses Defizit an Demokratie gehört zu ihrer Ideologie. Diese Zeiten sind in Deutschlands Hauptstadt glücklicherweise vorbei und ich werde alles dafür tun, dass sie nie wiederkommen. Den Abgeordneten Schatz kenne ich nicht, ich weiß auch nicht, was ihn dazu bringt, mich persönlich so anzugehen. In der Sache hat er vermutlich nicht viel mitzuteilen. Durch wirklich konstruktive Beiträge ist er zumindest mir bislang nicht aufgefallen. Ich teile seine Meinung nicht, aber ich bin dafür, dass er sie sagen darf. Und ich werde mich immer dafür einsetzen, dass das so bleibt. 

Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, Burkard Dregger, sagte über das LADG: „Wer konsequent ist, bekommt Ärger, wer wegschaut, wird befördert.“ Er spricht von einem Beamtendiskriminierungsgesetz. Welche Empfehlungen haben Sie für Beamte, die in Berlin oftmals unter sehr schweren Umständen ihren Dienst verrichten müssen? 

Die Berliner Polizistinnen und Polizisten sind als Hauptstadtpolizei große Klasse. Die ganze Welt schaut immer wieder darauf, mit welcher lässigen Professionalität sie die hauptstadtbedingen Aufgaben erledigen. Ohne großes Aufsehen werden internationale Staatsgäste in Berlin empfangen, riesige Demonstrationen und viele andere Veranstaltungen abgearbeitet. Die Polizei kennt die Politik und stellt sich darauf ein. Sie werden sich vor Diffamierung zu schützen wissen. Und notfalls erhalten sie Rechtsschutz durch ihre Deutsche Polizeigewerkschaft. Die Kolleginnen und Kollegen spüren sehr genau, dass sie nicht den Rückhalt der Landesregierung haben und werden klug genug sein, sich darauf einzustellen. Es kommen auch wieder bessere Zeiten. Ich komme ja aus Nordrhein-Westfalen und kenne rheinische Fröhlichkeit, die Berliner Pfiffigkeit ist mir lieber.

Gestern gab es deutschlandweit Demonstrationen gegen „Rassismus“ und „Polizeigewalt“. Sie haben sich mitten unter die Demonstranten einschließlich „Antifa“ begeben, als einer der wenigen trugen Sie dabei eine Maske. Welchen Eindruck haben Sie von den Demonstrationen mitgenommen?

Ich habe das Geschehen am Alexanderplatz aus nächster Nähe betrachtet und mich sehr darüber gewundert, als den Teilnehmenden von offizieller Seite dafür gedankt wurde, dass sie sich weitgehend an die Abstandsregeln gehalten hätten. Das war schon peinlich, denn jeder Mensch konnte sehen, dass das Gegenteil der Fall war, das hat ja später auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn festgestellt. Wie in anderen Städten auch wurden die Regelungen tausendfach missachtet, aber im Vollbesitz höherer Moral werden bei uns ja immer wieder Gesetze ignoriert. Das ist für den Rechtsstaat alles andere als gut, wenn eine selbst definierte Haltung über dem Gesetz zu stehen scheint.

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Vielen Teilnehmern konnte man abnehmen, dass sie ausschließlich ihre Meinung zum Thema Rassismus ausdrücken und ihrer Empörung über die Ereignisse in den USA Ausdruck verleihen wollten. Anderen reichte das nicht, da war der Hass auf alles, was unsere staatliche Ordnung ausmacht, deutlich spürbar. Dass die Polizei als Blitzableiter herhalten muss, kennen wir aus vielen anderen Auseinandersetzungen. Dass es zu einem späteren Zeitpunkt zu Gewalt kam, hat mich nicht gewundert. 

In der Nacht zum Samstag zogen marodierende Linksextreme mit Antifascista-Rufen durch Berlin-Neukölln, griffen das Jobcenter an, zerstörten Geschäfte sowie Fahrzeuge von Familien. Der Berliner Bezirksstadtrat Falko Liecke (Anm.: dessen FB-Eintrag vom Sa. 08:32 Uhr) kritisiert, dass diesen Extremisten von Grünen, SPD und Linke in Neukölln der Weg in die Mitte der Gesellschaft frei gemacht wird. Werden wir zunehmend auf dem linken Auge blind?

Es entspricht durchaus dem Zeitgeist, linke Gewalt als nahezu legitim zu betrachten, weil sie mit der angeblichen Zielrichtung daherkommt, Rechtsextremismus zu bekämpfen. Ich halte das für einen großen Fehler, denn der Rechtsstaat hat genügend friedliche Instrumente, um unsere Verfassung und unsere Gesellschaftsordnung zu schützen. 

Dass linke Extremisten sich ermuntert fühlen, wundert mich nicht. Während die SPD seit Jahren kein Problem damit hat, mit ihnen parlamentarisch zusammenzuarbeiten, gibt es auch in der Union immer mehr linke Lockerungsübungen, entgegen der Beschlusslage auf Parteitagen. Die Richterwahl in Mecklenburg-Vorpommern ist nur das jüngste Beispiel dafür. Der Neuköllner Bezirksstadtrat Falko Liecke ist ein aufrechter Demokrat, dem das nie passieren würde, aber er muss es vor Ort ausbaden. 

Saskia Esken, die SPD-Vorsitzende, hat jetzt der Polizei latenten Rassismus unterstellt und gefordert, dass dies durch unabhängige Stellen untersucht werden müsse. Teilen Sie ihre Auffassung? 

Das war schon eine unglaubliche Entgleisung und ich warte immer noch auf eine Entschuldigung von Frau Esken. Aber das wird wohl vergeblich sein, sie hat ihre Nähe zur kriminellen Antifa ja schon mehr als deutlich gemacht. Die Polizei in Deutschland ist seit etlichen Jahrzehnten eine demokratische, rechtsstaatliche Bürgerpolizei, die großes Vertrauen in der Bevölkerung genießt. Ausgerechnet in einer Situation, in der meine Kolleginnen und Kollegen seit Monaten harte Arbeit verrichten, um die Auswirkungen der Corona-Krise zu bewältigen und dafür zu sorgen, dass die Grundrechte nicht unter die Räder kommen, fällt eine führende Repräsentantin der SPD den Kräften auf eine solche miese Weise in den Rücken, nur um den Hype aus den USA für sich zu nutzen, ein billiges Schauspiel. Und der Rest der Parteiführung schweigt einfach dazu. 

Unsere Polizistinnen und Polizisten haben einen Eid auf unser Grundgesetz geleistet und fühlen sich der Menschenwürde als zentralem Element unserer Verfassung in besonderer Weise verpflichtet. Wo gegen dieses Wertegefüge verstoßen wird, werden Konsequenzen gezogen, das passiert in Einzelfällen leider gelegentlich. Aber zur Aufdeckung und Ahndung von Verstößen verfügt die Polizei über ein breites Instrumentarium, die Selbstreinigungskräfte funktionieren. Was die Polizei definitiv nicht braucht, ist eine von Frau Esken installierte linke Gesinnungspolizei.

Danke für das Gespräch.

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