Tichys Einblick
Brandenburg

Polizeipfarrer: Das gute Gewissen geht

Bei seiner offiziellen Verabschiedung an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg erhoben sich spontan alle Zuschauer von den Plätzen. Die Möglichkeit einer kurzen Rede erhielt der Polizeipfarrer nicht. Hatte man kritische Worte befürchtet?

Symbolfoto

© Getty Images

Pfarrer Sven Täuber war in der Polizei des Landes Brandenburg 13 Jahre in Amt und Würden. Letzteres kann man nach den mir bekannten Veröffentlichungen von den Verantwortlichen der Landespolizei nicht unumwunden und schon gar nicht in jedem Fall behaupten. Skandale, Pleiten, Pech und Pannen begleiteten Polizeipfarrer Täuber auf seinem langen Weg in allen Brandenburger Hierarchieebenen. So erlebte ich ihn einmal bei einem „Gesundheitsseminar“ der Gewerkschaft der Polizei, als er gegenüber dem anwesenden Innenminister Ralf Holzschuher (SPD) anfing, ungeschönt den Ist-Zustand der Landespolizei zu beschreiben. Nicht nur verstellbare Schreibtische und orthopädische Stühle, um den hohen Krankenstand zu senken, benötigen die Kollegen, sondern eine Polizeiführung, die ein aktives Gesundheitsmanagement betreibt und keine ständig neuen wohlfeilen Papierlagen schafft, die seines Erachtens lediglich eine Alibifunktion besitzen. Der Krankenstand liegt „traditionell“ auf über zehn Prozent des Personalbestandes. Zumindest in den Brandenburger Ministerien macht man sich ernsthafte Gedanken um die Gesundheit des Überbaus. Für die dortigen Herrschaften sollen teure Luxussessel angeschafft werden. Kosten für den Steuerzahler pro Stück um die 8.000 Euro. Dafür müssten die „Omas gegen rechts“ ziemlich lange stricken.

Der Konfliktfall: Ober schlägt Unter

Dringend notwendig wäre eine aktive Fehlerkultur, die Kritik erlaubt und im Konfliktfall nicht danach entscheidet, wer die höhere Dienststellung innehat. Diese nahm ein anwesendes Mitglied der Polizeiführung zum Anlass, mit hochrotem Kopf den Polizeipfarrer vor den versammelten Gewerkschaftern anzuschreien. Freilich war dieser davon gänzlich unbeeindruckt und eines besseren Beweises für eine stark defizitäre Fehlerkultur, hätte es damals aktuell auch nicht bedurft! Als ich im Nachhinein den Innenminister ansprach, denn dieser schmachvolle Umgang, dazu dieses cholerische Auftreten inklusive der unangemessenen Lautstärke, sind punktgenau das Führungsproblem, wurde ich schnell durch andere von seiner Seite weggezogen. Als ein Kollege und ich uns daraufhin einen Termin beim Innenminister holen wollten, scheiterten wir mehrfach. Holzschuher hatte seine Reden stets damit beendet, jeder Beamte könne sich bei ihm einen persönlichen Termin holen, das wäre immer noch besser, als sich an die Presse zu wenden. Der Krankenstand ist nach wie vor unglaublich hoch, die Probleme zu einem großen Teil hausgemacht und durch einen schlechten und inkompetenten Umgang mit Mitarbeitern erzeugt.

Mobbing als Personalinstrument

Aber unser Polizeipfarrer wäre nicht Sven Täuber, wenn er nicht nachgelegt hätte. In der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) berichtete er in einem Interview, das Brandenburgs Polizisten stressbedingt fünf Jahre früher sterben als der Durchschnitt der Bevölkerung im gleichen Bundesland. Dann kam er auf die „Polizeistrukturreform“ zu sprechen. Diese „Reform“ war in Wirklichkeit eine beschönigende Beschreibung für ein drastisches Stellenabbauprogramm, super Reformstress und eine gewaltige Arbeitsverdichtung und hatte im betreffenden und den folgenden Jahren besonders viele Suizide zur Folge. Mir ist bekannt, dass darunter mehrere Leistungsträger waren. Im Reformjahr 2011 war fast jeder dritte Todesfall eines Polizisten eine Selbsttötung. Täuber sprach damals davon, dass die Verbitterung in der Landespolizei groß ist. Dass es Kollegen gibt, die mit Haut und Haar Polizisten sind und trotzdem sagen: „Das ist nicht mehr meine Polizei!“ und die ihr Bandmaß bemühen, um die Tage bis zur Pensionierung zu zählen. Wertschätzung gibt es nicht.

Ein weiteres Problem ist Mobbing, dieses wird als Personalpolitik betrieben. Diese Auffassung kann ich gern durch meine Beobachtungen und Erfahrungen persönlich bestätigen. Pseudo-„Mobbingverfahren“ ziehen sich über 18 Monate, es wird getrickst und unter den Teppich gekehrt, dass sich die Balken biegen. Betroffenen wurde sogar verwehrt, sich in das „laufende Verfahren“ einzubringen. Es gab Mobbingbeauftrage, die abtauchen und sogar die Unwahrheit zum Nachteil des Betroffenen von sich geben. Das wird man an entsprechender Stelle nicht gern lesen, dabei bin ich noch sehr mäßigend. Schon Ursula Sarrazin wusste in ihrem Buch „Hexenjagd“ gleich zu Beginn hinzuweisen: „Die öffentliche Benennung der Täter ist persönlichkeitsrechtlich als sog. „Recht auf Gegenschlag“ ausdrücklich zulässig“, wenn der Dienstherr diese Reputation öffentlich und intern verweigert. Sie nannte daraufhin die Täter und Verweigerer öffentlich mit Namen, Dienststellung und Dienstort.

