Tichys Einblick
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„Dosvedanja Angela!“ Putin hat Merkel eiskalt abserviert

Putin verweist Merkel mit ihrer Bitte um Moskaus Hilfe beim Migranten-Grenz-Drama an Lukaschenko. Eine Demütigung der „Freundin“ von Gestern vor aller Welt und ein Vorgeschmack auf kommende Zeiten.

IMAGO / IPON
Nur selten verlässt sich Angela Merkel nicht auf ihren Instinkt. Diesmal aber scheint sie glatt daneben gelegen zu haben. Eiskalt ließ der russische Diktator Vladimir Putin sie abblitzen. Der Mann, mit dem sie nach eigenem Bekunden in ihrer Amtszeit so oft telefoniert habe wie mit kaum einem anderen Staatschef, verwies sie mit ihrer Bitte, die empörenden Zustände an der Grenze zwischen Weißrussland und Polen zu beenden, an seinen Statthalter Lukaschenko in Minsk. Als ob dieser auch nur einen Moment etwas tun würde, was nicht vorher von Moskau abgenickt wurde. Größer kann eine Demütigung nicht sein. Die sich so oft ihrer guten Kontakte in den Kreml rühmende Kanzlerin steht plötzlich vor aller Welt als erniedrigt und blamiert dar.

Dabei ist die Sache doch ganz einfach: Merkel ist halt einfach schon lange nicht mehr wichtig. Putins Hauptanliegen, das Projekt „Nord Stream 2“ zu realisieren, hat die scheidende bekennende Russlandfreundin durchgesetzt. Dafür nahm sie sogar tiefgreifende und weiterwirkende Irritationen mit dem, für Deutschlands Sicherheit wichtigstem, zugleich die meisten Deutschen Exporte beziehenden Partner, die USA, in Kauf. Mehr noch – und das vergessen viele – stieß und stößt auch innerhalb der Europäischen Union die von Deutschland beförderte, immer größere Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen, auf Kritik und Befremden. Nicht zu vergessen ist dabei, dass vor der Inbetriebnahme dieser, die Ukraine aussparenden Trasse, die letztlich notwendigen Genehmigungen der EU-Gremien immer noch nicht vorliegen. Putin deutete dieser Tage durch das Herunterfahren seiner Lieferungen schon mal an, woauf sich bei weiteren Verzögerungen insbesondere Deutschland einstellen muss. Doch auch damit hat Angela Merkel schon in wenigen Wochen gar nichts mehr zu tun.

Auch ansonsten dürfte der Mann im Kreml nicht besonders gut auf die Merkel der späten Tage zu sprechen sein. Grund: Sie hat sich einfach bei der Ordnung ihrer Nachfolge verzockt. Ihre Macht-Aura reichte einfach nicht mehr aus, um die Merkel-Kopie Laschet beim Wahlvolk durchzusetzen. Jetzt könnte es sogar dazu kommen, dass Merkels größter Alptraum, die Rückkehr ihres Erzfeindes Friedrich Merz an die Spitze der CDU, grausame Wirklichkeit wird. Weder von Merz, noch von Norbert Röttgen, die beide überzeugte Atlantiker und Europäer sind, kann sie eine auch nur dem Anschein nach neutrale Rolle im immer deutlicherem Konflikt zwischen Peking und Moskau einerseits, mit der immer noch wirtschaftlich und militärisch größten Macht der Welt, den USA erwarten.

Erstmalig wurde jetzt in einem offiziellem Dokument der Europäische Union zur Verteidigungspolitik, verfasst vom Außenbeauftragten der EU, Josep Borrell, der den Konflikt mit China und Russland als eine Auseinandersetzung um Werte und gesellschaftliche Ordnungsvorstellung definiert, schon im Dezember könnte der Europäische Rat bestehend aus den Regierungschefs diese neue Strategie absegnen. Die Schlussfolgerung daraus dürften gerade in Deutschland zu heftigen Kontroversen führen, zumal der Wert der Freiheit in Abgrenzung zur Unfreiheit seit dem Zusammenbruch des Sowjetimperium vor dreißig Jahren kaum noch vermittelt wird.

So wichtig die Debatten um die Klimaveränderung und die Entwicklung der Corona-Pandemie auch sein mögen, sie könnten bald von wesentlich raueren Stürmen überdeckt werden.

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