In Brandenburg erläuterte ein Sprecher des Polizeipräsidiums gegenüber der Presse gar, dass es innerhalb von neun Jahren nur drei Fälle (!) von Mobbing gegeben hätte. Besser konnte man die Unfähigkeit, Probleme zu lösen, nicht selbstbezichtigend und unfreiwillig darlegen. Diese heruntergekommene Kultur des Umgangs bemerkte man auch daran, dass es üblich geworden war, zu Personalgesprächen eine „Vertrauensperson“ mitzunehmen, damit hinterher nicht beide Seiten etwas Verschiedenes behaupten können. Auch die Loyalität sei einseitig ausgeprägt: „Politik und Ministerium verstehen unter Loyalität Gehorsamstreue. Das dürfen die auch. Die Kollegen beklagen aber eine Schönschreibe- und Erfolgsmeldekultur wie zu besten DDR-Zeiten. Das passt einfach nicht zu diesem Krankenstand. Wir haben ein Loyalitätsproblem,“ so der Pfarrer.

Kritiker versucht man nach wie vor mundtot zu machen, nach meinem Eindruck auch den Ersteller dieses Artikels, dem angelastet wird, er würde als Autor aktiv sein und gar Bücher schreiben, um ihn die bisher genehmigte Nebentätigkeit zu entziehen. Der ständige Sound eines aufgebauten mündlichen und schriftlichen Bedrohungspotentials ist auch mir nur zu bekannt. Das angemahnte Buch über Mobbing wird trotzdem erscheinen.

Weiter mit Sven Täuber: In einem aktuellen Zeitungsinterview zieht der Polizeipfarrer Bilanz: Jeder Beamte sollte die Möglichkeit erhalten, einmal im Jahr bei seinem Vorgesetzten ein Mitarbeitergespräch zu führen. Jeder Beamte hat, theoretisch sowieso das verbürgte Recht, so ein Gespräch einzufordern. Offensichtlich geht es nicht nur mir so, ununterbrochen über einem sehr langen Zeitraum diesbezüglich abgewiesen zu werden. Täuber betont, dass die Polizei nunmehr unter Minister Schröter zu Ruhe gekommen wäre. Dem kann ich leider nicht ganz beipflichten. Als ich mit dem Innenminister am 30.Mai 2018 im Landtag, durch Vermittlung des CDU-Abgeordneten Björn Lakenmacher, ein halbstündliches Gespräch über gesundheitlich stark nachteiligen Defizite in Bezug auf den Arbeitsschutz geführt hatte, versprach er mir eine Untersuchung. Inzwischen sind über 17 Monate ins Land gegangen, trotz mehrerer mündlicher wie schriftlicher Anfragen, bekam ich bis heute kein Ergebnis der „Ermittlungen“ mitgeteilt. Überrascht davon bin ich jedoch nicht. Alles beim Alten geblieben.

Externe Beschwerdestelle für Polizisten notwendig

Polizeipfarrer Sven Täuber mahnt dann auch folgendes an: „Endlich, endlich soll Brandenburg eine Beschwerdestelle für Polizistinnen und Polizisten bekommen.(…) Aber, bitte, diese Stelle darf nicht bei der Polizei und nicht im Innenministerium angesiedelt werden, sondern im Landtag“, appelliert der Pfarrer an SPD, CDU und Grüne. Nur so sei gewährleistet, dass Missstände nicht unter die Decke gekehrt werden.“

Damit verbindet der Seelsorger erneut ein altbekanntes Defizit: eine fehlende Fehlerkultur, die ich gern bestätigen kann. Eher erlebe ich noch, dass Deutschland aufgrund des Klimawandels subtropisch wird, als das man in der Verwaltung oder bestimmten Ebenen anfängt, auch nur einmal selbstkritisch über sich nachzudenken. Altbackene Problemlösungen nach dem Gewinner – Verlierer – Prinzip. „Jeder Seite kann ihr Gesicht wahren“, Fehlanzeige! Kritik von „oben“ nach „unten“ ist dagegen allgegenwärtig, gern auch in unsachlicher Tonlage. Beamte die dagegen halten, werden mit großem persönlichem Eifer moralisierend stigmatisiert und „begleitet“. Kritische Polizisten müssen sogar mit Strafverfahren rechnen. Damit erübrigt sich jede inhaltliche Auseinandersetzung und die Fehlerkultur fällt einmal mehr erfolgreich unter den Tisch. Selbst einen Landtagsabgeordneten hat man versucht zu indoktrinieren, als es darum ging, einen kritischen Polizeibeamten schändlich psychiatrisch zu diffamieren. Gustl Mollath lässt grüßen.

Wir werden den aufrechten Polizeipfarrer vermissen. Bei seiner offiziellen Verabschiedung an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg erhoben sich spontan alle Zuschauer von den Plätzen. Die Möglichkeit einer kurzen Rede erhielt er nicht, das ist nach wie vor typisch. Hatte man kritische Worte befürchtet? Eine Frage der Fehlerkultur.


Steffen Meltzer, Autor von Ratgeber Gefahrenabwehr: So schützen Sie sich vor Kriminalität – Ein Polizeitrainer klärt auf